KfW-Kredite: zwischen Akuthilfe und Zombieunternehmen

Die KfW schüttet einen warmen Geldregen über Deutschlands Unternehmen. Doch nicht jeder, der will, bekommt Kredit. Und längst nicht jeder, der könnte, will Kredit. Zeit für eine Zwischenbilanz: Wer nimmt die Corona-Hilfen in Anspruch, wer lehnt sie ab – und aus welchen Gründen?

Nächste Hoffnung Auto-Flatrate

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier üben bei den Corona-Hilfen den Schulterschluss. Foto: picture alliance / REUTERS

Wie lange, wie tief wird die Krise – und wie lange reicht meine Liquidität im Worst Case noch aus? Sollte ich mir besser jetzt schon Hilfen sichern, bevor sie erschöpft sind? Im ersten Lockdown-Schock wird es wohl kaum einen Unternehmer in Deutschland gegeben haben, der nicht über Corona-Hilfen der KfW nachgedacht hat. Inzwischen sind knapp 80.000 Kreditanträge (Stand 4.8.2020) mit einem Gesamtantragsvolumen von knapp 53 Mrd. EUR bei der KfW eingegangen. Schon in der ersten Woche waren es knapp 8.000, danach ging die Antragskurve ab Mitte April steil nach oben und flachte erst Ende Mai, als viele Lockerungen in Kraft getreten waren, etwas ab.

KfW-Corona-Hilfen Anträge
KfW-Corona-Hilfen Antragsvolumen

Die kleineren Kreditsummen bis 800 TEUR machen das Gros der Hilfsanträge aus. Quelle: KfW

Gefragt sind vor allem überschaubare Summen: Vor allem Kreditvolumina bis 800.000 EUR werden beantragt. Mehr als jeder Sechste will einen Schnellkredit, der typischerweise „durchgewunken“ wird. Nur gut fünf Prozent der Antragsteller brauchen bis zu 3 Mio. EUR Hilfskredit, nur 1,5 Prozent fragen nach noch mehr. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen suchen also Hilfe bei der KfW. Sind das alles Gastronomen, Friseure, Einzelhändler, Reisebüros? Christoph Westerburg, Leiter Marktgebiet Berlin bei der Deutschen Bank, beobachtet: „Natürlich ist der Liquiditätsbedarf bei diesen Unternehmen akut. Aber wir sehen auch viele solide mittelständische Industrieunternehmen, die Bedarf haben. Viele Antragsteller wollen sich auch nur einen Kapitalpuffer zulegen. Und leider gibt es auch einige Unternehmer, die denken, es gäbe jetzt Geld für alle.“

Windige Typen und Zombieunternehmen

Dabei passen die Banken auf, betont Westerburg, dass solche Antragsteller keinen Erfolg haben - Banken und die involvierten Förderinstitute gingen mit den staatlichen Förderungen sehr verantwortungsbewusst um. Erfahrene Banker erkennen Unseriöse unter anderem am Aktionismus vor der Antragstellung: schnell noch eine kräftige Ausschüttung an die Gesellschafter, den teuren Kontokorrent kündigen – und dann Staatshilfe beantragen. Offenbar schauen aber nicht alle so genau hin. Gegen mehr als 5.100 Anträge auf Soforthilfe wird bereits ermittelt. Es geht um Subventionsbetrug, Geldwäsche, Fälschung von Daten. Insbesondere in der Hauptstadt gab es Kritik, dass die Investitionsbank Berlin zu lax kontrolliert habe. Inzwischen wurden dort bei über 1.400 Anträgen beim Abgleich mit dem Finanzamt Auffälligkeiten entdeckt.

