Lieferketten

Runter vom Gas

Wie sich Unternehmen unabhängiger von Erdgas machen können.

Wird im Winter ausreichend Erdgas zur Verfügung stehen? Und steigt der Preis für Gas noch weiter? Es gibt nur wenige Fragen, die uns – egal ob Verbraucher oder Unternehmer – aktuell genauso bewegen wie diese. Ausgang ungewiss. Die Folgen der Gaslieferkrise sind für die Wirtschaft bereits deutlich zu spüren, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Unter dem Gaspreisschock leiden naturgemäß vor allem energieintensive Branchen. Dazu gehören beispielsweise die Stahl-, die Aluminium-, die Glas-, die Papier- und die Chemieindustrie. Besonders betroffen sind aber auch die Logistik-, die Textil-, die Ernährungs- und die Baustoffbranche.

Hohe Energiepreise: Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit

63 Prozent der Betriebe in Deutschland sehen in den hohen Gaspreisen und Stromkosten eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit. Das hat eine im Juli 2022 veröffentlichte Vorabauswertung des jährlichen Energiewendebarometers des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) ergeben, für das bundesweit rund 3.500 Unternehmen aller Branchen und Regionen befragt werden. 16 Prozent der Industriebetriebe haben demnach auf die aktuelle Gaskrisensituation bereits mit einem Zurückfahren ihrer Produktion oder einer zumindest teilweisen Aufgabe von Geschäftsbereichen reagiert. Für DIHK-Präsident Peter Adrian sind das alarmierende Zahlen: „Sie zeigen, wie stark dauerhaft hohe Energiepreise eine Belastung unseres Standortes sind. Vielen Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als zu schließen oder die Produktion an andere Standorte zu verlagern”, kommentiert er die Umfrageergebnisse.

Wie sich die Lage weiterentwickeln wird, vermögen selbst die profiliertesten Branchenexperten nicht vorauszusagen. Eines steht jedoch fest: Wenn es trotz aller Anstrengungen nicht mehr genug Gas für alle gibt, wird die Bundesregierung die dritte Stufe des Gasnotfallplans ausrufen. Dann müsste die Bundesnetzagentur entscheiden, wer wann und wie beliefert wird. Produktionsausfälle ließen sich für einige Unternehmen in einer solchen Mangellage kaum mehr vermeiden. Doch es gibt auch Möglichkeiten, sich vorzubereiten. Dazu gehört nicht zuletzt, für den Ernstfall für ausreichend Liquidität vorzusorgen.

So können Betriebe für den Gasnotstand vorsorgen

  1. Gas geben beim Energiesparen

    Nicht überall kann Gas im großen Stil eingespart werden. Doch in fast jedem Unternehmen gibt es zumindest punktuell Möglichkeiten dafür. Einige Maßnahmen lassen sich kurzfristig umsetzen, andere erfordern etwas mehr Zeit und Investitionen. Am Anfang steht immer eine Bestandsaufnahme: Wo wird aktuell Erdgas benötigt und wo kann der Verbrauch reduziert oder durch andere Energien ersetzt werden? Tipp: Das Bundeswirtschaftsministerium bezuschusst die Energieberatung für Nicht-Wohngebäude für kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 8.000 Euro. Der Förderantrag kann online beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt werden. Qualifizierte Energieberater in ihrer Region finden Unternehmen in der Energieeffizienz-Expertenliste für Förderprogramme des Bundes unter www.energie-effizienz-experten.de

    Potenzial zum Energiesparen bietet in fast jedem Unternehmen – auch bei Selbstständigen und Freiberuflern, die im Homeoffice arbeiten – zum Beispiel die Heizungsanlage. Wird die Heizungstemperatur in Büroräumen um nur ein Grad abgesenkt, lassen sich damit fast sechs Prozent der Heizenergie einsparen. Bei der Steuerung helfen programmierbare Heizkörperthermostate. Grundsätzlich hilft es, die Mitarbeiter für das Energiesparen zu sensibilisieren: Durch unnötig geöffnete Hubtore und Türen zwischen beheizten und unbeheizten Räumen kann viel Raumwärme verloren gehen. In Produktionsunternehmen kann die Nutzung von Abwärme oder die Wärmerückgewinnung aus Gebäudeluft eine kostengünstige Heizunterstützung liefern. Auf den Seiten der Deutschen Bank finden Sie weitere Tipps, zum Beispiel für mehr Energieeffizienz.
  2. Auf andere Energiequellen umstellen

    Einige Unternehmen, die ihre Energieversorgung in der Vergangenheit auf Gas umgestellt haben, können im Falle eines Gasnotstands kurzfristig auf bestehende Altanlagen zurückgreifen, die neben Gas auch flüssige Brennstoffe wie Heizöl oder Diesel verfeuern. Das reduziert zwar nicht unbedingt die Energiekosten, kann aber über akute Versorgungsengpässe hinweghelfen. Wichtig: Vor der Wiederinbetriebnahme genehmigungspflichtiger alter Anlagen muss nicht nur deren Zustand geprüft werden, sondern auch bei der zuständigen Stelle – meistens der Immissionsschutzbehörde – die Genehmigung oder eine Duldung dafür eingeholt werden.

