„Echtzeitüberweisungen könnten der neue Standard werden“

In Sekundenschnelle zu überweisen ist heute im SEPA-Raum kein Problem mehr. Zahlungsverkehrsexperte Ole Matthiessen erläutert, für welche Mittelständler der Service spannend und wie aufwendig die Einrichtung ist.

Echtzeit ist auf dem Vormarsch: Hier messen und übermitteln intelligente Systeme die Gemütslage und Tätigkeit von Schulkindern. Foto: Alexander Rossbach/VISUM

Foto: Deutsche Bank

Ole Matthiessen

Ole Matthiessen ist Global Head of Cash Management bei der Deutschen Bank.

Herr Matthiessen, sind Echtzeitüberweisungen oder Instant Payment nicht nur etwas für Freaks?

Ganz und gar nicht! Echtzeitüberweisungen erfreuen sich bei unseren Kunden zunehmender Beliebtheit, die Anzahl der ausgeführten Transaktionen steigt kontinuierlich. Anfangs nutzten vor allem Privatkunden die neue Möglichkeit, mittlerweile haben auch viele Unternehmen die Vorteile erkannt. Instant Payment ist mehr als ein Nischenprodukt: Gängige Zahlungsmethoden wie Kreditkarten oder die Angebote von Zahlungsverkehrsanbietern vermitteln schon heute das Kundenerlebnis „Echtzeittransaktion“, auch wenn die eigentliche Zahlung oft länger dauert und teure Garantien notwendig sind.

Hand aufs Herz: Wer braucht die teurere sekundenschnelle Ausführung wirklich?

Unsere Liste an Anwendungsfällen, die wir mit unseren Kunden besprechen, wird täglich länger. Schnelle Auszahlungen sind für Unternehmen oft ein Wettbewerbsvorteil. Aktuell verzeichnen wir besonderes Interesse bei Kunden im Onlinehandel, der Versicherungsbranche, Telekommunikationsdienstleistern und bei Utility-Anbietern. Ein Blick in europäische Nachbarländer zeigt, dass Instant Payment durchaus das Potenzial zum neuen Standard bei Überweisungen hat. In den Niederlanden werden alle Privatkundentransaktionen bereits standardmäßig als Echtzeitüberweisung ausgeführt.

„Unsere Liste an Anwendungsfällen wird täglich länger."

Kann man das Geld auch wieder zurückholen?

Ist die Echtzeitüberweisung erfolgreich zugestellt, gibt es kein Widerrufsrecht wie beispielweise bei Lastschriften. Allerdings gibt es analog zu dem Prozess einer normalen SEPA-Zahlung die Möglichkeit eines Recall. Wie bei SEPA Classic ist für die Rücküberweisung die Bestätigung des Empfängers erforderlich. Genau darin liegt auch der Charme dieser neuen Möglichkeit. Es gibt eben keine Unsicherheit über die Endgültigkeit wie bei Lastschriften.

Welche Voraussetzungen müssen Ihre Kunden sowie deren Kunden und Lieferanten erfüllen, damit es funktioniert?

Die Anpassungen hängen stark von dem Ziel der Nutzung ab. Wer eine Zahlung empfängt, muss dafür nichts machen, wenn die Bank Echtzeitüberweisungen ermöglicht. Mittlerweile sind das in Deutschland alle Bankengruppen, also sowohl die privaten Banken als auch die Sparkassen und die Volksbanken. Ausgehende Zahlungen über das Online-Banking erfordern auch keine Vorbereitungen. Wer Massenzahlungen über Batch-Kanäle tätigen will, muss nur geringe Anpassungen in der Payment-Nachricht vornehmen. Unsere Kunden berichten uns, dass der Aufwand für die Implementierung recht überschaubar ist. Und wir unterstützen sie bestmöglich über unsere Schnittstellen-Angebote.

Schnittstellen einzurichten klingt aber nach Arbeit …

Aber die lohnt sich: Unsere Kunden, die Instant Payment mittels Schnittstellen einreichen wollen, stellen typischerweise ihren gesamten Geschäftsprozess auf Echtzeit um. Das verursacht in der Tat einmaligen Aufwand, man kann dann aber das Potenzial der Echtzeitüberweisung voll ausschöpfen. Wenn eine Schnittstellenanbindung bereits im Treasury-Management-System vorbereitet ist, wird die Implementierung übrigens relativ einfach.

Funktionieren Echtzeitüberweisungen weltweit? Wo sind die weißen Flecken?

Echtzeitüberweisung funktionieren bislang in der Regel in nationalen Zahlungssystemen, im Falle von SEPA innerhalb des gesamten Währungsraums. Wir beobachten derzeit weltweit das Aufkommen von Instant-Payment-Systemen und sind bereits an viele angebunden. Außerdem sind wir an Pilotprojekten beteiligt, die eine Nutzung über verschiedene Währungen hinweg ermöglichen sollen. Auch wenn es hier aktuell noch keine fertigen Angebote auf dem Markt gibt, erwarten wir in den kommenden Jahren einen Durchbruch.

„Request to Pay ist in Verbindung mit Echtzeitüberweisungen eine attraktive
Bezahlvariante für Händler im Internet und an der Ladenkasse."

Kann man Echtzeitüberweisungen auch für das interne Cash Pooling nutzen?

Bislang nur eingeschränkt. Derzeit gilt für Überweisungen ein Maximalbetrag in Höhe von 100.000 Euro. Aus diesem Grund kam diese Zahlungsmethode bisher für Treasury-Zahlungen und im Besonderen für Cash Pooling nicht infrage. Mit der Einführung geschlossener Nutzergruppen für höhere Beträge sind Transaktionen zwischen Konten von Teilnehmerbanken mit größeren Beträgen möglich. Wir bieten aktuell Transaktionen bis zu einer Höhe von einer Million Euro an und rechnen mit einer weiteren Anhebung des maximalen Betrags pro Transaktion. Damit wird die Nutzung auch für Treasury Zahlungen attraktiver.

Seit November 2020 ist „Request to pay“ möglich. Was ist das?

Mit Request to Pay kann ein Unternehmen einem Kunden eine Zahlungsanfrage direkt und digital in seinem Onlinebanking zustellen. Der Kunde muss die Zahlung nur noch autorisieren. Vereinfacht formuliert kann man sich ein Request to Pay als einen bereits ausgefüllten digitalen Überweisungsträger vorstellen. Das macht die Transaktion nicht nur bequemer für den Kunden, die Unternehmen können außerdem den Verwendungszweck mit entsprechenden Referenzen vorausfüllen und damit die Verarbeitung eingehender Transaktionen stark vereinfachen. Aus unserer Sicht ist Request to Pay in Verbindung mit Echtzeitüberweisungen eine sehr attraktive Bezahlvariante für Händler sowohl im Internet als auch an der Ladenkasse – vor allem auch durch die vollständige Integration in das Mobile Banking der Konsumenten.

11/2020

Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.