11.06.2024

Treasury der Zukunft: Was Echtzeit leistet

Eine neue EU-Richtlinie will Instant Payments zur neuen Normalität in Europa machen. Sie rückt auch die Vision des Echtzeit-Treasury wieder in den Fokus.

Von Christof Hofmann

Dieser Artikel wurde in der Print-Ausgabe von DerTreasurer als Gastbeitrag von Christof Hofmann am 07. Juni 2024 erstmalig veröffentlicht.

Seit sechs Jahren können Verbraucher und Unternehmen in Europa in Echtzeit bezahlen. Bislang machen sie von dieser Option aber nur selten Gebrauch, wie Daten des European Payments Council (EPC) zeigen: Demnach wurden im ersten Quartal 2024 nur 17,34 Prozent aller Sepa-Überweisungen in Echtzeit ausgeführt. Das liegt teilweise auch an der mangelnden Verfügbarkeit von Sepa Instant Payments, jeder dritte Payment Service Provider (PSP) in Europa bietet laut EPC keine Instant Payments an.

Die EU möchte Echtzeitzahlungen nun zum neuen Standard in Europa machen. Sie verpflichtet deshalb PSPs in der Euro-Zone dazu, ab Januar 2025 den Empfang von Instant Payments zu unterstützen und ab Oktober 2025 auch den Ausgang von Sofortzahlungen. Für PSPs aus Nicht-Euro-Ländern im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) greifen diese Regelungen ab Januar 2027 beziehungsweise Oktober 2027.

Die neue Regulierung – die noch einige weitere Änderungen mit sich bringt – könnte zum Katalysator für Innovationen im Zahlungsverkehr werden. Davon profitieren etwa Online-Händler, Versicherer, Energieversorger sowie alle Unternehmen, die einen schnellen Zugriff auf Gelder für ihre Geschäftsmodelle benötigen.

Während Instant Payments vor allem für Unternehmen mit Endkunden-Bezug relevant sind, ist das Echtzeit-Treasury weniger eine Frage des Geschäftsmodells. Es geht vielmehr darum, dass Treasurer zur richtigen Zeit den Zugang zu den richtigen Informationen haben, um Entscheidungen schnell und präzise treffen zu können. Im Kern bedeutet Echtzeit-Treasury, Prozesse nicht länger auf Basis von Tagesend-Kontoauszügen zu steuern, sondern Cash und Risiken verstärkt untertägig zu managen.

Eine solche untertägige Steuerung wünschen sich immer mehr Treasurer. Vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und dem Mittleren Osten sowie den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China ist das nachvollziehbar: In einer Welt mit zunehmender Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität („VUCA“) wird Geschwindigkeit immer wichtiger.

Flexibler steuern

Um schnell handeln zu können, muss aber zunächst das Fundament krisenfest aufgestellt sein: Die Zentralisierung und die Automatisierung von Prozessen bleiben stets die Basis für ein effizientes Treasury, das die Kontrolle über Finanzrisiken und das gruppenweite Cash hat. Als nächste Evolutionsstufe können dann Echtzeit-Applikationen folgen.

An dieser Stelle kommen auch Instant Payments wieder zum Tragen: Mit ihnen können Treasury-Abteilungen die frühen Cut-off-Zeiten der meisten Automated-Clearing-House(ACH)-Systeme umgehen – also später am Tag bezahlen, Liquidität zwischen Konzerneinheiten flexibler bewegen und so den Aufwand für das kurzfristige Cash Forecasting reduzieren.

Da die Betragsgrenze für Instant Payments zumindest in Europa jedoch auch weiterhin bei 100.000 liegt – auch die neue Regulierung tastet sie nicht an –, bleiben die tatsächlichen Anwendungsfälle im B2B-Kontext beschränkt. Die Deutsche Bank bietet etwa zwischen ihren Niederlassungen Echtzeitzahlungen bis zu einer Höhe von derzeit 250 Millionen Euro an. Auch für M&A, Lizenz- oder Steuerzahlungen, die die Betragsgrenze üblicherweise überschreiten, können Instant Payments damit eingesetzt werden.

APIs werden wichtiger

Sowohl für Instant Payments als auch für den Zugang zu Informationen in Echtzeit sind APIs entscheidend. Bestehende Bankanbindungen über Swift oder andere Konnektivitätskanäle werden die meisten Treasurer damit nicht ersetzen. Für neue Lösungen spielen APIs aber eine große Rolle: Mit ihrer Hilfe kann etwa der Abgleich von Kontoinhaber und IBAN automatisch in den Bezahlprozess integriert werden – und so das Risiko von Fehlern und Betrugsfällen minimiert werden.

Es ist denkbar, dass in fünf bis zehn Jahren einige Ländern ihre ACH-Systeme abschalten und nur noch Echtzeitzahlungen verfügbar sein werden. Zugleich wird die API-Technologie weiter an Bedeutung im Treasury gewinnen. Entscheidend dafür ist, dass ERP- und TMS-Anbieter APIs als Standard für die Anbindung an die Bank in ihre Systeme einbetten – entsprechende Initiativen gibt es bereits. Nur wenn Systeme und Prozesse die Verarbeitung von Echtzeitinformationen unterstützen, können Treasurer die Vorteile nutzen. Die Grundlagen dafür werden jetzt geschaffen.

Christof Hofmann

Christof Hofmann ist Global Head of Corporate Cash Management bei der Deutschen Bank.

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