Lebensmittel, Medizin, Industriegüter – es gibt kaum ein Produkt, das nicht in speziellen Verpackungen den Weg zum Kunden findet. Damit kennt sich die MULTIVAC Sepp Haggenmüller SE & Co. KG aus Wolfertschwenden im Allgäu bestens aus. Das Familienunternehmen entwickelt und produziert hoch automatisierte Verarbeitungs- und Verpackungsanlagen und liefert sie über Tochtergesellschaften in mehr als 80 Ländern an Abnehmer auf der ganzen Welt.
Für das in der Regel langfristige Kundengeschäft erhält MULTIVAC Anzahlungen, die das Unternehmen mit einer Bankbürgschaft oder Bankgarantie (Aval) absichert. „Ohne diese Anzahlungen müssten wir den Produktionsprozess selbst vorfinanzieren“, erklärt Thorsten Busenius, Head of Corporate Treasury bei MULTIVAC.
In der Vergangenheit waren Avale reine Papiersache: Erst mit einer signierten Urkunde konnte MULTIVAC seinen Geschäftspartnern die geforderte Sicherheit präsentieren. Alles natürlich auf dem langsamen Postweg mit dem Risiko des Verlusts. Inzwischen geht das mit E-Banking-Lösungen deutlich schneller. Doch auch das war für MULTIVAC immer noch ein hoher manueller Aufwand. Denn die Administrierung der Bürgschaften und Garantien musste über Excel-Listen, E-Mails und verschiedene E-Banking-Lösungen zwischen den MULTIVAC-Auslandstöchtern, der Finanzabteilung in Wolfertschwenden und den garantiegebenden Banken orchestriert werden.
Zusammen mit der Deutschen Bank und dem Fintech Digital Vault Services (DVS) hat MULTIVAC das gesamte Aval-Geschäft nun auf einer Plattform gebündelt. Damit können die Tochtergesellschaften über einen zentralen Kanal die für die Banken notwendigen Informationen übermitteln. Im Treasury werden die Daten im Einzelfall nur noch komplettiert und freigegeben. Über diesen Kanal bekommt MULTIVAC die Avale als digitale Urkunde auch zurück. Das spart neben Porto- und Kurierkosten auch Zeit, und es minimiert Fehlerquellen. „Wir haben so auch einen Überblick über das gesamte Aval-Geschäft und über die dafür gewährten Kreditlinien“, sagt Busenius.
„Mit der Plattform haben wir einen Überblick über das Aval-Geschäft und die dafür gewährten Kreditlinien.“
Thorsten Busenius,
Head of Corporate Treasury bei MULTIVAC
Noch akzeptiert zwar nicht jeder Begünstigte digitale Avale. Vor allem im Ausland spielt die papierhafte Urkunde noch eine gewisse Rolle. Doch Busenius geht fest davon aus, dass sich das E-Aval durchsetzen wird.
Handelsgeschäfte bergen Risiken. Um diese Risiken zu minimieren, greifen Unternehmen in der Praxis häufig auf Avale zurück – ein Sammelbegriff, unter dem gängige Instrumente wie Bürgschaften und Garantien zusammengefasst werden. Banken übernehmen dabei für den Auftraggeber des Avals die Funktion des Garanten beziehungsweise Bürgen und verpflichten sich, den Begünstigten unter bestimmten Voraussetzungen schadlos zu halten. Vor allem im internationalen Geschäft hilft das, neue Märkte und Kunden zu erobern.
Unternehmen haben in der Regel mehrere dieser Instrumente im Gebrauch und sind häufig sowohl Auftraggeber als auch Begünstigter. In Kombination mit einer hohen Zahl an Avalen und oftmals manuellen und papierbasierten Prozessen führt das zu Ineffizienzen und hoher Ressourcenbindung in der Finanzabteilung. Hinzu kommt, dass nicht immer ein zentraler Überblick über den aktuellen Aval-Bestand existiert, da die entsprechenden Instrumente dezentral bearbeitet werden.
Die Deutsche Bank ermöglicht es ihren Kunden seit geraumer Zeit, Avale bilateral digital zu beantragen. Das vereinfacht und beschleunigt den Beantragungsprozess bereits enorm. „Mit der Anbindung an das multibankfähige digitale Zentralregister der Digital Vault Services lässt sich das Aval-Management nun vollständig digitalisieren“, erklärt Karin Sollena aus dem Bereich Trade Flow Advisory & Service der Deutschen Bank – von der Beantragung über die Freigabe und Änderung bis hin zu dem Reporting und der Rückgabe der Garantien und Bürgschaften, und zwar für alle im Prozess beteiligten Parteien, in Echtzeit und in einer standardisierten, sicheren Umgebung.
„Mit der Anbindung an das multibankfähige digitale Zentralregister der Digital Vault Services lässt sich das Aval-Management nun vollständig digitalisieren.“
Karin Sollena,
Trade Flow Advisory & Service bei der Deutschen Bank
Damit einher gehen erhebliche Effizienzgewinne und Kosteneinspareffekte für die Unternehmen, die umso größer sind, je mehr Banken und Versicherer auf der Plattform zur Verfügung stehen und je mehr Begünstigte digitale Avale akzeptieren. Wurden früher mehrere bilaterale E-Banking-Lösungen für das Aval-Management genutzt, ist jetzt nur noch ein Tool nötig. Das beschleunigt die Abwicklung signifikant, erhöht die Prozesstransparenz und minimiert durch die nahtlose Datenübermittlung Fehlerquellen.
Technische Mindeststandards gibt es grundsätzlich keine. „Der Zugang und die Nutzung des digitalen Zentralregisters ist bereits mit den gängigen Webbrowsern möglich“, sagt Ludger Janßen, Geschäftsführer bei DVS. Über Schnittstellen lässt sich die Anwendung aber auch in bestehende Treasury-Management-Systeme einbinden. Zudem sind die Aval-Auftraggeber frei in der Gestaltung und der Vergabe der Nutzungsrechte. Das ist gerade für weltweit agierende Unternehmen mit vielen Tochtergesellschaften ein äußerst sinnvolles Feature.
01/2024