Neue Märkte, neues Know-how: Viele Mittelständler sind dank guter Konjunktur für den Erwerb eines anderen Unternehmens finanziell bestens aufgestellt. Damit die Übernahme gelingt, ist sorgsame Planung nötig – für Käufer wie Verkäufer gleichermaßen.
TEXT: THOMAS MERSCH
Binnen weniger Jahre formte Meckelburg aus dem 1999 in Ratingen gegründeten Spezialisten einen Global Player – mit Niederlassungen in den USA, in China, Taiwan, Südkorea und Japan. Vor drei Jahren, damals 61 Jahre alt, fasste Meckelburg den Entschluss, sein Unternehmen zu verkaufen. Wichtig war ihm: „Es sollte in gute Hände gehen – also nicht gleich verhökert oder abgestoßen werden, wenn es mal schlechter laufen sollte. Weil es zum Kerngeschäft gehört.“ Genug Vertrauen weckte die in Paris ansässige globale Nummer 2 für Prüfsysteme, Bureau Veritas. „Sie waren nicht die Bieter mit dem höchsten Angebot“, sagt Meckelburg. Noch für zwei Jahre blieb er Geschäftsführer der neuen Tochter. Weiterhin ist er als technischer Berater tätig – sein Nachfolger stammt aus den eigenen Reihen. Auch in Fragen des Controllings ist Meckelburgs Know-how gefragt. Angesichts der vielen internationalen Standorte sei die Prüfung und Bewertung seines Unternehmens – Due Diligence genannt – etwa aus steuerlicher Sicht äußerst kompliziert gewesen. „Das war eine Höchstleistung“, sagt er. Dennoch dauerte es gerade einmal ein halbes Jahr, bis der Verkaufsvertrag unterzeichnet war. Für den Verkäufer war es Arbeit fast rund um die Uhr. „Ich habe im Schnitt nur vier Stunden pro Tag geschlafen“, erinnert sich Meckelburg. Manchmal hätten Anwälte und Wirtschaftsprüfer ihn aufgehalten. Da 7Layers eine Aktiengesellschaft ist, wurden die rechtlichen Vorgaben für die Transaktion wie auf Großunternehmen zugeschnitten. „Wir sind gemessen worden an Gerichtsurteilen zu globalen Konzernen. Das mussten wir sinnvoll auf den Mittelstand herunterbrechen.“
Wichtig für Meckelburg: Um die Transaktion sicherzustellen, wurden weitere potenzielle Interessenten über seine Absicht informiert. Dazu ließ er ein 100-seitiges Dossier erstellen. Die 300-köpfige Belegschaft setzte Meckelburg erst in Kenntnis, als der Verkauf besiegelt war. „Es wurde gefasst hingenommen. Man wusste schon, dass ich nicht weitermache, bis ich 85 bin.“ Allerdings nahm er dem Käufer die Zusage ab, dass 7Layers als Marke und eigenes Geschäftsfeld weitergeführt wird. „Wir sind in der Branche weltberühmt, es ergibt Sinn, dass unser Name weiterlebt.“ Meckelburg sieht viel Raum für Wachstum für seinen Exbetrieb: „In Zukunft wird alles vernetzt: Autos, der ganze Mensch. Das wird Produkte stark verändern – und wir testen das. Wenn wir erfolgreich sind, wird es uns auch weiter geben.“
Geduld und gute Nerven sind gefragt, wenn ein Unternehmer eine andere Firma akquirieren will oder selbst einen Erwerber sucht. Im Mittelstand erweist sich das oft als besonders komplex, weil etwa das juristische und steuerliche Fachwissen fehlen. Vor allem das Ermitteln des Kaufpreises und der Umgang mit möglichen Risiken birgt Konfliktstoff. Umso wichtiger ist es, in rechtlichen und finanziellen Fragen passende Berater zu finden. „Diese können entscheidend dabei unterstützen, eine Übernahme oder einen Firmenverkauf mit ihrem Know-how auch in Sachen Prozessdesign und Verhandlungstaktik zum Erfolg zu führen“, sagt Ralf Georg Mittler, Experte für das mittelständische M&A-Geschäft der Deutschen Bank.
