17.12.2021
Die neue Bundesregierung strebt eine sektorenübergreifende Gesundheitspolitik an. Bei diesem Ziel ist sie mit den Erwartungen vieler Verbände und Institutionen konfrontiert, die Reformbedarf angemeldet haben. Zu den Großbaustellen zählen die Klinikplanung und die Honorierung der stationären Leistungen. Aber auch im ambulanten Bereich gibt es Herausforderungen.
Mit Beginn der Legislaturperiode beobachten Akteure aus dem Gesundheitswesen gespannt, welchen Reformvorhaben die neue Bundesregierung Priorität einräumt. Trotz zahlreicher Gesetze in den vergangenen Jahren sehen Verbände und Institutionen, aber auch Politikerinnen und Politiker hohen Veränderungsbedarf.
Die Koalitionsvereinbarung lässt noch nicht klar erkennen, wo die Politik mit der Reform beginnen wird. Hausärztinnen und Hausärzte dürften positiv vermerken, dass für ihren Bereich eine Aufhebung der Budgetierung in Aussicht gestellt wird – ein möglicher Anreiz für die Niederlassung.
Wichtig ist für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen offensichtlich auf den Prüfstand kommt. Im Koalitionsvertrag ist von einer „gemeinsamen“ Sicherstellung in unterversorgten Regionen zusammen mit den KVen die Rede. Entscheidungen von Zulassungsausschüssen stehen künftig nach den Plänen der Ampel-Koalitionäre unter dem Vorbehalt einer Bestätigung der zuständigen Landesbehörde.
Deutlich wird auch, dass eine Tätigkeit in Versorgungszentren mehr in den Blickpunkt gerät: Der Vertrag sieht vor, dass Kommunen die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren erleichtert werden soll. Erfahrungen existieren bereits mit solchen Zentren, denn in Schleswig-Holstein arbeiten sie erfolgreich.
Detailfragen können anhand des Koalitionsvertrags noch nicht beantwortet werden. Akteure im Gesundheitswesen beobachten insbesondere, wie die Finanzierung der Leistungen im Klinikbereich reformiert wird. Das System ist allerdings so komplex, dass eine schnelle Lösung kaum realistisch erscheint. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verweist in diesem Zusammenhang auf die sektorenübergreifende Zusammenarbeit und fordert ambulante Budgets für Kliniken, die perspektivisch aus dem EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab) finanziert werden sollten. Dies könnte zu einem Verteilungskampf mit dem ambulanten Sektor führen.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Hybrid-DRG „zügig“ aufgelegt werden. Hybrid-DRG sollen Leistungen in gleicher Höhe honorieren, unabhängig davon, ob sie im ambulanten oder stationären Sektor erbracht wurden. Als „unnötig“ angesehene stationäre Leistungen geraten damit stärker in den Wettbewerb. Erfahrungen mit Hybrid-DRG werden seit 2017 in Thüringen gesammelt.
Offen bleibt, wie die wohnortnahe stationäre Versorgung gestaltet wird. Davon hängt ab, welche stationäre Anbindung und Kooperationsmöglichkeiten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte künftig vorfinden. Einige weitere Punkte, in denen die Vereinbarung andeutet, wohin die künftige Gesundheitspolitik gehen wird:
— Fachkräftemangel: Die Hürden für die Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen sollen gesenkt und die Verfahren beschleunigt werden.
— Medizinstudium: Die Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner soll stärker auf Digitalisierung und Ambulantisierung sowie auf Spezialisierung, individuellere Medizin und mehr berufsgruppenübergreifendes Arbeiten ausgerichtet werden.
— Innovationen: Der Innovationsfonds soll verstetigt werden. Für erfolgreiche geförderte Projekte soll es künftig einen Pfad geben, wie diese in die Regelversorgung überführt werden.
— Digitalisierung: Erste Signale aus dem Vertrag deuten darauf hin, dass die neue Regierung, wenn sie im Amt ist, versuchen wird, den Prozess noch zu beschleunigen. Für die ePA beispielsweise soll gelten, dass jede und jeder Versicherte automatisch eine solche Akte bekommen soll, sich aber gegen sie entscheiden kann („Opt-out“).
Eine der entscheidenden Rahmenbedingungen für Reformen sind die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die im kommenden Jahr für den Gesundheitsfonds einen Gesamtzuschuss in Höhe von über 28 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten kann. Der Verband der Ersatzkassen hat angesichts der angespannten finanziellen Lage der Krankenkassen einen dauerhaften Steuerzuschuss des Bundes angemahnt.
Die Krankenkassen drängen aus Kostengründen auf eine zunehmende Verlagerung von bislang stationär erbrachten Leistungen und haben deshalb Interesse, die sektorenübergreifende Planung und Vergütung voranzutreiben.
Eine andere wichtige Rahmenbedingung ist das zur Verfügung stehende Personal, um das u. a. Arztpraxen und Kliniken konkurrieren. Zunehmender Wettbewerb deutet sich außerdem in manchen Leistungsbereichen an. Dies gilt auch für die Heilberufe untereinander, beispielsweise um das Impfen zwischen der Ärzte- und der Apothekerschaft.
17.12.2021
Die Zahnärzteschaft setzt auf einen konstruktiven Dialog mit der neuen Bundesregierung. Die wichtigsten Themenfelder für diesen Austausch formulierte kürzlich die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer.
Steigender Versorgungsbedarf, Personalmangel und die älter werdende Bevölkerung zählen aus Sicht der Zahnärzt*innen zu den wichtigsten Herausforderungen im Gesundheitswesen, mit denen sich die künftige Bundesregierung auseinandersetzen muss.
Auf der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer wurde ausdrücklich der Wunsch geäußert, zur Lösung der Probleme in den Dialog zu treten.
Die Lösungsansätze der Zahnärzteschaft liegen insbesondere in einer Förderung der freiberuflichen Leistungserbringung und in einer Stärkung der freien Therapie- und Arztwahl.
Eine Lanze für die Freiberuflichkeit
Die Zahnärztinnen und Zahnärzte betonen diese Grundsätze, weil sie dem steigenden Interesse von Fremdkapitalgebern im Gesundheitswesen skeptisch gegenüberstehen.
Damit Zahnärztinnen und Zahnärzte weiterhin freiberuflich, selbstständig und unabhängig von Fremdkapital tätig sein können, sind aus ihrer Sicht eine Entlastung von Bürokratie, eine angemessene Honorierung und eine gezielte Förderung der Digitalisierung erforderlich.
17.12.2021
Die Bedrohung durch Cyberangriffe in Deutschland steigt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) berichtet u. a. von neuen Schadsoftware-Varianten und zunehmender Cyber-erpressung. Das Gesundheitswesen wird vom BSI als einer der betroffenen Bereiche genannt. Die zweite Stufe der IT-Sicherheitsrichtlinie zum Schutz von Patientendaten tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Für die Arzt- und Zahnarztpraxen bedeutet das etwa, dass sie nicht mehr auf Schutzvorrichtungen, wie sie in Standard-DSL-Routern implementiert sind, vertrauen dürfen. Künftig muss eine professionelle Firewall zum Einsatz kommen.
Weitere Informationen zur Umsetzung der IT-Sicherheitsrichtlinie: https://hub.kbv.de/site/its
Redaktion:
Springer Medizin, Postfach 2131, 63243 Neu-Isenburg, Hauke Gerlof (V. i. S. d. P.)