Als BioNTech 2008 von Uğur Şahin, Özlem Türeci und Christoph Huber in Mainz gegründet wurde, wollten die drei Immunologen und Onkologen nichts Geringeres, als die Behandlung von Krebs revolutionieren. Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Januar 2020 konzentrierte BioNTech seine Kapazitäten aber zunächst auf die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus. Mit Erfolg. Zusammen mit dem Partner Pfizer gelang es binnen kürzester Zeit, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Für BioNTech brach damit medizinisch und finanziell eine neue Zeitrechnung an. „Als wir im Januar 2022 die erste große Zahlung von Pfizer erhielten, bestand die Aufgabe darin, schnell eine Treasury-Funktion aufzubauen, die in der Lage war, die mit dem US-Dollar/Euro-Wechselkurs verbundenen Währungsrisiken zu managen und das überschüssige Bargeld zu investieren“, erinnert sich Dirk Schreiber, Leiter Treasury bei BioNTech. Bis Ende März 2024 verfügte das Unternehmen über einen Kassenbestand von knapp 17 Milliarden Euro, der unter anderem in Geldmarktfonds und Staatsanleihen investiert wird.
Die Liquiditätspositionen unter Berücksichtigung von Absicherungs- und Anlageanforderungen zu optimieren, stand deshalb auf der Agenda des BioNTech-Treasury ganz oben. Ziel war es, sofort über Zahlungseingänge informiert zu werden. Gemeinsam mit der Deutschen Bank und dem Softwarepartner SAP entwickelten Schreiber und sein Team eine Lösung, um in den Treasury-Management-Anwendungen von BioNTech die Kontostände in Echtzeit einsehen zu können. Das Besondere: Die Anbindung geschieht über eine sogenannte Anwendungsprogrammierschnittstelle, eine API.
„Über unsere Standard-Treasury-Anwendung können wir nun jederzeit die Kontostände in Echtzeit abrufen.“
Dirk Schreiber,
Leiter Treasury bei BioNTech
Nun funktioniert die Verknüpfung zwischen den Treasury-Anwendungen von BioNTech und der cloud-basierten API-Lösung der Deutschen Bank über die multibankfähige Plattform Multi-Bank Connectivity (MBC) von SAP. „Über unsere Standard-Treasury-Anwendung können wir nun jederzeit die Kontostände in Echtzeit abrufen und werden per Push-Benachrichtigung über Gutschriften und Belastungen informiert“, sagt Schreiber.
Perspektivisch möchte der BioNTech-Treasurer die Nutzung des API-Kanals erweitern, um unter anderem Sofortzahlungen zu initiieren. Für Schreiber ist klar: An der Transformation zum Echtzeit-Treasury führt kein Weg vorbei. Und die API-Technologie ist dafür der Schlüssel.
Mit der neuen Direktzahlungsverordnung sollen Echtzeitzahlungen in Europa zum neuen Standard werden. Bis Oktober 2025 müssen alle Zahlungsdienstleister in der Eurozone in der Lage sein, Sofortzahlungen senden und empfangen zu können. Das rückt auch die Vision eines Echtzeit-Treasury wieder in den Fokus, bei dem Prozesse nicht länger auf Basis von Tagesend-Kontoauszügen gesteuert, sondern Cash und Risiken verstärkt untertägig gemanagt werden.
„Eine untertägige Steuerung von Cash und Risiken wünschen sich immer mehr Treasurer.“
Nina Schwammel,
Firmenkundenbetreuerin für BioNTech bei der Deutschen Bank
„Eine solche untertägige Steuerung wünschen sich immer mehr Treasurer“, sagt Nina Schwammel, Firmenkundenbetreuerin für BioNTech bei der Deutschen Bank. Vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten sowie den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China ist das nachvollziehbar: In einer Welt mit zunehmender Volatilität, Ungewissheit und Komplexität wird Geschwindigkeit immer wichtiger. Kontoinformationen in Echtzeit zu erhalten und Transaktionen in Echtzeit durchzuführen, ermöglichen nicht nur eine zielgerichtete Disposition von liquiden Mitteln, sondern auch bessere Cashflow-Prognosen.
„Technologisch sind für den Zugang zu Echtzeitinformationen und -zahlungen APIs entscheidend“, erklärt Moritz Strobel, zuständiger Produktmanager bei der Deutschen Bank. Vereinfacht gesprochen handelt es sich bei Application Programming Interfaces (APIs) um digitale Schnittstellen, über die Systeme auf Unternehmensseite sicher, kontrolliert und vor allem automatisiert mit denen der Bank kommunizieren können. Über APIs können auf Knopfdruck die entsprechenden Daten aus anderen Systemen geliefert werden – intern und extern.
Bestehende Bankanbindungen über Swift oder alternative Konnektivitäts-Kanäle wie Host-to-Host oder Ebics werden die meisten Treasurer damit noch nicht ersetzen können. Für neue, innovative Lösungen sind APIs aber in der Regel die technologische Grundlage: Sie ermöglichen etwa den Echtzeitaustausch von Zahlungs- und Cash-Management-Nachrichten zwischen dem Treasury Management System (TMS) und der Bank, erlauben die Vorabvalidierung von Konten, um das Risiko von Fehlern und Betrugsfällen zu minimieren, oder machen Zahlungen in Echtzeit möglich – auch wenn die geltenden Betragsgrenzen von SEPA-Echtzeitzahlungen noch eine Hürde sind.
Entscheidend für die Verarbeitung von Echtzeitinformationen ist, dass ERP- und TMS-Anbieter APIs als Standard für die Anbindung an die Bank in ihre Systeme einbetten. Entsprechende Initiativen gibt es und die Deutsche Bank unterstützt diese. Nur wenn Systeme und Prozesse die Verarbeitung von Echtzeitinformationen unterstützen, können Treasurer die Vorteile nutzen.
08/2024