Die strukturellen Marktvoraussetzungen für einen Anstieg der M&A-Aktivitäten sind laut Mittler angesichts der guten Geschäftslage vieler Unternehmen gegeben. „Liquidität ist reichlich vorhanden“, sagt er. Das Problem: zu wenige gut aufgestellte Unternehmen, die abgegeben werden. Mittler erwartet jedoch, dass sich dies künftig ändert. „Angesichts der zunehmenden Zahl von altersbedingten Gesellschafterwechseln und den teilweise divergierenden Interessenlagen der Nachfolgegeneration wird es zu einem Anstieg der M&A-Aktivitäten kommen.“ Eine große Welle von Transaktionen sieht Mittler allerdings nicht, da sich ab einer gewissen Unternehmensgröße auch Alternativen wie Fremdmanagement oder Stiftungen als Nachfolgelösung implementieren lassen.
Stimmen die Absatzprognosen? Wie verlässlich arbeiten die Maschinen? Bergen die Fabrikgebäude Umweltgefahren? Vor der Übernahme der britischen Baker & Finnemore musste der Osnabrücker Spezialist für Befestigungstechnik Titgemeyer alle Risiken genau bewerten – und das ohne großes Aufsehen. „Wir konnten ja nicht als mögliche künftige Eigentümer in Birmingham groß auftreten“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Gerd-Christian Titgemeyer. „Aber wir wollten die Gefahr ausschließen, dass nach zehn Jahren eine Forderung hochkommt.“
„Man muss auf die richtige Gelegenheit warten“
Carl Christian Radinger
Für die Osnabrücker bot der Kauf von Baker & Finnemore die einzigartige Chance, die bestehenden Geschäftsbeziehungen neu zu justieren. Titgemeyer hatte die Starlock-Ware nicht direkt aus England bezogen, sondern über einen Zwischenhändler in den Niederlanden. Nach dem Kauf von Baker & Finnemore konnte der neue Eigentümer die Marge selbst verbuchen. Doch bevor der Deal geschlossen war, stand das Management vor einer Reihe offener Fragen: Ist der Preis verhandelbar? Mit welchen Risiken muss der Käufer rechnen, und muss er sie auch übernehmen? „Das reichte von Absatzprognosen über die Qualität der Maschinen bis hin zu Umweltfragen bei Gebäuden, die teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammen“, sagt Gerd-Christian Titgemeyer. Das alles galt es diskret zu ermitteln. „Wir konnten ja nicht als mögliche künftige Eigentümer in Birmingham groß auftreten. Aber wir wollten die Gefahr ausschließen, dass nach zehn Jahren eine Forderung hochkommt und wir die Alteigentümer nicht in Haftung nehmen können.“
Akten am laufenden Meter galt es zu durchforsten. „Schwierig war für uns, dass wir mit einigen Usancen in England nicht vertraut waren. Im Pensionsrecht gab es für uns dunkle Ecken“, so Gerd-Christian Titgemeyer. Umso wichtiger, dass erfahrene Rechts- und M&A-Experten Unterstützung gaben, die dazugeholt wurden. Wichtige Informationen aber flossen dennoch teilweise nur zäh – was Titgemeyer sogar verstehen kann. „Es gab natürlich ein gewisses Misstrauen. Man fragte sich, wie wir mit internen Daten umgehen würden, falls es nicht zum Deal kommen sollte.“ Als die Verträge schließlich unterschrieben waren, konnte Titgemeyer sich den neuen rund 70 Mitarbeitern vorstellen. „Die Reaktion war sehr positiv“, erinnert er sich. „Wir waren bekannt als langjähriger und wichtiger Abnehmer.“ Die Briten arbeiten weiter unabhängig. „Wir schalten uns als Gesellschafter nicht ins operative Geschäft ein.“
Während im Mittelstand die Suche nach einem unternehmerischen Nachfolger laut Deutsche Bank Experte Mittler der häufigste Grund für einen Firmenverkauf ist, würden Erwerber meist nach Markt- oder Produktexpansion streben. „Die Ausweitung regionaler Märkte ist oft das wichtigste Motiv“, sagt er. In einer 2012 veröffentlichten Studie prognostizierte die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte, dass Übernahmen und Zusammenschlüsse „in der Zukunft zu einer Notwendigkeit werden, um im globalen Wettbewerb zu bestehen“. Die Umfrage ergab, dass der Mittelstand dabei der Übernahme gegenüber einem Merger „ganz klar den Vorzug gibt“.
