17.12.2021
Die Frage, ob eine Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist, beschäftigt Gerichte immer wieder. Ärztinnen und Ärzte sind einmal als Arbeitgeber, einmal als Beschäftigte betroffen.
Mehrere Gerichte haben zum Thema Sozialversicherungspflicht von Ärztinnen und Ärzten zuletzt wichtige Entscheidungen getroffen. Sie zeigen, wie unterschiedlich die Sachlagen zu diesem Thema sein können und dass der individuelle Fall sorgfältig geprüft werden muss.
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich mit der Frage einer ärztlichen Urlaubs- oder Krankheitsvertretung in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) beschäftigt und dabei eine frühere Rechtsprechung zu Honorarärzten bestätigt: Weil eine externe ärztliche Vertretung in aller Regel eng in die Arbeitsorganisation einer BAG eingebunden ist und darüber hinaus kein eigenes unternehmerisches Risiko trägt, sind BAG zur Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen für diese externe Vertretung verpflichtet.
Im konkreten Fall galt dies auch für eine gastroenterologische BAG, die eine externe Kollegin für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen für eine pauschale Vergütung von 180 Euro je Stunde verpflichtet hatte. Die Vertretung hatte eine eigene Berufshaftpflicht, führte endoskopische Untersuchungen durch, gab Therapieempfehlungen, schrieb Befundberichte und Ähnliches mehr. Praxis und Ärztin verwiesen darauf, dass diese keine Anweisungen erhalte, dass sie autarke Entscheidungen treffe und selbstständig sei bei voller Budgetverantwortung und Regresspflicht bei medizinischen Behandlungsfehlern.
Die Rentenversicherung sah dennoch eine abhängige Beschäftigung, die das BSG nun bestätigte.
Eine zumindest eingeschränkte Weisungsgebundenheit ist nach Auffassung des Gerichts sehr wohl erkennbar und als Vertretung sei die Ärztin in die Praxisorganisation eingegliedert. Hinzu kam: Die Vertretung rechnete die Behandlungen nicht selbst mit der KV ab, sondern erhielt eine pauschale Vergütung. Damit fehlte es den Richtern an einem „nennenswerten Unternehmerrisiko“, das für eine selbstständige Tätigkeit gesprochen hätte.
Keinen Erfolg hatte die Rentenversicherung dagegen mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Münster. Hier ging es um Honorarärztinnen und Honorarärzte, die in Rufbereitschaft für das Palliativnetz Münster arbeiten. Sie sind neben dieser Tätigkeit in einem Krankenhaus oder in eigener Praxis tätig. Die Rentenversicherung erkennt ihren Status als nicht sozialversicherungspflichtige Ärztinnen und Ärzte nun an und ermöglicht dem Palliativnetz damit weiterhin die Rufbereitschaft rund um die Uhr. Eine Anstellung für die palliativmedizinischen Dienste – in aller Regel sind dies rund fünf pro Monat – hätten die Ärztinnen und Ärzte voraussichtlich abgelehnt.
Das Urteil aus Münster ist für zahlreiche palliativmedizinische Konsiliardienste wichtig, die mit Honorarärztinnen und Honorarärzten arbeiten.
Ein wiederum anders gelagerter Fall aus dem Rettungsdienst: Der Landkreis Fulda und ein Arzt hatten sich auf eine Honorarvereinbarung geeinigt, die Einsätze von ihm als freiberuflich tätiger Notarzt im Rettungsdienst beinhaltete. Seine Einsatzzeiten konnte der Arzt über ein Online-Portal selbst auswählen. Weil er aber eng in den Rettungsdienst des Kreises eingebunden war, wertete die Rentenversicherung seine Tätigkeit als sozialversicherungspflichtig.
Auch das BSG sah den Arzt „engmaschig“ eingebunden. Es spiele keine Rolle, dass diese Einbindung in die Arbeitsorganisation rechtlich vorgeschrieben sei. Das BSG erkannte keine unternehmerische Tätigkeit des Notarztes und verwies ferner auf die Weisungsgebundenheit und auf das feste Honorar, das der Landkreis zahlte.
Az.: B 12 R 1/21 R und Az.: B 12 KR 29/19 R
17.12.2021
Arztbewertungsportale dürfen grundsätzlich alle Ärztinnen und Ärzte aufführen. Dies gilt auch dann, wenn zahlende Kundinnen und Kunden besser präsentiert werden.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) scheint das Arztbewertungsportal jameda mit seiner Listung aller Ärztinnen und Ärzte rechtlich auf der sicheren Seite. Der BGH hatte sich mit dem Fall eines Zahnarztehepaars zu befassen, das sich 2018 austragen ließ und damit vor Gericht zunächst auch Erfolg hatte.
Inzwischen hat jameda seinen Internetauftritt jedoch mehrfach überarbeitet und damit die Gründe, die 2018 die Austragung rechtfertigten, beseitigt. Deshalb lehnten es die Richter in der Revisionsverhandlung ab, jameda eine Wiederaufnahme der Parodontologin und des Oralchirurgen in die Auflistung dauerhaft zu untersagen.
Der BGH hatte bereits 2014 bestätigt, dass Bewertungsportale grundsätzlich alle Anbieter – in diesem Fall die Ärztinnen und Ärzte sowie die Zahnärztinnen und Zahnärzte – aufführen dürfen. Nach Auffassung der Richter wiegen die Interessen des Betreibers und der Nutzer schwerer als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Ärztinnen und Ärzte, die gegen ihren Willen aufgelistet werden.
Die Kläger hatten darauf verwiesen, dass sie gegenüber zahlenden Kundinnen und Kunden bei der Präsentation benachteiligt werden. Schon das Oberlandesgericht Köln hatte aber entschieden, dass solche Besserstellungen zahlender Kundinnen und Kunden nicht zu beanstanden sind, wenn für Nutzerinnen und Nutzer erkennbar bleibt, dass diese Unterschiede auf die Zahlungen zurückzuführen sind.
Az.: VI ZR 488/19 und Az.: VI ZR 489/19
17.12.2021
Mit einer Online-Plattform richtet sich die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) seit Kurzem an Hinweisgeberinnen und -geber, die zur Aufklärung von Betrug und Korruption im Gesundheitssystem beitragen können. Die ZKG ist seit vergangenem Jahr bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg angesiedelt, die Online-Plattform ist seit Oktober freigeschaltet. Bayerns Justiz verspricht sich davon u. a. Unterstützung im Kampf gegen falsche Abrechnungen, Schmiergelder und gefälschte Corona-Tests.
Das System empfängt Hinweise anonym oder namentlich. Für anonyme Hinweise ist ein geschützter Postkasten eingerichtet, der den Ermittlerinnen und Ermittlern Rückfragen ermöglicht, ohne die Identität der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers zu enthüllen.
Die ZKG erhofft sich davon weitere Aufschlüsse, wenn bereits erhaltene Hinweise ins Leere führen. Die Anonymität ist nach Angaben der Justizbehörde wichtig, u. a. damit Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, wenn sie im Gesundheitswesen tätig sind.
Vergleichbare Plattformen werden u. a. auch bei der Polizei Baden-Württemberg, der Polizei Niedersachsen und dem Bundeskartellamt eingesetzt. Begründet werden sie mit einem vermuteten hohen Dunkelfeld bei Betrug und Korruption im Gesundheitswesen. Das Pilotprojekt in Bayern ist zunächst auf vier Jahre angelegt.
Die Plattform im Internet: https://www.bkms-system.com/ZKG
Redaktion:
Springer Medizin, Postfach 2131, 63243 Neu-Isenburg, Hauke Gerlof (V. i. S. d. P.)