Praxis – 02.04.2023
Sie brachten den Praxen unverzichtbare Mehreinnahmen, aber auch Diskussionen über die Sinnhaftigkeit so mancher Maßnahme. Die Individuellen Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, werden jetzt 25 Jahre alt und einmal mehr stellt sich die Frage, wie Praxen beim „IGeLn“ das richtige Maß finden.
Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL – unter diesem Begriff bieten Praxen ihren Patientinnen und Patienten seit 1998 Privatleistungen an, die die Krankenkasse nicht übernimmt. In vielen Praxen machen die IGeL seitdem einen erheblichen Teil der Einnahmen aus. Eine Milliarde Euro sind es aktuell jährlich, so die Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO).
Die 25-jährige Geschichte der Selbstzahlerleistungen ist aber auch eine Geschichte des Streits um das faire „IGeLn“ und darüber, was diese Leistungen wirklich taugen, die die Niedergelassenen den Patientinnen und Patienten über die Diagnose- und Therapiemethoden des GKV-Katalogs hinaus anbieten. Der Deutsche Ärztetag hat bereits 2006 Kriterien für seriöses „IGeLn“ festgelegt.
Dazu gehören Leistungen, die nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen sind: zum Beispiel sportmedizinische Gutachten, Reiseimpfungen oder auch die dermatologische Behandlung bei Haarausfall. Es ist die Entscheidung von Patientinnen und Patienten, diese Leistungen nachzufragen.
Immer wieder aber wird darüber gestritten, welchen Nutzen angebotene Leistungen für Patientinnen und Patienten tatsächlich haben, etwa Augeninnendruckmessungen ohne konkreten Verdacht auf ein Glaukom oder auch das Angebot eines PSA-Tests zur Erkennung eines gesteigerten Risikos auf Prostata-Ca.
Seit 2012 prüft der IGeL-Monitor die Angebote, der vom Medizinischen Dienst Bund betrieben wird, dem Rechtsnachfolger des Medizinischen Diensts des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS). Man arbeite mit vielen externen Sachverständigen zusammen, um faire Urteile zu fällen, so die Initiatorinnen und Initiatoren des IGeL-Monitors. Der IGeL-Monitor ordnet die Leistungen in fünf Qualitätsstufen: „positiv“, „tendenziell positiv“, „unklar“, „tendenziell negativ“ und „negativ“.
Dabei kommen die Top Ten der IGeL in Praxen laut IGeL-Report 2020 schlecht weg. Diese sind:
Unter den 55 IGeL, die der Monitor bisher beurteilt hat, schlossen nur zwei mit dem Urteil „tendenziell positiv“ ab. Wer also unter den Niedergelassenen „IGeLt“, tut dies in der Regel gegen die Qualitätsurteile des IGeL-Monitors.
Allerdings wecken die Qualitätsurteile auch Zweifel. Denn würde der IGeL-Monitor etwa Leistungen als positiv bewerten, die nicht von der GKV bezahlt werden? Müssten diese Leistungen nicht allein schon aus dieser positiven Bewertung heraus zur Kassenleistung werden?
Nicht nur an dieser Stelle gibt es Zweifel in der „IGeLnden“ Ärzteschaft. Ärztinnen und Ärzte argumentieren auch damit, dass manche Leistungen von der IGeL-Liste, auf der sie jahrelang standen, schließlich doch in den GKV-Leistungskatalog gerutscht sind. So geschehen zum Beispiel mit dem immunologischen Stuhltest zur Früherkennung von Darmkrebs. Der iFOBT ist allerdings nie vom IGeL-Monitor beurteilt worden.
Einige Ärztinnen und Ärzte zweifeln auch die Methodik und die Auswahl des Monitors generell an.
Wer sich nicht auf das Urteil des IGeL-Monitors verlassen möchte, dem bleibt natürlich das eigene ärztliche Ermessen, um zu beurteilen, wie nützlich eine Wunschleistung tatsächlich für Patientinnen und Patienten ist.
