Bosch testet in einem Pilotprojekt im eigenen Werk Salzgitter eine Innovation der dezentralen Energieversorgung: Der Industriekonzern hat eine Festoxid-Brennstoffzelle (solid oxide fuel cell, SOFC) entwickelt, die mit Erdgas, Biomethan und künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden kann, um Strom sowie Wärme zu produzieren. Mit grünem Wasserstoff betrieben, würde sie emissionsfrei Energie erzeugen – bei Nutzung der entstehenden Wärme mit einem enormen Wirkungsgrad von mehr als 85 Prozent.
Den Vorteil dieser Geräte erklärt Julian Schatz, der für Bosch das SOFC-Pilotprojekt aus dem Controlling begleitet: „Brennstoffzellen produzieren Energie dort, wo sie nachgefragt wird. Sie können für Energieautonomie sorgen und als autarke Einheiten Versorgungssicherheit unabhängig von der Netzstabilität schaffen.“ Potenzielle Einsatzorte sind neben Industriebetrieben auch Rechenzentren und Wohnquartiere.
Im Pilotprojekt testet Bosch zehn Brennstoffzellen. Eine Schlüsseltechnologie des SOFC-Systems ist der digitale Zwilling, ein virtuelles Abbild der SOFC-Anlage in der Cloud. Dorthin liefert die Brennstoffzelle technische sowie Verbrauchsdaten. „Mithilfe künstlicher Intelligenz kann Bosch als Anlagenanbieter dem Nutzer direkt auch bedarfsgerechten Service und vorausschauende Wartung anbieten“, erklärt Schatz.
Der digitale Zwilling ist aber auch der „Enabler“ des nutzungsbasierten Finanzierungsmodells, für das Bosch als Partner die Deutsche Bank ausgewählt hat. Es nennt sich „SOFC-as-a-Service“. Darin erwirbt der Finanzierungspartner die Anlage und stellt sie dem Nutzer gegen ein verbrauchsabhängiges Entgelt bereit. „SOFC-as-a-Service macht die Nutzung einer Brennstoffzellenanlage für die Anwender einfach, komfortabel und versorgungssicher“, erklärt Victor Winterhalder, Firmenkundenbetreuer von Bosch bei der Deutschen Bank.
„Brennstoffzellen produzieren Energie dort, wo sie nachgefragt wird.“
Julian Schatz,
Controller für das SOFC-Pilotprojekt bei Bosch
Der Vorteil für die Nutzer solcher Asset-as-a-Service Modelle: Ausgaben und Finanzierungskosten „atmen“ mit der Auslastung, eine Einmalinvestition ist zu Beginn nicht mehr vonnöten, und die Ausgaben werden mit den operativen Aufwänden über den Zeitverlauf in Einklang gebracht – Ökologie trifft Bilanzoptimierung.
Drei aktuelle Trends verleihen den innovativen Asset-as-a-Service Finanzierungsmodellen (AaaS) Rückenwind: Nachhaltigkeit, die schwierige Wirtschaftslage mit ihren unsicheren Perspektiven und die steigenden Zinsen. Unternehmer prüfen Investitionsvorhaben derzeit genauer denn je, während es für Hersteller teurer wird, selbst produzierte Anlagen auf der eigenen Bilanz zu halten, um sie ihren Kunden zur Verfügung zu stellen. Dies übernimmt bei AaaS-Modellen der Finanzierer und Eigner der Anlage – im Fall des SOFC-Pilotprojekts die Deutsche Bank.
„Mit SOFC-as-a-Service werden sämtliche Finanzierungsfragen von den Vertragspartnern des Nutzers bearbeitet.“
Victor Winterhalder,
Deutsche Bank AG, Firmenkundenbetreuer Bosch
„Modelle wie SOFC-as-a-Service sind deshalb so attraktiv, weil gerade für Unternehmer keine Anfangsinvestitionen anfallen, die sich im Normallfall erst über Jahre hinweg amortisieren werden“, sagt Günther Pöttler, der bei der Deutschen Bank den Strukturierungsbereich für die Entwicklung und Umsetzung nicht standardisierter Finanzierungslösungen leitet. Ein weiterer Aspekt: „Für uns als Bank ist SOFCaaS auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil wir neue, nachhaltige Finanzierungskonzepte für die Industrie entwickeln können.“ Perspektivisch ließe sich dieses Geschäftsmodell auch für institutionelle Investoren auf der Suche nach alternativen Kapitalanlagen öffnen. Hier könnte eine neue Anlageklasse im industriellen Umfeld entstehen.
Essenziell für diesen Schritt ist der sichere und Realtime-nahe Bezug von Nutzungsdaten, der eine Prognose über die Nutzung und das damit einhergehende Nutzungsrisiko ermöglicht. Diese Daten, die beim „digitalen Zwilling“ der Anlage einlaufen, bieten das Potenzial, nutzungsbasierte Finanzierungslösungen langfristig skalierbar anzubieten und neue Risiko- und Investitionsklassen für institutionelle Investoren zu schaffen.
Anne-Katrin Brehm, die bei der Deutschen Bank die Finanzierungslösungen für As-a-Service Modelle verantwortet, wagt einen Blick in die Zukunft: „Je besser wir über diverse Branchen hinweg verstehen, wie unterschiedlich SOFC-Anlagen genutzt werden, desto individueller und nachhaltiger können wir die Finanzierung und Abrechnung ausrichten.“ Und je größer das Anlagenportfolio eines Eigners, desto breiter lässt sich auch das Risiko diversifizieren, mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Finanzierungskosten.
Neben dem Wegfall hoher Investitionskosten wirken sich Asset-as-a-Service Modelle auch positiv auf die operative Kosteneffizienz von Betrieben aus. „Betreiber, Servicepartner, Systemintegratoren, Hersteller und Finanzierungspartner: Alle arbeiten in einem Ökosystem zum Vorteil aller zusammen“, resümiert Günther Pöttler.
12/2022