Im Fokus – 17.10.2022
Die Praxisausgaben steigen stärker als die Einnahmen – diese Befürchtungen haben Ärztinnen und Ärzte derzeit. Die Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses, den für das Honorar maßgeblichen Orientierungspunktwert für 2023 um zwei Prozent anzuheben, lässt diese Befürchtungen wachsen, denn die Kosten dürften weit schneller steigen. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi) fordert daher einen Inflationsausgleich für Praxen.
Die hohe Inflation allgemein und vor allem die steigenden Kosten für Energie belasten Menschen und Unternehmen in Deutschland. Auch Ärztinnen und Ärzte sind betroffen: Neben den Energiepreisen steigen die Gehälter für die Angestellten, aber auch Praxismiete oder Laborkosten. Die Wirkung der Gas- und Strompreisbremse ist zurzeit noch nicht absehbar.
In dieser Situation sorgte zuletzt die Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses für Aufsehen: Das Gremium entschied, den für das Honorar wichtigen Orientierungswert für 2023 um zwei Prozent auf 11,4915 Cent (2022: 11,2662 Cent) zu erhöhen. Diese Ankündigung rief bei zahlreichen Verbänden und Kassenärztlichen Vereinigungen Kritik hervor, weil die aktuellen Preissteigerungen damit bei Weitem nicht ausgeglichen werden können: Die Inflationsrate lag in den vergangenen Monaten bei um die acht Prozent und geht aktuell in Richtung zehn Prozent. Die ärztlichen Verbände und KVen verwiesen unter anderem darauf, dass sich die Rahmenbedingungen für niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte durch die Entscheidung des Bewertungsausschusses nicht verbessern.
Wie stark die Preissteigerung im kommenden Jahr ausfällt, ist schwer abzuschätzen, da der Punktewert für 2023 gilt.
Kurz vor der Entscheidung des Bewertungsausschusses hatte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland Praxisausgaben und Praxiseinnahmen für die Jahre 2017 bis 2020 verglichen. Beim Jahresüberschuss gab es für diesen Zeitraum zwar noch leichte Zuwächse. Das Zi zeigte sich allerdings besorgt, dass weitere Preissteigerungen zu realen Verlusten in den Praxen führen könnten.
Diese Befürchtung ist nun durch die Entscheidung des Bewertungsausschusses verstärkt worden.
Insgesamt sind die Praxiseinnahmen im Zeitraum von 2017 bis 2020 um 10,5 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum gab es bei den Aufwendungen aber einen größeren Zuwachs, und zwar um 13,3 Prozent.
Die Entwicklung in den einzelnen Jahren: 2017 lagen die Praxiseinnahmen noch bei durchschnittlich 303.100 Euro. Bis 2020 stiegen sie auf 335.000 Euro. Die Praxisüberschüsse wuchsen in dieser Zeit von 160.000 Euro in 2017 auf 172.900 Euro in 2020. Dieser Anstieg von 8,1 Prozent entspricht einem inflationsbereinigten Zuwachs von 4,2 Prozent.
Größter Kostenblock in den Praxen bleiben die Personalkosten, die im Jahr 2020 mit durchschnittlich rund 90.300 Euro fast 56 Prozent aller Aufwendungen ausmachten. In dem Zeitraum von 2017 bis 2020 sind die Personalkosten um 19 Prozent überdurchschnittlich gestiegen.
Die Miete für Praxisräume stieg in den gleichen Jahren vergleichsweise moderat um 3 Prozent. Dennoch bleibt die Miete inklusive Nebenkosten mit durchschnittlichen Jahreskosten in Höhe von 18.600 Euro der zweitgrößte Einzelkostenfaktor.
Wichtigste Einnahmequelle für Praxen bleibt die Versorgung von gesetzlich Versicherten. Hierfür erhielten die Praxen im Jahr 2020 im Durchschnitt Einnahmen in Höhe von 261.100 Euro, was 78 Prozent der Gesamteinnahmen entspricht. Dieser Anteil ist seit Jahren konstant beziehungsweise ganz leicht steigend. Die Einnahmen aus der GKV sind von 2017 bis 2020 um 10,7 Prozent gestiegen, die Privateinnahmen um 8,1 Prozent, schreibt das Zentralinstitut.
Nach Ansicht des Zi könnte die hohe Inflation die Zuwächse bei den Praxisüberschüssen gefährden. Das Zentralinstitut schließt in seiner Analyse nicht aus, dass es 2022 real stagnierende oder rückläufige Einnahmen in den Praxen geben könnte. Daher fordert es einen Inflationsausgleich für Praxen. Die Krankenkassen haben dagegen jüngst eine Nullrunde für Vertragsärztinnen und -ärzte für das Jahr 2024 gefordert.
Das Zi stützt seine Angaben auf Daten seines Praxispanels ZiPP. Darin werden die Einnahmen aus kassenärztlicher und privatärztlicher Tätigkeit berücksichtigt. Basis ist die steuerliche Überschussrechnung der Praxen. Die aktuellen Ergebnisse beruhen auf einer Befragung aus dem Jahr 2021. In der Auswertung wurden Daten aus 3.356 Praxen berücksichtigt.
Um einer schleichenden Honorarerosion durch Geldentwertung zu entgehen, können Ärztinnen und Ärzte versuchen, den Privatanteil wieder zu steigern. Indem verstärkt medizinisch sinnvolle innovative Leistungen angeboten werden, die von den Krankenkassen noch nicht bezahlt werden.
Die zuletzt besonders stark gestiegenen Personalkosten zu senken dürfte schwerfallen, da gutes Fachpersonal knapp ist. Ein klug gesteuerter Einsatz weitergebildeter MFA kann Ärztinnen und Ärzten jedoch viel Arbeit abnehmen und – zum Beispiel bei Hausbesuchen – auch zusätzliche Honorareinnahmen generieren.
Redaktion:
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