Nachhaltigkeit

Kreislaufwirtschaft - Aus Alt mach Neu

Wie Unternehmen von der Kreislaufwirtschaft profitieren können.

Das Thema Kreislaufwirtschaft gehört für viele Unternehmen längst zum Alltag, zum Beispiel aufgrund gesetzlicher Rücknahmepflichten. Doch es bringt nicht nur Pflichten mit sich, sondern auch Chancen. Nachfolgend finden Sie Beispiele dafür.

Rund 210 Millionen ausrangierte Smartphones und Handys liegen Schätzungen des Digitalverbands Bitkom zufolge in deutschen Schubladen und Schränken. Würde man alle diese Geräte recyceln, könnten die gewonnenen Materialien den Rohstoffbedarf für alle in Deutschland in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich verkauften neuen Smartphones decken, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet. Allerdings hake es noch bei den Rückführungs- und Recyclingprozessen. „Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen“, sagt IW-Studienautorin und Kreislaufwirtschaftsexpertin Adriana Neligan. Die Politik müsse hier unterstützen und beispielsweise schnell einen gesetzlichen Rahmen schaffen, um für bessere Anreize bei der Sammlung zu sorgen. Doch auch die Wirtschaft kann und muss in Sachen Kreislaufwirtschaft noch deutlich aktiver werden.

Von Kreislaufwirtschaft spricht man, wenn Produkte so lange wie möglich genutzt und dafür repariert oder aufgearbeitet sowie die in ihnen enthaltenen Rohstoffe und Materialien am Ende der Nutzungsdauer recycelt werden. Bislang herrscht in Deutschland zumeist noch die lineare Wertschöpfung vor: Dabei landen die wertvollen Ressourcen nach Gebrauch entweder auf der Müllkippe oder bestenfalls in der thermischen Verwertung. „Kreislaufwirtschaft ist bei allen Herausforderungen, die sie in der Übergangsphase stellt, Nachhaltigkeit im besten Sinne“, betont Sabrina Schröpfer, Referentin für Umweltpolitik bei der IHK München und Oberbayern, in einem Artikel des IHK-Magazins Wirtschaft. Für einen Ausbau der Kreislaufwirtschaft gibt es weitere gute Gründe:

  • Versorgungssicherheit: Mit der wachsenden Weltbevölkerung wächst der Bedarf an Rohstoffen weiter an.
  • Unabhängigkeit: Bestimmte Rohstoffe sind schon heute knapp und werden deshalb immer teurer. Sie kommen zudem häufig aus nur einigen wenigen Ländern, etwa China. Entsprechend abhängig sind Unternehmen in rohstoffarmen Ländern wie Deutschland von diesen Lieferländern.
  • Umweltschutz: Die Erschließung neuer natürlicher Rohstoffquellen geht immer auf Kosten der Umwelt. Zudem stellen unsachgemäß entsorgte Elektrogeräte und Akkus ein zunehmendes Problem da.

Recycling als Rohstoffquelle

Wie wichtig der Ausbau der Kreislaufwirtschaft rein wirtschaftlich sein könnte, zeigt das Beispiel der Kunststoffproduktion. Dem Gesamtverband der Kunststoffverarbeitenden Industrie (GKV) zufolge wurden 2021 in Deutschland 14 Millionen Tonnen Rohstoffe (zumeist Erdöl) zu Kunststoffprodukten verarbeitet, darunter aber nur rund 12 Prozent Kunststoffrezyklate, also aufbereiteter Altkunststoff. Demnach wurde nur gut ein Drittel der in Deutschland gesammelten Kunststoffabfälle 2021 stofflich verwertet. Der Rest wurde im Wesentlichen der energetischen Verwertung zugeführt, sprich: verbrannt. Dabei beklagte laut einem Bericht in der Fachzeitschrift Produktion (Ausgabe 9/2022) zuletzt mehr als die Hälfte der Unternehmen im GKV, dass Rohstoffe für ihre Produkte nur noch schlecht oder sehr schlecht zu bekommen seien. Und unterdessen ließe sich ein Großteil des für die Herstellung neuer Kunststoffe benötigten Rohmaterials durch mechanisches Recycling aus Altplastik gewinnen. Zudem könne durch chemisches Müllrecycling sogar Kohlenstoff gewonnen werden – der Basisrohstoff der chemischen Industrie. Laut einer Studie des World Wide Fund for Nature könnte man den Einsatz „neuer“ Rohstoffe bei der Kunststoffproduktion in Deutschland durch die Kreislaufwirtschaft bis 2040 insgesamt um rund 60 Prozent senken.

