23.09.2022

Resilienz kostet Geld

Die Prioritäten in Unternehmen verschieben sich und mit ihnen die Aufgaben im Treasury. Der Finanzierungsbedarf wird steigen – und auch die Finanzierungspartner werden umdenken müssen.

Von Hauke Burkhardt

Dieser Artikel wurde in der Print-Ausgabe von DerTreasurer als Gastbeitrag von Hauke Burkhardt am 23. September 2022 erstmalig veröffentlicht.

Das Treasury als zentrale Schaltstelle des Risikomanagements ist aktuell enorm gefordert: Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben zu massiven Verwerfungen in den Lieferketten geführt. Diese Herausforderungen können zwar nicht in der Finanzabteilung gelöst, die daraus resultierenden finanziellen Risiken müssen aber dort erkannt und gemanagt werden. Darum ist das Treasury für den Erfolg des Unternehmens noch wichtiger geworden.

Vor den größten Herausforderungen stehen Unternehmen mit hohem Bedarf an Energie und Rohstoffen. Leicht zu erfassen (wenn auch schwer zu prognostizieren) ist die Preiskomponente. Die Kosten für Energie und viele Rohstoffe sind enorm gestiegen, der Mehraufwand kann nicht immer auf die Kunden übergewälzt werden. Bei der Energie ist mit der drohenden Gasknappheit im Winter selbst bei hoher Zahlungsbereitschaft die schiere Verfügbarkeit in den Fokus gerückt.

Weniger Aufmerksamkeit erhalten bislang die Rohstoffe, obwohl sich der Preis für Metalle im Schnitt seit der Jahrtausendwende bereits mehr als verfünffacht hat. Deutschlands Unternehmen können eine Führungsrolle bei der digitalen und nachhaltigen Transformation der Weltwirtschaft übernehmen. Dafür sind sie aber auf den Zugriff auf seltene Metalle angewiesen. Hier droht ein Engpass: Deutschland ist in hohem Maße abhängig von einer Handvoll Länder, die über einen Großteil der Vorkommen verfügen oder die Raffineriekapazitäten kontrollieren. Von 30 kritischen Rohstoffen werden zehn hauptsächlich aus China und acht aus afrikanischen Ländern bezogen, in denen China stark investiert ist. Außerdem importiert Deutschland viele Rohstoffe aus Russland.

Strategieschwenk betrifft Treasury

Die neuen Unsicherheiten rund um Energie und Rohstoffe bedeuten einen Verlust an Resilienz, wenn Unternehmen nicht reagieren. An zwei Stellen dürfte es daher zu einer Trendumkehr kommen: Bei der Energie weicht der Fokus auf den Preis dem Primat der jederzeit sichergestellten Versorgung, weil Energie kaum gespeichert werden kann. Bei den Rohstoffen tritt die optimierte Lagerhaltung mit Just-in-time-Lieferungen in den Hintergrund – Durststrecken überstehen zu können wird wichtiger sein. Unternehmen erhalten dadurch die Chance auf neue Kunden durch Produktions- und Lieferzuverlässigkeit.

Die neuen Prioritäten haben auch Auswirkungen auf das Treasury. Der Nutzen von langfristigem Hedging zeigt sich aktuell: Wer Energiepreise bis 2024 gesichert hat, genießt enorme Wettbewerbsvorteile. Allerdings darf der Fokus auf den Preis den Blick nicht davor verstellen, dass Margin Calls zu Liquiditätsthemen führen können. Darum müssen Treasurer prüfen, wie viel Geschäft über die Börse notwendig ist und welche Absicherung sie OTC direkt mit Abnehmern und Lieferanten vereinbaren können.

Liquidität wird eine deutlich wichtigere Rolle spielen. Höhere Preise und der Aufbau von strategischen Reserven verlangen ebenso mehr Geld wie die Umstellung von Produktion und Lieferketten. Zusammen mit den Investitionen in Nachhaltigkeit und Digitalisierung stehen Ausgaben an, die zunächst nicht zu mehr Ebitda, sondern im Gegenteil zu einem höheren Leverage führen.

Mehr Finanzierung notwendig

Daraus entsteht ein deutlich erhöhter Finanzierungsbedarf. Profitieren dürften Supply-Chain-Finanzierungen aller Art. Das klassische LC-Geschäft wird wichtig bleiben, weil viele neue Lieferbeziehungen mit Geschäftspartnern entstehen werden, deren Verlässlichkeit schwer einschätzbar ist. Forderungsfinanzierungen stehen ebenfalls vor einem Aufschwung, auch wenn der klassische Bankkredit und Linien ihre dominante Rolle behalten werden.

Die Banken müssen übrigens genauso ihren Blick auf das Thema Working Capital und Supply Chain verändern. Bislang belohnen sie in ihren Risikoeinschätzungen eine optimierte Lieferkette mit knappen Lagerbeständen – in der neuen Realität kann das ein Risikofaktor sein. Es gilt: Alle Beteiligten werden sich umstellen müssen, um den neuen Realitäten gerecht zu werden.

Hauke Burkardt

Hauke Burkhardt ist Head of Trade Finance & Lending DACH und Global Co-Head of Lending bei der Deutsche Bank AG.

hauke.burkhardt@db.com

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