Ölriesen wie Exxon Mobil geraten zunehmend unter Druck aktivistischer Investoren. Deren Einfluss wächst sogar bei nur minimalen Aktienanteilen, weil auch große Institutionelle mitziehen. Doch der Klimaaktivismus der Investoren hat Grenzen.
Gerade einmal 0,02 Prozent hält der aktivistische Hedgefonds Engine No. 1 am Energieriesen Exxon Mobil. Doch das hat gereicht, dass der Mini-Investor drei Vertreter in den Vorstand entsenden kann, die sich für eine klimaneutralere Geschäftsstrategie einsetzen. Das bisherige Exxon-Management um CEO Darren Woods setzte bislang – anders als viele europäische Energiekonzerne – weiter voll auf fossile Brennstoffe. Exxon weigere sich zu akzeptieren, dass die Nachfrage nach Öl sinken könne, konstatierte Engine No. 1.
Lange Zeit schien es, dass Exxons gewaltige Marktkapitalisierung eine bestimmende Aktienposition durch einen aktivistischen Investor verhindern könne. Bis 2013 war das Unternehmen das wertvollste Unternehmen der Welt, noch heute beträgt die Marktkapitalisierung rund 200 Milliarden US-Dollar. Doch Engine No. 1 konnte seine Position selbst mit einem minimalen Stimmanteil umsetzen, weil die Kritik des Hedgefonds von vielen Großinvestoren geteilt wurde. Darunter war auch Blackrock, mit rund 6,6 Prozent zweitgrößter Exxon-Aktionär. Auch Aktienanalysten hatten bereits Veränderungen angemahnt.
Doch Exxon-Chef Woods hatte offenbar geglaubt, den bisherigen Kurs beibehalten zu können. So war er in scharfe Opposition gegen die Forderungen von Engine No. 1 gegangen und hatte ein Treffen mit den nominierten Vorstandskandidaten abgelehnt. Er warnte die anderen Aktionäre, eine Erweiterung des Vorstands um neue Köpfe würde die bisherige Strategie und auch die inzwischen 37-jährige Historie steigender Dividendenzahlungen gefährden.
Doch Woods hatte unterschätzt, wie fragil seine eigene Position Anfang 2021 geworden war. Nicht nur war mit Joe Biden ein deutlich klimafreundlicherer Präsident an die Regierung gekommen, Exxon war außerdem 2020 denkbar erfolglos gewesen: Der Aktienkurs war um mehr als 40 Prozent eingebrochen – die schlechteste Performance seit 40 Jahren. Und Exxon musste den ersten Verlust seit Jahrzehnten und die niedrigste Ölproduktionsmenge seit dem Zusammenschluss mit Mobil im Jahr 1999 ausweisen. Zwar sind diese schwachen Zahlen in erster Linie auf die Corona-bedingte Wirtschaftskrise zurückzuführen. Doch schon vorher hatte die Bilanz von Woods, der seit 2017 Exxon-CEO ist, enttäuscht. Um Investoren dennoch bei der Stange zu halten, hatte er Exxons gestiegene Dividendenzahlungen mit einer höheren Verschuldung finanziert. Woods musste klein beigeben.
Energieunternehmen in aller Welt stehen vor einer riesigen Transformationsaufgabe. Die CEOs haben jedoch sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie schnell und wie radikal diese Transformation erfolgen muss. So werden drastische Senkungen der CO2-Emissionen in einigen Dekaden versprochen, doch in den nächsten Jahren sei noch nicht viel zu erwarten. Diese Planung hatte auch der europäische Energiekonzern Shell verfolgt, der 2050 klimaneutral sei will. Doch ein niederländisches Gericht hat Shell vor wenigen Monaten dazu verurteilt, früher deutlicher zu reduzieren: Schon bis 2030 muss Shell einen CO2-Ausstoß von weniger als 45 Prozent des Jahres 2019 erreichen. Die Transformation erhält ein ambitioniertes Zwischenziel.
Bemerkenswert ist das Urteil auch, weil es Shell dazu verpflichtet, nicht allein die bei der Förderung und Zulieferern entstehenden Emissionen zu reduzieren – sondern auch die seiner Kunden. Die meisten CO2-Emissionen entstehen bekanntlich erst beim Verbrennen – also dem Betrieb von Flugzeugen, Autos, Heizungen, Betreiben von Industrieanlagen etc. Die Reduktion dieser sogenannten Scope-3-Emissionen, die 85 Prozent der Gesamtemissionen ausmachen, kann Shell eigentlich nur durch eine grundsätzliche Reduktion der fossilen Förderung reduzieren – schließlich kann Shell nicht bestimmen, dass eine Fluggesellschaft sparsamere Turbinen einsetzt.