    Nicht nur um Energiekosten zu sparen, kann sich mittel- bis langfristig die Umstellung auf alternative Energiequellen bezahlt machen. Gerade Gewerbeflächen sind oft dafür geeignet, Heizwärme mittels einer Luft- oder Erdwärmepumpe zu erzeugen. Der dafür benötigte Strom kann zum Beispiel aus einer Photovoltaikanlage auf dem Firmendach stammen. Auch hier ist vorab die Beratung durch eine Energieberaterin oder einen Energieberater empfehlenswert. Einen Überblick über die aktuellen Förderprogramme für mehr Energieeffizienz in Unternehmen gibt das gemeinnützige Internetportal co2online.
  3. Finanzielle Förderung prüfen

    Unternehmen, die von den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine besonders betroffen sind, etwa durch hohe Energiekosten, können seit Anfang Mai 2022 auf verschiedene staatliche Fördermaßnahmen zurückgreifen. Im Rahmen des Energiekostendämpfungsprogramms (EKPD) für energieintensive Industrien können Betriebe seit Juli einen Zuschuss von bis zu 50 Millionen Euro zu ihren gestiegenen Erdgas- und Stromkosten erhalten. Die Zuschüsse werden zunächst zu den Kosten für Erdgas und Strom im Zeitraum Februar bis September 2022 gezahlt, soweit diese sich für die Unternehmen gegenüber ihren Kosten im Jahr 2021 mehr als verdoppelt haben. Das KfW-Sonderprogramm UBR hält zinsgünstige Kredite zum Beispiel zur Bewältigung gestiegener Energiekosten bereit. Zudem wurden die Bund-Länder-Bürgschaftsprogramme erweitert. Mit dem sogenannten Margining-Finanzierungsinstrument ist ein Absicherungsinstrument in Kraft getreten, das Unternehmen, die an den Terminbörsen mit Strom, Erdgas und Emissionszertifikaten handeln, den Zugang zu ausreichender Liquidität sicherstellen soll.

Tipp: Wird Erdgas benötigt, um die Produktion sicherzustellen, droht bei einem russischen Gaslieferstopp im ungünstigsten Fall ein Produktions- und Lieferausfall. Je nach Vertrag kann das gegenüber Kunden zu einer Konventionalstrafe führen. Bei Neuverträgen sollten Betriebe unter Hinweis auf die aktuelle Lage darauf drängen, dass ihre Kunden auf entsprechende Vertragsklauseln verzichten.

Mit dem Finanzierungspartner sprechen

Nicht zuletzt sollten Unternehmen vor dem Hintergrund stark steigender Energiekosten ihre Möglichkeiten zur kurzfristigen Beschaffung von Liquidität prüfen – sei es über die entsprechenden KfW-Kredite oder auch über die Kreditlinien bei der Hausbank. Dabei können auch alternative Finanzierungsinstrumente wie zum Beispiel Factoring einbezogen werden. Das betrifft nicht nur die Unternehmen, die von einem Gasnotstand unmittelbar betroffen wären, sondern auch alle anderen. Denn auch die Preise für Öl und Strom dürften massiv steigen, falls Russland den Gashahn wirklich zudreht.

Neues Gasauktionsmodell

Voraussichtlich ab Oktober soll in Deutschland ein Gasauktionsmodell an den Start gehen. Es soll bei industriellen Gasverbrauchern Anreize setzen, den fossilen Brennstoff einzusparen. Im Wesentlichen sollen dafür Industriekunden, die auf Gas verzichten können, ihren Verbrauch gegen ein Entgelt verringern – und das bereits eingekaufte Gas zur Verfügung stellen, damit es eingespeichert werden kann. Das Modell soll dafür sorgen, dass in Deutschlands Gasspeichern möglichst viel Gas für etwaige Engpasssituationen bereitsteht.

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Der Beitrag erschien erstmals online bei Perspektiven, dem Postbank eMagazin für Geschäfts- und Firmenkunden. Alle Angaben ohne Gewähr.

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