Energiekrise

Energie: Lieferstopp vom Versorger?

Wie Unternehmen auf auslaufende Energielieferverträge reagieren können.

„Uns wurden zum Jahresende fast alle Energielieferverträge gekündigt. Momentan sind wir in Verhandlungen, um zu halbwegs akzeptablen Konditionen Gas und Strom beziehen zu können.“ So wie es Rolf Fischer, Geschäftsführer der Autohaus Fischer GmbH mit Hauptsitz in Jena, Anfang November 2022 in einem Bericht der Handwerkskammer Gera schilderte, geht es derzeit vielen Gewerbetreibenden in Deutschland. Denn immer mehr Versorgungsunternehmen sehen sich nicht dazu in der Lage, angesichts der Preisexplosion auf den Energiemärkten ihre Energielieferverpflichtungen zu erfüllen. Die Folge sind gekündigte beziehungsweise nicht verlängerte Energielieferverträge.

Sofort ganz ohne Strom oder Gas zu bleiben, müssen Betriebe in Deutschland nach dem Auslaufen eines Vertrags zwar nicht befürchten. Wenn Verhandlungen um akzeptable Konditionen für Gas und Strom ins Leere laufen und Unternehmen kein (Anschluss-)Angebot für Energielieferungen vorliegt, springt zunächst die gesetzlich geregelte Grund- oder auch Ersatzversorgung ein. Damit sind jedoch zumeist deutliche Preissteigerungen verbunden, die insbesondere Unternehmen mit hohen Verbräuchen hart treffen, auch wenn die im Dezember 2022 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Preisbremsen für Gas, Strom und Wärme erst mal für eine spürbare Entlastung sorgen dürften.

Das bringen die Gas- und die Strompreisbremse

Der Deutsche Bundestag hat am 15. Dezember 2022 die Gesetzentwürfe für die Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen verabschiedet. Die Preisbremsen gelten zunächst für das gesamte Jahr 2023. Eine mögliche Verlängerung bis zum April 2024 soll noch gesondert entschieden werden.Im Rahmen der Gaspreisbremse kostet vom 1. März 2023 an ein Grundkontingent in Höhe von 80 Prozent des Vorjahresgasverbrauchs für Unternehmen (SLP-Kunden) mit einem Gasverbrauch bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr netto maximal 12 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). Für Fernwärme gilt ein gedeckelter Preis von 9,5 ct/kWh. Weitere Steuern und Abgaben fallen darauf nicht an. Für Gasverbräuche oberhalb des Kontingents ist der dann gültige Arbeitspreis des jeweiligen Gasversorgers zu zahlen. Für industrielle Gasverbraucher mit registrierender Leistungsmessung (RLM) und einem Verbrauch von mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr betrifft die Gaspreisbremse 70 Prozent des historischen Verbrauchs. Der Preis ist auf netto 7 ct/kWh gedeckelt (Wärme 7,5 ct/kWh).

Bei Strom wird für kleine und mittlere Unternehmen (Verbrauch bis 30.000 kWh/Jahr) der Preis bei 40 ct/kWh gedeckelt. Auch hier gilt der Pauschalpreis für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Für mittlere und große Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von mehr als 30.000 kWh pro Jahr) liegt die Grenze bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs.

Die Entlastungen treten im März in Kraft, dann aber auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar 2023. Für große industrielle Gasverbraucher beginnt die Auszahlung bereits im Januar.

Trotz der staatlichen Entlastungsmaßnahmen tun Unternehmen, die befürchten, dass ihre Energielieferverträge vom Versorger beendet werden, gut daran, beizeiten aktiv zu werden und Alternativen für ihre Energieversorgung zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass der Wechsel des Energieversorgers nach einer Kündigung oft zu einem deutlichen Preisanstieg führt. 

Für den Abschluss neuer Energielieferverträge gibt es folgende Möglichkeiten:

  1. Vollversorgungsvertrag

    Der Abschluss eines Vollversorgungsvertrages (standardisierter Tarifvertrag) mit einem Strom- oder Gasversorger zu einem festen Preis ist die einfachste und für viele Unternehmen sicherste Variante eines Energieliefervertrages, auch wenn zu den Kosten der Energiebereitstellung Aufschläge in Form von Sicherheitsmargen gegen Preissteigerungen kommen

    Vorteil:
    Schutz vor Kostensteigerungen
    Nachteil: keine Gestaltungsräume zur Flexibilisierung und KostenreduzierungAuf andere Energiequellen umstellen
  2. Individual- oder Sondervertrag mit Flexibilitätskomponente

    EGegenstand der Vertragsverhandlung ist hier der Preis der Strom- oder Gasbereitstellung, diese lässt sich individuell an das Tätigkeitsprofil und die Anforderungen anpassen.

    Vorteil:
    maximale Flexibilität, keine Sicherheitsmargen, günstiger als ein Vollversorgungsvertra
    Nachteil: Nicht beeinflussbare Kostenbestandteile (Stromsteuer, EEG-Umlage, Netznutzungsentgelte etc.) werden an Kunden weiterberechnet.

