Die Hüter des Geldes: Corporate Treasurer

Treasurer finden sich auch in mittelständischen Unternehmen immer häufiger. Die Liquiditäts- und Finanzrisikospezialisten sind begehrt und nicht billig. Wer ein komplexes internationales Geschäft hat, sollte auf ihre Dienste dennoch nicht verzichten.

Die englische Fregatte „Treasurer“, die 1613 die berühmter Häuptlingstochter 1613 nach England verschleppt haben soll, hatte stets mehr als eine Handbreit Liquidität unter dem Kiel. Treasurer heute müssen ihr Unternehmen durch alle finanziellen Tiefen und Untiefen steuern und das Sinken verhindern.

Die englische Fregatte „Treasurer“, die 1613 die berühmter Häuptlingstochter 1613 nach England verschleppt haben soll, hatte stets mehr als eine Handbreit Liquidität unter dem Kiel. Treasurer heute müssen ihr Unternehmen durch alle finanziellen Tiefen und Untiefen steuern und das Sinken verhindern. Foto: picture alliance / The Print Collector / Heritage Images

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„It’s all about the money, stupid!“ Was für die Jongleure des Finanzsystems eine Selbstverständlichkeit ist, steht für Unternehmer oft nicht ganz oben auf der Prioritätenliste: treue Kunden, sichere Lieferketten, verlässliche Produktqualität, zufriedene Mitarbeiter – all das ist für die meisten Firmenlenker viel wichtiger als der Blick auf den Kontostand. Und für den nachhaltigen unternehmerischen Erfolg auch von erheblich größerer Bedeutung.

Aber manchmal geht es wirklich nur ums Geld. Das gilt vor allem für die akute Krise, in der es ohne ausreichende Liquidität einfach nicht weitergeht. Aber auch wenn die Existenz nicht bedroht ist, sondern einfach nur die Geschäfte volatiler werden, rutscht das Konto rasch einmal unter die vereinbarte Linie. Und selbst rasches Wachstum birgt seine Tücken, weil die künftigen Umsätze oft vorfinanziert werden müssen und darum erst einmal viel mehr Liquidität erfordern, als das operative Geschäft Geld in die Kasse spült.

In kleineren Unternehmen übernehmen in der Regel Buchhaltung und Steuerberater die Aufgabe, auf ausreichend Liquidität zu achten. Doch schon mittelgroße Unternehmen haben oft anspruchsvolle Themen auf dem Tisch: komplexe Zahlungsaus- und -eingänge, Auslandszahlungsverkehr, Wechselkursrisiken, Bankbeziehungen in verschiedenen Ländern, manchmal auch Rohstoffrisiken. Dann schlägt die Stunde der Profis, für die es keine deutsche Berufsbezeichnung gibt: die Treasurer.

Gesucht wie nie

Noch vor 20 Jahren waren Treasurer im Mittelstand eine Seltenheit. Seitdem ist die Funktion von den Großkonzernen immer weiter nach unten gesickert – ein Zeichen auch für die zunehmende Professionalisierung mittelständischer Unternehmen in den Finanzbereichen. Das hat zu einer enorm angespannten Arbeitslage bei den Finanzspezialisten geführt: Das Fachmagazin „DerTreasurer“ registrierte im ersten Halbjahr des laufenden Jahres 292 ausgeschriebene Stellen im deutschsprachigen Raum – so viele waren es bis 2020 in keinem einzigen kompletten Jahr.

Das Angebot an guten Treasurern ist nicht im selben Maße gestiegen, so dass die Suche sich oft sehr mühsam gestaltet und immer teurer wird. „Wir beobachten eine Knappheit an versierten Treasurern“, sagt Uwe Hadeler, der bei der Deutschen Bank das Firmenkundengeschäft in Norddeutschland verantwortet. Und die Qualität hat ihren Preis: Unter 50.000 Euro sind auch Anfänger kaum zu bekommen, erfahrene Kräfte kosten schnell 100.000 Euro, Leiter einer kleinen Treasury-Abteilung verlangen auch 150.000 Euro, die Chefs in den Großkonzernen verdienen noch erheblich mehr.

„Wir beobachten eine Knappheit an versierten Treasurern.“

Uwe Hadeler, Deutsche Bank

Das ist eine Menge Geld. Andererseits: Treasurer kontrollieren die Schlagader des Unternehmens, ohne die kein Überleben möglich ist. Die Spezialisten sorgen nicht nur für jederzeit ausreichende Liquidität, sondern sichern auch den reibungslosen Zahlungsverkehr und steuern die finanziellen Risiken. „Das Treasury hat sich aus dem Zahlungsverkehr heraus entwickelt und umfasst auch die Fremdfinanzierung“, präzisiert Andreas Sowa, Vorstand im Verband Deutscher Treasurer (VDT) und im Hauptberuf Head of Treasury bei der McKesson Europe AG. „Außerdem identifiziert, bewertet und managt der Treasurer auch alle finanziellen Risiken, egal ob sie aus Zinsen, Rohstoffen, Forderungen oder operativen Risiken im Treasury stammen – darum gehören heute auch Kundenfinanzierungen, Working Capital Management oder Versicherungen in den Aufgabenbereich.“

IT und Durchsetzungskraft

Ein weiterer Knowhow-Baustein ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden: Verständnis für IT-Prozesse und IT-Lösungen. Der Zahlungsverkehr wird nämlich nicht nur immer schneller und digitaler, sondern auch zunehmend zum Einfallstor für Cyber-Betrug. Außerdem geben die Treasurer ihren Chefs mit Hilfe moderner Treasury-Management-Systeme (TMS) jederzeit auf Knopfdruck den Überblick über die Liquidität und alle finanziellen Risiken. Auch regulatorische und Compliance-Anforderungen spielen in vielen Branchen eine immer wichtigere Rolle.