14 der von Jahresmitte 2020 bis Jahresmitte 2021 untersuchten 36 angenommenen ESG-relevanten Anträge hatten einen Bezug zum Klimawandel.
Klimaschützer auf der ganzen Welt haben das Urteil, gegen das Shell inzwischen Revision eingelegt hat, als Dammbruch gefeiert. Sie erwarten, dass Shell und Exxon nur der Anfang sind und auch andere Unternehmen rasch zum Kurswechsel getrieben werden. Tatsächlich kommt nicht nur rechtlich Bewegung in das Thema, sondern auch durch institutionelle Investoren. So haben die beiden weltgrößten Investoren Blackrock und Vanguard erklärt, sich zunehmend für Pro-ESG-Forderungen zu engagieren. Zuletzt hatte Blackrock unter anderem bei BP, Chevron und Conoco Phillips für mehr Einsatz in Klimafragen gestimmt.
Einer Analyse der Fonds-Ratingagentur Morningstar zufolge hat die Zustimmungsquote zu ESG-relevanten Aktionärsanträgen mit 34 Prozent in diesem Jahr einen neuen Rekordstand erreicht. Auch nimmt die Quote der mehrheitlich angenommenen ESG-Anträge zu, allerdings liegt sie weiterhin erst bei rund 20 Prozent. Anträge mit Klimabezug hatten allerdings eine höhere Erfolgschance als Anträge mit Bezug auf Soziales und Governance. 14 der von Jahresmitte 2020 bis Jahresmitte 2021 untersuchten 36 angenommenen Anträge hatten einen Bezug zum Klimawandel.
Doch Klimaaktivisten sind noch lange nicht zufrieden mit dem Einsatz der Investoren. Auf der Webseite „Blackrocksbigproblem.com“ analysieren sie das Stimmverhalten des größten Investors vor allem bei Energie- und Utilities-Konzernen sowie Finanzdienstleistern. Sie kritisieren, dass Darren Woods und Co-Vorstand Ken Frazier trotz ihrer klimaaversen Führung mit den Stimmen Blackrocks bestätigt worden seien. Auch bei Shell, Wells Fargo und Barclays seien klimafreundliche Resolutionen nicht unterstützt worden. Vanguard wiederum hat zwar Engine No. 1 unterstützt, gibt aber ansonsten selten Auskunft über das eigene Abstimmungsverhalten.
Die drei größten Energiekonzerne der Welt sind Staatskonzerne. Hier endet der Einfluss der Ökoinvestoren.
Damit sich wirklich mehr in den Energieunternehmen verändere, fordert Blackrocksbigproblem, sollten die Investmentriesen den Druck nicht nur durch Abstimmungen erhöhen, sondern ihre Positionen in solchen Unternehmen begrenzen bzw. ausschließen. Doch diese Forderung ist umstritten: Ohne Aktienanteile ist es schwierig, als Investmentgesellschaft Veränderungsdruck auszuüben. Denn Interesse an den fossilen Energiekonzernen gibt es weiterhin – trotz Veränderungsdruck ist unstrittig, dass Öl und insbesondere Erdgas auch in den kommenden Jahrzehnten nachgefragt bleiben werden. Einzelne Analysten rechnen zwar damit, dass Unternehmen wie Chevron oder Conoco Phillips in diesem Jahr deutlich besser am Aktienmarkt performen werden als der Durchschnitt. Allerdings sind Energieunternehmen, die bislang nicht ins Visier von Klimaaktivisten geraten sind, deutlich erfolgreicher am Aktienmarkt. Der Aktienkurs von Devon Energy beispielsweise konnte in den zurückliegenden sechs Monaten um etwa 30 Prozent zulegen; Exxon hingegen verlor 5 Prozent, Chevron sogar mehr als 8 Prozent. Investoren wissen, dass Exxon und Chevron nicht mehr so einfach in profitable neue Öl- und Erdgasförderung investieren können.
Vor allem aber endet der Einfluss klimabewusster Investoren bei staatlichen Energieunternehmen. Die drei größten Energiekonzerne der Welt sind Saudi Aramco, Petrochina und Sinopec, allesamt Staatskonzerne. Beim „Climate Action Tracker“ erhält Saudi-Arabien ein „critically insufficient“, weil aktuelle Maßnahmen und Ziele auf eine Erderwärmung von +4 Grad hinauslaufen. China erhält ein „highly insufficient“, weil das Land ebenfalls deutlich zu wenig unternimmt, damit das Ziel des Pariser Klimaabkommens von maximal 1,5 Grad Erderwärmung im Jahr 2030 erreicht werden kann.
09/2021
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