Andrea Riesberg, Leiterin Geschäftskunden Region Ost bei der Deutschen Bank, über die Folge der Zinswende für Unternehmen und vorteilhafte Finanzierungsstrategien in Zeiten steigender Zinsen.
Andrea Riesberg: Die Unternehmen müssen sich erst wieder daran gewöhnen, dass sie frisches Kapital nicht mehr fast zum Nulltarif bekommen. Vor einem Jahr war eine Finanzierung zuweilen für einen Zinssatz von nur 1 % zu haben. Wenn jetzt plötzlich 3 % aufgerufen werden, ist das für manche eine sehr unangenehme Überraschung. Wobei ich an dieser Stelle gern in Erinnerung rufe, dass es noch keine 15 Jahre her ist, dass Kreditzinsen von über 6 % völlig normal waren. Das ist jedoch kaum mehr präsent. Was jedoch erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer ausmacht, ist ihre Fähigkeit, schnell wieder umzuschalten, die veränderte Situation anzunehmen und für sich das Beste daraus zu machen.
Andrea Riesberg: Keine Frage. Unternehmen wollen Planungssicherheit. Deshalb war die Nachfrage nach Finanzierungen, Anschlussfinanzierungen und auch Forward-Darlehen, mit denen man sich die noch günstigen Konditionen für einen späteren Zeitraum sichern kann, hoch. Jetzt hat sich der Markt ein wenig beruhigt. Wir beobachten, dass manche Projekte und Investitionen erst einmal verschoben werden. Gleichzeitig stocken einige Firmen jetzt ihre Liquidität auf, um gegebenenfalls flexibel agieren zu können, ohne Rücksicht auf die Entwicklungen am Zinsmarkt nehmen zu müssen. Viele erwarten, dass die Zinsen weiter steigen werden. Aber man weiß es eben nicht.
Andrea Riesberg: Wir führen mit unseren Kundinnen und Kunden umfangreiche Strategiegespräche, in denen wir die genauen Hintergründe der gewünschten Finanzierung beleuchten. Zudem legen wir großen Wert darauf, das Geschäftsmodell unserer Kundschaft zu verstehen. Die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen im aktuell herausfordernden Umfeld, in dem Rohstoffknappheit und Lieferengpässe an der Tagesordnung sind, und die Planungen für die Zukunft sind ebenso essenzieller Bestandteil der Gespräche. In diesem Zusammenhang erörtern wir auch mögliche Risiken und versuchen mit dem Kunden, die seinen Bedürfnissen entsprechende Lösung zu finden. Das kann auch schon mal dazu führen, dass ein Projekt komplett neu aufgesetzt oder auch mal verschoben wird. Dieses intensive Strategiegespräch wird von unseren Kundinnen und Kunden sehr geschätzt.
Andrea Riesberg: Da ist sicherlich etwas dran. Das Marktumfeld ist herausfordernder geworden. Dazu kommen die Themen Timing und Flexibilität. Wann ist eine Finanzierung sinnvoll? Für welchen Zweck und wie lange wird sie benötigt? Wer als produzierendes Unternehmen kurzfristig eine günstige Gelegenheit bekommt, sein Lager mit wichtigen Rohstoffen oder Vorprodukten aufzufüllen, benötigt dafür ein anderes Liquiditäts- und Finanzierungsmodell als ein Unternehmen, das in neue Maschinen investiert, deren Anschaffung sich über Jahre rechnen soll und die über die lange Laufzeit steuerlich abgeschrieben werden. Wir sehen uns auch immer an, welche Fördermöglichkeiten es gibt, zum Beispiel beim Umstieg von einer Energieform auf die andere oder bei energetischer Sanierung. Kurzum: Mit Blick auf das gestiegene Zinsniveau im aktuellen Marktumfeld ist der Beratungsbedarf nochmal deutlich gestiegen.
Andrea Riesberg: Sehr gern. Wichtig ist es, den passenden Finanzierungsmix zu finden. Dazu gehören Darlehen mit festem oder variablem Zinssatz, Betriebsmittellinien, öffentliche Förderdarlehen oder auch Factoring. Darlehensnehmer sollten sich fragen, wie wichtig ihnen eine feste Kalkulationsbasis ist, also eine feste Zins- und Tilgungsleistung. Denn auch Kundinnen und Kunden, die sich für ein Darlehen mit einem variablen Zinssatz entscheiden, haben Möglichkeiten der Zinssicherung. Etwa durch den Einsatz von derivativen Produkten. So bietet ein variables Darlehen mit separater Zinssicherung durch die Option von Sondertilgungen oder vorzeitiger Rückzahlung eine hohe Flexibilität für die Laufzeit der Finanzierung und generiert gleichzeitig Kalkulationssicherheit. Bei Interesse erläutern Mitarbeiter aus der Abteilung Risk Management Solutions unserer Kundschaft eingehend die Funktionsweise und klären über Chancen und auch Risiken der verschiedenen derivativen Finanzinstrumente auf.
Andrea Riesberg: Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Wer sein Geschäftsmodell verständlich erklären und seine Investitionen gut begründen kann, wer die Jahresabschlüsse der vergangenen drei Jahre parat sowie eine Selbstauskunft im Gepäck hat und Überlegungen für die Zukunft mitbringt, schafft eine gute Gesprächsbasis. Steuerberaterinnen und Steuerberater können hier viel leisten, indem sie ihre Kundinnen und Kunden im Vorfeld eines Kreditgesprächs gut briefen. Später, wenn es ins Detail geht, sitzen sie schließlich oft mit am Tisch, um – nicht nur, aber auch – die steuerlichen Aspekte zu klären. Da hilft es, wenn sie sich mit dem jeweiligen Geschäftsmodell, den Zahlen und der Entwicklung schon mal intensiv auseinandergesetzt haben. Das zahlt sich erfahrungsgemäß im wahrsten Sinne des Wortes in der Regel aus. Und es beschleunigt die Prozesse.