Mit einer Akquisition hat der Hagener Spezialist für Planung und Bau von Zuckerfabriken sein Angebot an Kunden um eine Wertschöpfungsstufe ausgebaut. Dank der neuen Tochter Stord in Norwegen sind nun auch Pressen für Zuckerrüben im Programm. Nur wenige Firmen operieren weltweit in diesem Geschäft. „Da kann man nicht einfach kaufen, sondern muss auf eine Gelegenheit warten“, sagt Putsch-Chef Carl Christian Radinger. „Und wenn sie kommt, dann muss man zugreifen.“ – im Foto links nach der Vertragsunterzeichnung mit Stord-Manager Roald Rosendahl (3. von links), Beratern und Mitarbeitern.
Eine klug verbreiterte Produktpalette und stärkere internationale Präsenz – das war auch der Antrieb für einen Firmenkauf der Hagener Putsch Group, die weltweit Zuckerfabriken plant und errichtet. Im Frühjahr 2013 schloss sie die Übernahme der Stord International erfolgreich ab. Eineinhalb Jahre dauerten die Verhandlungen mit dem norwegischen Hersteller. Die Ausdauer habe sich gelohnt, sagt Putsch-Eigentümer Carl Christian Radinger. Stord produziert Pressen, mit denen Zuckerrübenschnitzel weiterverarbeitet werden. „Wir konnten unser Portfolio sinnvoll ergänzen“, sagt Radinger. Zudem gab es 80 Prozent Überschneidungen bei den Kunden – das versprach Synergien etwa beim Vertrieb. „Es passte alles sehr gut.“ Zumal Putsch in Regionen vertreten war, in denen Stord selbst noch keine starke Position hatte: in Nordamerika etwa und in Russland, Weißrussland, Kasachstan sowie den angrenzenden Staaten.
Austausch mit Mitarbeitern wichtig
Stord produziert in Tschechien, nur Verwaltung und Vertrieb sind mit rund 20 Mitarbeitern in Bergen zu Hause. „Das ist ein gutes Team, auf das wir weiter setzen“, sagt Radinger. Sorge um die Jobs habe es gegeben, als das norwegische Managementteam den Verkauf bekanntgab – wie im Fall Baker & Finnemore wollten sich die Eigentümer zur Ruhe setzen. „Für uns hat gesprochen, dass wir kein Konkurrent sind, der Stord möglicherweise auflöst. Wir wollen die Marke erhalten und wachsen lassen.“
Kompetenzen, Produkte, Märkte – das sei für Putsch interessant gewesen. „Um den Preis, den man bezahlt hat, zu vervielfachen, muss man gut mit den Leuten zusammenarbeiten“, sagt Radinger. Einen mittleren einstelligen Millionenbetrag habe die Übernahme gekostet. Schon früher ist Putsch mit dieser Strategie gewachsen. Nur ein Beispiel: der Kauf der Firma G&W im niedersächsischen Zeven im Jahr 2000. Auch sie erweiterte als Spezialist für Lagerung, Transport und Aufbereitung vor allem von Zuckerrüben das Angebot perfekt.
Die Integration von Stord bewertet Radinger als deutlich kleinere Hürde im Vergleich zu den Verhandlungen über Preis und die Übernahme von Risiken. Um das Miteinander zu erleichtern, reist das deutsche Management regelmäßig zum Austausch mit den neuen Kollegen nach Norden. Eine weitere vertrauensbildende Maßnahme: Radinger lernt selbst ein wenig Norwegisch. „Das kommt gut an“, sagt er. Den Plan, in das Geschäftsfeld von Stord zu expandieren, habe es schon seit Jahren gegeben. „Aber es gibt weltweit nur drei oder vier Firmen, die hier aktiv sind. Da kann man nicht einfach kaufen, sondern muss auf eine Gelegenheit waren. Und wenn sie kommt, dann muss man zugreifen“, so Radinger. Auch eine norwegische Anwaltskanzlei beauftragte Putsch, um die Akquisition zu begleiten. „Wir haben nicht die Größe, um alle nötigen Kenntnisse selbst vorzuhalten.“ Die Finanzierung stemmte Putsch aus eigenen Mitteln. Den Preis niedrig halten, Risiken ausschließen – das sind die zentralen Ziele der Firmenkäufer. Das sehen Verkäufer natürlich anders. „Trotzdem geht es nicht immer um den letzten Euro“, sagt Experte Mittler. „Auch Standortsicherheit und Fortbestand der Marke sind für sie oft wichtige Anliegen.“ Wie können Verkäufer sicherstellen, dass sie einen guten Deal machen? Rein finanziell betrachtet hilft es, für Wettbewerb zu sorgen – eine Art „virtuellen Marktplatz für Unternehmen zu schaffen“, wie es Mittler nennt: „Ein fairer Marktpreis kommt erst zustande, wenn es einen Bieterprozess gibt. Dann hat ein Unternehmer am Ende eine tatsächliche Transparenz und kann eine valide Entscheidung treffen.“ In der M&A-Praxis beobachtet Mittler, dass Angebote für ein Unternehmen in Abhängigkeit der strategischen Motivation des Käufers um bis zu 40 Prozent variieren können.