Gesetzliche Pflicht

Recycling ist jedoch nur ein Lösungsweg für die effizientere Nutzung von Rohstoffen. Im Hinblick auf Elektrogeräte betont Adriana Neligan, dass es „besser wäre, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine direkte Wiederverwendung professionell aufzubereiten“. Genau darauf zielen der im März 2020 im Rahmen des EU Green Deal zur grünen Transformation der europäischen Wirtschaft verabschiedete zweite EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und das im selben Jahr novellierte deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz ab. Der Aktionsplan der EU-Kommission sieht vor, dass bereits bei der Entwicklung von Produkten Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Upgrade-Möglichkeiten und das Recycling von Rohstoffen berücksichtigt werden. So sollen zum Beispiel über eine novellierte EU-Ökodesign-Richtlinie Vorgaben gemacht werden, um Geräte wie Mobiltelefone, Tablets und Laptops langlebiger, nachrüstbar und wiederverwendbar zu machen. Die EU-Ökodesign-Richtlinie bildet schon seit dem Jahr 2005 den Rahmen für einheitliche und verbindliche Ökodesign-Mindestanforderungen in der EU. Die konkreten Produktanforderungen werden von der Europäischen Kommission – unter Einbindung von Industrie-, Verbraucher- und Umweltverbänden – in Durchführungsverordnungen für einzelne Produktgruppen festgelegt. Lag der Schwerpunkt zunächst auf der Festlegung eines maximalen Energieverbrauchs, gehören längst auch Anforderungen an die Ressourceneffizienz dazu. Dazu zählen das Vorhalten bestimmter Ersatzteile und Informationen zu deren Einbau sowie die Vorgabe der zerstörungsfreien Zerlegbarkeit eines Produktes. In Zukunft soll die Richtlinie im Rahmen der „Sustainable Products Initiative“ (SPI) der EU von einer neuen Ökodesign-Verordnung abgelöst werden, die unter anderem ein „Recht auf Reparatur“ und die Einführung digitaler Produktpässe vorsieht. Letztere sollen einen einfachen Zugang zu Produktdaten und deren gemeinsame Nutzung ermöglichen. In Deutschland fördert darüber hinaus bereits eine Reihe von Gesetzen die Kreislaufwirtschaft, etwa das Verpackungsgesetz oder das Elektrogesetz. Beide enthalten Rücknahmepflichten für Handel und Hersteller.

Unternehmerische Verantwortung

Der Anstoß, in Sachen Kreislaufwirtschaft aktiv zu werden, sollte jedoch nicht allein aus gesetzlichen Vorschriften resultieren, sondern auch dem Wunsch der Unternehmen entsprechen, den Umwelt- und Klimaschutz voranzutreiben. Nicht zuletzt, weil sich daraus interessante Geschäftsideen ergeben könnten. Ein aktuelles Beispiel: Der auf die Revitalisierung von Bestandsimmobilien spezialisierte Essener Immobilienprojektentwickler Greyfield Group will mit seinem dafür extra neu gegründeten Tochterunternehmen re:unit das Wiederverwenden von Gipskartonplatten in großem Maßstab ermöglichen. Dafür sollen in einem patentierten Verfahren alte Platten ausgebaut und aufgearbeitet werden. Die material- und schadstoffgeprüften Recyclingplatten können dann an neuer Stelle wieder eingebaut werden und sollen bei gleicher Qualität nicht teurer sein als neue Platten. Die Aufarbeitung spart nicht nur Rohstoffe und verringert die Müllmenge, sie vermindert auch den Kohlendioxidausstoß: Primärplatten kommen demnach auf 1,85 Kilo CO2 pro Quadratmeter, die aufgearbeiteten Platten nur auf 0,01 Kilo CO2. Nach Angaben von Geschäftsführerin Sarah Schuhmann fallen derzeit in Deutschland jährlich etwa 36 Millionen Gipskartonplatten als Abfall an. Das entspricht einem jährlichen CO2-Einsparpotenzial von etwa 130.000 Tonnen.

Kleine Schritte für ein großes Ganzes

Natürlich ist nicht jeder Betrieb dazu in der Lage, aus dem Stand neue recyclebare Produkte zu entwickeln oder ein komplexes Reparatur- oder Rücknahmesystem zu etablieren. Doch zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft lässt sich auch mit kleinen Schritten beitragen. Bereits recycelte Rohstoffe werden von Recyclingunternehmen wie Terracycle angeboten. Kunststoffabfälle und mehr finden über Recybase neue Nutzer, ebenso wie Maschinen und Geräte aller Art auf der Plattform Maschinensucher. Gebrauchte Maschinen aus der metall- und kunststoffverarbeitenden Industrie wiederum können über die kommerzielle Gebrauchtmaschinenbörse GINDUMAC veräußert oder erworben werden.

„We’ve got to learn to reduce, reuse, recycle“, heißt es in einem Lied des US-amerikanischen Singer-Songwriters Jack Johnson, frei übersetzt: „Wir müssen reduzieren, weiternutzen und wiederverwerten.“ Geschrieben hat Johnson den Song vor 17 Jahren – aktuell ist er mehr denn je.

Nützliche Links

  • Die wichtigsten Neuigkeiten ihres Marktes, ihrer Branche oder ihres Interessengebiets in Sachen Kreislaufwirtschaft können Unternehmen dank künstlicher Intelligenz individuell zugeschnitten kostenlos über den Monitor Zirkuläre Wertschöpfung des Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrums erhalten.
  • Das Gründerzentrum UnternehmerTUM GmbH unterstützt mit seiner Plattform Circular Republic Unternehmen und Start-ups dabei, Innovationen und Ideen für die Kreislaufwirtschaft marktgerecht weiterzuentwickeln und in konkrete Geschäftsmodelle zu überführen.
  • Was das Verpackungsgesetz seit dem Sommer 2022 speziell von Online-Händlern fordert, beschreibt anschaulich das E-Commerce-Netzwerk Händlerbund.
  • Umfassende Informationen zur EU-Ökodesign-Richtlinie hält das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Website bereit.
  • Details und eine aktuelle Timeline zum Aktionsplan Kreislaufwirtschaft gibt eine Website der Europäischen Kommission (in englischer Sprache).
  • Allgemeinverständliche Informationen und aktuelle Termine zum Thema Kreislaufwirtschaft finden sich auf der Website des Bundesumweltministeriums.

Der Beitrag erschien erstmals online bei Perspektiven, dem Postbank eMagazin für Geschäfts- und Firmenkunden. Alle Angaben ohne Gewähr. Stand: April 2023

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