    Weitere Beschaffungsmodelle sind die Stichtagsbeschaffung, bei der die Energie an einem bestimmten Tag für die Dauer der Vertragslaufzeit zu einem Festpreis gekauft wird, die Index- und Tranchenbeschaffung, bei der die benötigte Energiemenge in Teilmengen beschafft wird, sowie die Portfoliobeschaffung, also der eigenständige Einkauf am Großhandelsmarkt bzw. an der Börse. Letztere ist eher für größere Unternehmen geeignet, da sie aufwendiger ist und Vorwissen erfordert. Weitere Informationen dazu gibt das Faktenpapier Strombeschaffung und Stromhandel des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)

    Wer langfristig kalkulierbare und obendrein umweltfreundliche Rahmenbedingungen sucht, für den können „Power Purchase Agreements“ (PPA) eine Alternative darstellen. Dabei handelt es sich um Stromkaufverträge, die bis zu 15 Jahre laufen. Unternehmen beteiligen sich damit an der Finanzierung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien wie zum Beispiel Wind- oder Solarparks, von denen sie im Gegenzug eine vereinbarte Strommenge zum Festpreis beziehen. Ansprechpartner sind die regionalen Energieversorger. Firmen mit einem vergleichsweise niedrigen Verbrauch können sich zum Abschluss von PPAs mit anderen Unternehmen zusammenschließen. Organisiert werden entsprechende Verbünde über Energieberater, Verbände oder PPA-Anbieter. Für ein solches Vertragsmodell hat sich zum Beispiel die Härtha-Gruppe entschieden. Seit dem Herbst letzten Jahres bezieht der Metallveredler aus Aldenhoven einen Teil seines Stroms aus dem Solarpark Maßbach des Energieversorgers EnBW – zu einem Festpreis für die nächsten 15 Jahre. „Gerade für Unternehmen mit energieintensiver Produktion sind PPAs besonders attraktiv“, betont Daniel Hacki, Leiter Origination bei EnBW. Neben der langfristigen Energieversorgung zum Festpreis haben PPAs noch einen Vorteil: Sie tragen dazu bei, unternehmerische Klimaziele schnell und effizient zu erreichen.

Interview

Mit Dirk Bräu, Energieberater bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern
Was droht einem Betrieb, dessen Energieliefervertrag vom Versorger nicht verlängert wird?

Kann kein neuer Energieliefervertrag abgeschlossen werden, fällt der Betrieb im schlimmsten Fall in die sogenannte Ersatzversorgung. Diese ist sehr teuer und kann maximal drei Monate genutzt werden. Spätestens dann muss ein neuer Liefervertrag abgeschlossen sein. Dass ein Unternehmen binnen dieser Frist keinen neuen Vertrag abschließen konnte, ist mir noch nicht untergekommen. Theoretisch könnte jedoch die Lieferung eingestellt werden. In der Zwischenzeit hat sich der Markt jedoch etwas beruhigt und es werden wieder Laufzeitverträge angeboten. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Bezug über einen Energieversorger zum Spotmarktpreis zu erhalten.

Wann ist es sinnvoll, den Energieversorger zu wechseln?

Sinnvoll ist der Wechsel natürlich vor allem, wenn man in der Ersatzversorgung gelandet ist. Bevor das passiert, empfehle ich jedoch die direkte Anfrage beim Energieversorger. Mittlerweile werden zum Teil schon wieder Folgeverträge angeboten; diese sollten allerdings kritisch geprüft werden.
.Welche Möglichkeiten der Energiebeschaffung bieten sich derzeit für kleine und mittlere Unternehmen an?
Neben der Option, den Energiebezug mit einem Energielieferanten über einen Laufzeitvertrag zu vereinbaren, kann es unter Umständen sinnvoll sein, Energie über eine Energieeinkaufsgemeinschaft zu beziehen. Hier muss sich nicht der Kunde um den Wechsel zu einem günstigeren Anbieter kümmern, sondern überlässt dies vertraglich geregelt der Einkaufsgemeinschaft. Durch eine Bündelung der Verträge können hier Vorteile über einen Mengenrabatt ausgeschöpft werden. Wie bereit erwähnt, ist der Abschluss von Verträgen über Energieversorger zum Spotmarktpreis eine weitere Option. Hier wird kurzfristig lieferbarer Strom mit einem Aufschlag für die Vermittlung vom Energieversorger zum Börsenpreis eingekauft. Unternehmer müssen sich jedoch binnen weniger Stunden entscheiden, ob sie eine Lieferung zum tagesaktuellen Preis möchten. Schließlich rate ich dazu, Flüssiggas mit einem eigenen oder geleasten Behälter zu nutzen und bei Strom eine teilweise Eigenversorgung mit einer Photovoltaikanlage in Betracht zu ziehen.

Ihre Empfehlung für den Energieeinkauf?

Bestehende Energielieferverträge sollte man, soweit möglich, auf jeden Fall weiterlaufen lassen und gegebenenfalls Angebote über den Energieversorger für den Spotmarkt in Betracht ziehen. Besteht kurzfristiger Handlungsbedarf, sollten keine überzogenen, langfristigen Verträge abgeschlossen werden. Besser ist es, notfalls kurzzeitig mit der Ersatzversorgung zu überbrücken. In jedem Fall empfehle ich die Senkung des Energiebedarfs, ob durch Wärmerückgewinnung, Abwärmenutzung, Optimierung der Systeme oder eine Erhöhung der Auslastung. Nicht wirtschaftliche, energieintensive Aufträge sollten ausgelagert oder gar nicht erst angenommen werden.

Unternehmen, die noch keine Anpassung ihrer Abschlagszahlungen vom Energieversorger bekommen haben oder die mit der Kündigung ihres Energieliefervertrages rechnen, sollten auf jeden Fall Rücklagen für Nachforderungen anlegen und höhere Energiekosten für 2023 einkalkulieren. Dadurch entstehende Engpässe lassen sich gegebenenfalls auch mit einer Ausweitung der Kreditlinie bei der Hausbank oder einem klassischen Geschäftskredit bewältigen

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Der Beitrag erschien erstmals online bei Perspektiven, dem Postbank eMagazin für Geschäfts- und Firmenkunden. Alle Angaben ohne Gewähr.

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