Für all das braucht es Menschen mit viel Erfahrung und ganz unterschiedlichen Fähigkeiten, die nun einmal ihren Preis haben. Gute Treasurer sind starke Persönlichkeiten, die sich intern wie extern zu behaupten wissen. Auf Augenhöhe mit den Banken zu sein ist ein Muss: „Bei Unternehmen mit einem Umsatz über 500 Millionen Euro ist der Treasurer in der Regel unser Hauptansprechpartner“, sagt Hadeler. Aber auch intern braucht es Durchsetzungsfähigkeit: „Treasurer streben üblicherweise ein Cashpooling über das gesamte Unternehmen hinweg und eine Zentralisierung der Fremdwährungsgeschäfte an“, berichtet Sowa. „Damit nimmt man natürlich den lokalen Finanzverantwortlichen einen Teil ihres Einflusses.“

„Die Umsatzgrenze gilt nicht mehr. Die Frage lautet vielmehr: Wie komplex sind die Aufgaben im Treasury?“

Andreas Sowa, Verband Deutscher Treasurer (VDT)

Mittlerweile haben viele ehemalige Banker den Weg in das Treasury von Mittelständlern gefunden. Aus Sicht von Hadeler ist das Vor- und Nachteil zugleich: „Die Banker sprechen unsere Sprache und kennen die Themen sehr gut, müssen sich aber natürlich zuerst einmal im Unternehmen verdrahten.“ Die Arbeit im Silo ist aber Vergangenheit: „Man kann heute als Treasury nicht mehr allein agieren“, betont Sowa. „Viele operative Entscheidungen wie die Aufstockung des Lagers oder die Festlegung von Zahlungskonditionen betreffen auch das Treasury, umgekehrt können Entscheidungen im Treasury rechtliche, steuerliche oder buchhalterische Fragen aufwerfen.“

Wer braucht einen Treasurer?

Welcher Mittelständler braucht ein professionelles Treasury mit gut bezahlten Mitarbeitern? Früher hieß es einmal, spätestens ab 500 Millionen Euro Umsatz sollte man einen Treasurer haben. Heute blicken Experten anders auf das Thema: „Die Umsatzgrenze gilt nicht mehr“, sagt Treasurer Sowa. „Die Frage lautet vielmehr: Wie komplex sind die Aufgaben im Treasury?“ Banker Hadeler findet einige qualitative Kriterien: „Wenn man Tochterunternehmen gründet, ins Ausland geht und zunehmend mit Devisen zu tun hat, dann ist ein Treasurer sicherlich sinnvoll.“ Hadeler sieht ein Treasury auch als Zeichen eines professionellen Finanzmanagements, das unabhängig von der Größe ist: „Wir haben Kunden, deren 80 Millionen Euro Umsatz rund um den Erdball verteilt sind. Die daraus resultierenden Risiken müssen angemessen gesteuert werden.“

Wie wird man Treasurer?

Treasurer wird man nicht durch seine Ausbildung, sondern durch seine Tätigkeit. Der Treasurer-Verband VDT bietet aber auch Zertifizierungslehrgänge an, um Fach- und Praxiswissen zu vermitteln. Das Postgraduierten-Programm „Certified Corporate Treasurer“ soll eine umfassende und praxisnahe Qualifizierung im Treasury bieten. Zielgruppe sind Hochschulabsolventen, die idealerweise bereits im Treasury arbeiten.

Seit einigen Jahren zielt der VDT aber auch auf Unternehmen, die keine Vollzeit-Treasurer beschäftigen, aber Treasury-Aufgaben erledigen müssen. Für deren Mitarbeiter gibt es die „Basisqualifizierung Treasury“, die in sechs Tagen die Grundlagen von Unternehmensfinanzierung, Zahlungsverkehr, Liquiditätsplanung und finanziellem Risikomanagement vermittelt.

Wer sehr spezielle Treasury-Themen wie Trade Finance, Zins- und Währungsderivate oder die Bilanzierung von Finanzinstrumenten auf der Agenda hat, der kann sein Wissen in themenbezogenen Seminaren erweitern.

Gibt es den Profi in der Finanzabteilung nicht, macht man auf das Knowhow externer Partner zugreifen. „Wir als Bank müssen dann unsere Kunden über die Risiken aufklären und den Part des Treasurers mit übernehmen“, sagt Hadeler. „Treasurer wiederum unterbreiten uns ihre Vorschläge und nutzen uns gern als Sparringspartner.“ In Unternehmen ohne echtes Treasury beobachtet der Banker häufig ein weniger koordiniertes Handeln von Vertrieb, Einkauf und Produktion. „Professionelle Treasurer dagegen geben Ziele und Guidelines bei Zahlungszielen und zur Lagerhaltung vor.“

Für viele Mittelständler ist es nicht einfach, gute Treasurer für sich zu begeistern. Abhilfe schaffen Interim-Treasurer, die oft über jahrzehntelange Erfahrung in verschiedenen Treasury-Abteilungen verfügen. Sie können den Aufbau einer Organisation planen, spezifische Projekte übernehmen oder auch Personal schulen und fit für einzelne Treasury-Funktionen machen. Auch der Treasurer-Verband VDT stellt ein breites Fortbildungsangebot bereit. Manche Dienstleistungen können in einem Rent-a-Treasurer-Modell sogar dauerhaft ausgelagert werden. Das dürfte für viele Mittelständler im Übergangsstadium ein sinnvoller Weg zu einer noch professionelleren Aufstellung ihrer Finanzabteilung sein.

09/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.

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