In der Familie bot sich kein Nachfolger an – deshalb entschied sich Hans-Jürgen Meckelburg für den Verkauf seines Prüf- und Messtechnikspezialisten 7Layers. Er bot das Unternehmen mit Sitz in Ratingen mehreren potenziellen Interessenten an. Den Zuschlag erhielten die Franzosen Bureau Veritas. „Sie waren nicht die Bieter mit dem höchsten Angebot“, sagt Meckelburg. Doch sie überzeugten auch deshalb, weil sie zusagten, die Marke zu erhalten und die strategische Ausrichtung weiter auszubauen.
„Nicht immer gewinnt das höchste Angebot“
Hans-Jürgen Mecklenburg
Nicht um einen möglichst hohen Preis, sondern um die Erhaltung der Marke und der strategischen Positionierung ging es Hans-Jürgen Meckelburg beim Verkauf seines Unternehmens 7Layers. Aufgrund der technologischen Komplexität bot sich eine Nachfolge aus dem Familienkreis nicht an. Auch die Einsetzung externer Geschäftsführer hat sich nicht bewährt. 7Layers bietet Ingenieurleistungen, Prüfungen und Zertifizierungen für Hersteller und Dienstleister, die mit drahtloser Kommunikationstechnik befasst sind. Dazu gehören zum Beispiel die führenden Hersteller von Smartphones.
Es war ein entschlossener Schritt auf unbekanntes Terrain. Über Jahrzehnte war der Osnabrücker Familienbetrieb Titgemeyer allein aus eigener Kraft gewachsen. 2012 ergab sich für den Spezialisten für Befestigungstechnik die Chance, auf neue Weise zuzulegen: mit dem Erwerb eines anderen Unternehmens. Das Ziel: die Firma Baker & Finnemore in Birmingham. „Die Eigentümer haben uns darüber informiert, dass sie aus Altersgründen verkaufen wollen“, sagt Gerd-Christian Titgemeyer, der den 500-Mitarbeiter-Betrieb mit Cousin Manfred in dritter Generation steuert. Die beiden Niedersachsen bekundeten Interesse. Denn der plötzliche Übernahmekandidat war ein guter Bekannter. Schon seit den sechziger Jahren unterhielt Titgemeyer mit den Engländern eine Geschäftsbeziehung – als Vertriebspartner für deren wichtigstes Produkt „Starlock“ im deutschsprachigen Raum. Das Sicherungssystem befestigt Räder rutschfest – an Kinderwagen, Krankenhausbetten und Autos gleichermaßen. Rund acht Prozent des Umsatzes machte das Starlock-Geschäft bei den Osnabrückern aus. „Das wollten wir nicht dadurch verlieren, dass Baker & Finnemore in andere Hände geht“, sagt Titgemeyer. Also nahmen die Cousins Verhandlungen auf – mit Erfolg. Die Briten sind heute eine Tochterfirma. Doch es dauerte rund ein Jahr, bis der Kauf abgeschlossen war. „Das war schon ein bisschen nervend“, erinnert sich Gerd-Christian Titgemeyer. „Einmal wären die Verkaufsverhandlungen sogar fast geplatzt.“ Vor allem die Ermittlung möglicher Risiken erwies sich als zeitraubend und schwierig.
Weitere Informationen
Ralf-Georg Mittler, Leiter M&A im Mittelstand bei der Deutschen Bank, E-Mail ralf-georg.mittler@db.com
results. Das Unternehmer-Magazin der Deutschen Bank 2-2015