Allerdings hat auch manche seriöse Anfrage weniger Aussicht auf Erfolg. Schlechtere Karten haben zum Beispiel Unternehmen mit komplexem Auslandsgeschäft bei geringem „deutschen Anteil“. Westerburg: „Je komplexer die Firmenstruktur, desto schwieriger die Prüfung bei den Banken und Förderinstituten.“ Bei internationalen Unternehmensgruppen kann es aufwendig sein, die notwendige Transparenz zu schaffen, damit nur der deutsche Anteil der Konzerne gefördert wird. Geringe Chancen haben auch Geschäftsmodelle, die schon vor Corona kaum überlebensfähig waren. Das Unternehmen darf nicht schon zum Jahresende 2019 in Schwierigkeiten gesteckt haben. Die Soforthilfen werden allerdings zwar nicht eingehend geprüft – doch ist ihre Höhe zu gering, um „Zombieunternehmen“ am Leben zu erhalten. Die Anträge über deutlich größere Kreditsummen werden hingegen von KfW und Banken einer sorgfältigen Analyse unterzogen.

Umgekehrt gilt aber auch: Längst nicht jeder Unternehmer, der Aussicht auf KfW-Corona-Hilfe hätte, will sie auch haben. Das liegt zum einen daran, dass viele solide aufgestellte Unternehmen über ausreichend Liquiditätspuffer verfügen. Die vergangenen guten Jahre haben laut Statista die durchschnittliche Eigenkapitalquote bei Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern von 21,8 Prozent im Jahr 2002 auf zuletzt 34,8 Prozent (Geschäftsjahr 2018) hochgeschraubt. „Das KfW-Geld muss ich ja auch wieder zurückzahlen“, ist immer wieder von konservativen Unternehmern zu hören. „Das nehme ich dann nur in Anspruch, wenn es sein muss.“

Abgeschreckt von Ausschüttungsverbot und Veröffentlichungspflicht

Abschreckend wirkt für viele Unternehmer das Ausschüttungsverbot während der Kreditlaufzeit. Etliche Jahre kein Geld „hinter die Brandmauer“ holen zu können, nicht einmal Gesellschafterdarlehen zurückführen zu dürfen ist eine Kröte, die viele nicht schlucken wollen. Und Umschuldungen sind grundsätzlich ausgeschlossen.

Andere Unternehmer, hat Westerburg beobachtet, betrachten Fördermittel als imageschädigend, sie möchten nicht in der Öffentlichkeit als „hilfsbedürftig“ erscheinen. Die KfW und andere Förderinstitute selbst geben keine Namen weiter, wie sie betonen, aber das EU-Beihilfegesetz sieht seit 2016 eine Veröffentlichung für individuelle Einzelhilfen über 500.000 EUR vor. Auf einer Internetseite müssen Name, Größenordnung und Region des Beihilfeempfängers veröffentlicht werden – und auch die Höhe des Beihilfebetrags. Die Unternehmersorge: Eine solche Veröffentlichung der Akuthilfe könnte Konkurrenten auf den Plan rufen oder Kunden und Lieferanten verunsichern. Allerdings finden sich auf der einschlägigen (und wahrscheinlich kaum bekannten) EU-Website bisher nur Beihilfen ohne expliziten Corona-Bezug, beispielsweise Filmförderungen oder Investitionsbeihilfen zur Förderung der Energieeffizienz. Laut einer Veröffentlichung des BMBF gibt es für die Veröffentlichung eine zeitliche Frist von zwölf Monaten. Das heißt, Unternehmen müssen zumindest in dieser kritischen Phase wenig Sorge vor unerwünschter Transparenz haben.

Aus Bankersicht kann Westerburg die Bedenken verstehen, teilt sie aber in der Mehrzahl der Fälle nicht: Zum einen handele es sich zumeist um sehr gut gemanagte Unternehmen mit erfolgreichen Geschäftsmodellen, die in erster Linie branchenbedingt und unvorbereitet getroffen wurden, zum anderen könnte eine staatliche Unterstützung im Gegenteil Geschäftspartnern sogar das Signal geben, dass Dritte nach intensiver Prüfung an eine wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens glauben.

     
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8/2020