Mehr Verkehrswende wagen

E-Autos sollen helfen, das Klima zu retten – aber sind sie wirklich der geeignete Hebel? Eric Heymann, Branchenanalyst bei Deutsche Bank Research, hat Zweifel. Vielversprechender seien ein starker ÖPNV – und mehr staatliche Impulse

Mehr Verkehrswende wagen

Die Automobilindustrie muss einen Kraftakt leisten, um klimaschonendere Mobilität anzubieten Foto: Shutterstock

Wie umweltverträglich der Autoverkehr sein kann und sein muss, ist eine der zentralen Diskussionen in der Klimaschutzdebatte. Dabei geraten die Hersteller zunehmend unter Druck. Sie sollen massiv in die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien wie E-Autos investieren – allein die deutschen Hersteller wollen dafür 50 Milliarden Euro bis 2024 aufbringen. Das Problem: Noch ist der Markt sehr überschaubar. Ähnliches gilt für das vernetzte Fahren, wo ebenfalls hohe finanzielle Vorleistungen in einem wenig entwickelten Markt zu erbringen sind.

Der Handlungsspielraum der Automobilunternehmen ist begrenzt, denn die Situation in der Branche ist angespannt. Die globalen Automobilverkäufe sanken 2019 zum zweiten Mal in Folge. In den USA und der EU fiel das Minus nur gering aus, im wichtigen chinesischen Markt gaben die Verkäufe aber um etwa zehn Prozent nach. Für 2020 erwartet Deutsche Bank Research auf globaler Ebene immerhin ein leichtes Plus beim Pkw-Absatz.

Bei der Elektromobilität sind erst geringe Erfolge sichtbar: Weltweit machen die Verkäufe im Pkw-Bereich 2,0 bis 2,5 Prozent aus – die EU liegt leicht über diesem Korridor. Als Schrittmacher erweist sich Norwegen, wo der Anteil dank hoher Subventionen schon bei mehr als 50 Prozent liegt.

> 50%
der Neuzulassungen in Norwegen sind Elektroautos

Video: Zeitenwende für die Autoindustrie

Der ÖPNV muss effizienter und komfortabler werden

Dabei ist jedoch umstritten, ob E-Automobile die Umwelt wirklich nachhaltig entlasten. „Die positiven Effekte, die sich viele von der Elektromobilität für den Klimaschutz versprechen, sind illusorisch“, sagt Eric Heymann. Der Branchenanalyst bei Deutsche Bank Research bringt die entscheidenden Aspekte der Debatte auf den Punkt: Nur wenn E-Autos mit Ökostrom betankt werden, fahren sie CO2-neutral. Dazu kommen Probleme beim Gewinnen der Ausgangsmaterialien für die Batterien. Besonders der Abbau von Kobalt ist mit Blick auf Menschenrechte sowie Sozial- und Umweltstandards umstritten. Und: Nur wenige Länder fördern elementare Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium – es drohen Versorgungsrisiken. „Da dürfte nicht so viel positiver Effekt hängen bleiben“, bilanziert Heymann.

Der Experte ist deshalb überzeugt: Individuelle Mobilität, egal mit welchem Antrieb, kann nicht die Lösung für die Klimaziele sein, die sich die Politik gesetzt hat. Heute entfallen 80 Prozent des Personenverkehrs in Deutschland auf den Pkw, sechs Millionen Autos mehr als noch vor zehn Jahren sind unterwegs. „Automüdigkeit sieht anders aus. Auch in zehn oder zwanzig Jahren wird das Auto noch eine wesentliche Stütze des Personenverkehrs sein. Es sei denn, der Staat verteuert oder erschwert den Besitz eines Autos deutlich.“ Wie die Mobilität der Zukunft aussieht, hänge deshalb stark von staatlicher Lenkung ab, sagt Heymann: „Wir brauchen mehr ÖPNV, der effizienter und komfortabler funktioniert. Das zählt auch zu einem effizienten Verkehrssektor der Zukunft.“

FOTOS: MALTE JÄGER/VOLKSWAGEN

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Weitere Informationen zum Thema in der Studie
„E-Mobilität: Ohne Subventionen (noch) in der Nische“. Download unter

results. Das Unternehmer-Magazin der Deutschen Bank 1-2020