Hautarzt Dr. Ralph von Kiedrowski aus Selters im Westerwald beispielsweise hat Leistungen ausgewählt, die er nach seinem ärztlichen Ermessen als IGeL-Angebot vertreten kann. Kiedrowski, der auch Vorsitzender des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD) ist, bietet rund 20 verschiedene Wunschleistungen an. Wer wie von Kiedrowski für seine Praxis geeignete Leistungen auswählt und den Patientinnen und Patienten anbietet, hat es meist leichter, diese Leistungen auch der Patientenschaft gegenüber zu vertreten.
Für viele Niedergelassene sind die Erlöse aus den Wunschleistungen trotz aller Kritik mehr als ein Zubrot. „Hätte man als Praxischefin oder -chef nur GKV-Patientinnen und Patienten und keine Patienten mit Wunschleistungen, hätte man nicht nur zu wenig Honorar, sondern könnte – auch wegen der steigenden Energie- und Gesamtkosten – gar keine Sprechstunde mehr aufrechterhalten“, sagt Dr. Ralph von Kiedrowski.
Allerdings dürften die Hautärztinnen und -ärzte mit einem extrem hohen Privatanteil von fast 55 Prozent an den Praxisumsätzen eher eine Ausnahme sein, vor allem jene, die viele, relativ teure kosmetische IGeL erbringen.
Nach den jüngsten statistischen Zahlen lagen die Dermatologinnen und Dermatologen mit einem Privatanteil von 54,7 Prozent deutlich vor allen anderen Fachgruppen.
Zum Vergleich: Die Urologinnen und Urologen verzeichneten im selben Zeitraum einen Privatanteil bei den Einnahmen von 37,9 Prozent, die Pädiaterinnen und Pädiater von 15,3 Prozent und die Hausärztinnen und Hausärzte von 11,9 Prozent im Jahr 2019.
Und noch etwas kommt dazu: „Wer „IGeLt“ will, muss auch über Geld reden können“, so Dr. Wolfgang Grebe, Sportmediziner und Internist in Frankenberg und ein IGeL-Veteran der ersten Stunde. Laut Grebe tun sich viele seiner Kolleginnen und Kollegen aber schwer damit, den Patientinnen und Patienten Privatleistungen anzubieten.
Unterstützung beim „IGeLn“ bekamen Ärztinnen und Ärzte bereits vor einiger Zeit auch von ihren Körperschaften mit dem gemeinsamen Ratgeber „Selbst zahlen?“ für Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten, herausgegeben von der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Der Ratgeber soll seriöse Informationen zum richtigen Umgang mit dem „IGeLn“ geben.
Bleibt die Frage, ob IGeLnde Ärztinnen und Ärzte in den Wochenstunden, die sie für ihre GKV-Patientinnen und Patienten reservieren, das Massengeschäft noch erledigen können. „Grundsätzlich nein“, kommentiert der Hautarzt Kiedrowski diesen Punkt. „Niemand bekommt in 25 Stunden den Ansturm von GKV-Patientinnen und Patienten geregelt. Das Ergebnis sind lange Wartezeiten.“
Der Ärztetag in Magdeburg hat 2006 zehn Punkte beschlossen, die für seriöses „IGeLn“ selbstverständlich sein sollten – eine Richtschnur für den Praxisalltag bis heute.
Die Anschaffung eines Medizingeräts ist nicht nur eine Frage des medizinischen Spektrums einer Praxis, sondern es geht natürlich auch darum, ob sich das Gerät amortisiert. Das gilt für Geräte, mit denen Kassenleistungen erbracht werden können, zum Beispiel Ultraschallgeräte oder EKG-Geräte, ebenso wie für Geräte für IGeL-Angebote.
Eine Hilfe bei der Investitionsentscheidung für ein Gerät bietet der Investitionscheck auf der Internetseite der Deutschen Bank im Bereich für Heilberufe.
Dort können Ärztinnen und Ärzte nach Fachgebiet und KV-Region für bestimmte Geräte ganz einfach Amortisationsberechnungen anstellen, indem sie einige Variablen einstellen und dann an der Grafik ablesen, in wie vielen Jahren sich ein Gerät amortisiert haben wird, wenn die angegebenen Variablen sich tatsächlich in die Realität umsetzen lassen.
Redaktion:
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