Die aktuellen Lieferkettenstörungen haben Nachteile des Just-in-time-Prinzips aufgezeigt. Wie Unternehmen mit dem Ausbau ihrer Lagerkapazitäten gegensteuern und diesen finanzieren können.
Niedrigere Kosten, kurze innerbetriebliche Wege, Reduzierung von „Ladenhütern“: Das sind entscheidende Vorteile eines geringen Lagerbestands oder sogar einer Just-in-time-Beschaffung. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn alle Glieder der Lieferkette perfekt ineinandergreifen. Kommt es, so wie jüngst durch die Folgen der Coronavirus-Pandemie, zu Störungen in der Supply-Chain, kann das für Unternehmen erhebliche negative Folgen haben. Im schlimmsten Fall steht die Produktion still, weil wichtige Bauteile fehlen. Lukrative Aufträge gehen dann mangels Lieferfähigkeit möglicherweise an die Konkurrenz. „Viele international vernetzte deutsche Unternehmen stehen vor einem Berg an Aufträgen, den sie aufgrund von Materialmangel nicht abarbeiten können. Die Aufholstrecke ist noch lang, denn eine Entspannung bei den Problemen in der Lieferkette ist leider noch nicht in Sicht“, beschreibt DIHK-Präsident Peter Adrian die Lage zum Jahresbeginn 2022.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen plant laut Umfragen des DIHK mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen, ihre Lieferketten anzupassen, oder ist bereits dabei, dies zu tun. Doch nicht nur in Pandemiezeiten gilt: Je globaler eine Lieferkette aufgestellt ist, desto größer ist ihre Störanfälligkeit – vor allem, wenn nur ein einzelner Lieferant oder Lieferanten aus nur einer Region am Anfang der Kette stehen. Die Bandbreite möglicher Störfaktoren reicht von singulären Problemen beim Lieferanten, etwa einem Produktionsausfall durch Feuer oder Streik, über regionale Ereignisse wie zum Beispiel Naturkatastrophen oder politische Unruhen bis hin zu Transportproblemen, wie es sie beispielsweise 2021 infolge der Containerschiffshavarie im Suezkanal gab.
Experten empfehlen deshalb vor allem Unternehmen, die von Zulieferungen aus dem Ausland abhängig sind, ihre Lagerstrategie zu überdenken und gegebenenfalls die Lagerhaltung wichtiger Vorprodukte der Just-in-time-Lieferung vorzuziehen. „Neben einer stärkeren Reintegration von Produktionsprozessen in das eigene Unternehmensnetzwerk sollten eine geringere Betonung der Just-in-time-Produktion
und ein Ausbau der Lagerhaltung geeignete Maßnahmen sein, um globale Lieferketten robuster gegenüber den verzögerten Auswirkungen von Pandemien zu machen“, schreibt etwa Prof. Dr. Hartmut Egger von der Universität Bayreuth in einem Diskussionspapier des ifo-Instituts.
Dabei geht es vor allem darum, die möglichen Folgekosten von Lieferausfällen gegen die einer zumindest teilweisen Umstrukturierung der Lieferketten abzuschätzen. Gegen eine Abkehr vom Just-in-time-Prinzip spricht grundsätzlich, dass geringe Lagerbestände die Kapitalkosten und damit die Schulden eines Unternehmens reduzieren – was sich wiederum positiv auf dessen Bonität auswirkt. Eine realistische Schätzung der potenziellen Kosten eines Ereignisses wie der Coronavirus-Pandemie sollte in die Kosten-Nutzen-Kalkulation einer Produktionsverlagerung und/oder Just-in-time-Produktion eingehen, betonen im selben Papier Prof. Dr. Holger Görg und Saskia Mösle vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. In einigen Fällen könne aber eine ausreichende Lagerhaltung günstiger ausfallen als die Organisation der Produktion in weltweiten Wertschöpfungsketten.
Um den Wert der Risikoabsicherung für den Fall von Lieferengpässen gegen den Kapitaleinsatz für die Lagerung abzuwägen, können die folgenden Fragestellungen helfen:
Fällt die Entscheidung zugunsten einer erweiterten Lagerhaltung aus, gilt es diese zu finanzieren. Unternehmen stehen dafür verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. Mehr Liquidität zur Vorfinanzierung von zum Beispiel Rohstoffen und Vorprodukten oder das Anmieten von Lagerflächen lässt sich zumeist auch kurzfristig über eine Ausweitung der Kreditlinie realisieren. Auch der Forderungsverkauf (Factoring) kann dafür unter Umständen interessant sein. Geht es um Investitionen in eigene Lagerkapazitäten, kommen Investitionskredite oder auch Leasing infrage.
Der Beitrag erschien erstmals online bei Perspektiven, dem Postbank eMagazin für Geschäfts- und Firmenkunden.
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