15.06.2022
Welche Weichen müssen gestellt werden, damit junge Ärztinnen und Ärzte auch künftig in der ambulanten Versorgung arbeiten? Modellprojekte und Konzepte dazu nehmen derzeit Gestalt an. Fest steht: Es wird teamorientierter.
Wie die ambulante Versorgung der Zukunft aussehen könnte, lässt sich vielleicht schon in einem halben Jahr im hohen Norden erkennen. Zu Jahresbeginn 2023 soll dort nach derzeitigen Plänen ein Primärversorgungszentrum an den Start gehen, das Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, Pflegende sowie verschiedene Therapeutinnen und Therapeuten organisatorisch vereint. Das kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellte Konzept zeigt, dass das Zentrum konsequent an den Wünschen des Nachwuchses und der Patientinnen und Patienten ausgerichtet ist.
Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Berufe sollen gemeinsam entscheiden, welche Behandlungen wann und von wem für die Patientinnen und Patienten sinnvoll erbracht werden können. Sie müssen nicht unter einem Dach arbeiten, sollten aber elektronisch so vernetzt sein, dass die Behandlungen ohne Zeitverzögerung erfolgen können. Die Steuerung zu den einzelnen Heilberufen erfolgt über entsprechend geschulte MFA beim Erstkontakt mit Arzt oder Ärztin.
Weitere Merkmale des Zentrums: Die Mitarbeitenden sollen Behandlungspfade erstellen, sie sollen frei wählen können, ob sie angestellt oder selbstständig und in welchem Umfang sie arbeiten möchten. Alle administrativen Aufgaben sollen von dafür ausgebildeten Kräften, nicht von den Gesundheitsberufen übernommen werden.
Die Honorierung könnte über ein Regionalbudget erfolgen, über dessen Aufteilung die Verantwortlichen sich vor Ort verständigen müssten. Für die Trägerschaft ist eine genossenschaftliche oder eine gemeinnützige Struktur im Gespräch.
Mit nennenswertem standespolitischem Widerstand ist nicht zu rechnen: Auf das Konzept haben sich sowohl ärztliche Institutionen wie Ärztekammer und Ärztegenossenschaft Nord als auch die vier größten gesetzlichen Krankenkassen sowie Therapeuten- und Pflegeverbände und ein Krankenhaus verständigt.
Sie wollen Förderung aus dem Versorgungssicherungsfonds beantragen, der für solche Modellprojekte in Schleswig-Holstein zur Verfügung steht. Eine halbe Million Euro für drei Jahre sind möglich.
Entstehen soll das Zentrum in einer von Unterversorgung bedrohten Region. Favorit ist derzeit die Gemeinde Büsum, wo mit dem Ärztezentrum auf bestehenden Strukturen aufgebaut werden könnte. Sollte das Modell in der wissenschaftlichen Evaluation erfolgreich abschneiden, können sich die Initiatoren ein Ausrollen in die Regelversorgung vorstellen.
Vergleichbare Modelle sind auch in anderen Regionen im Gespräch und werden politisch unterstützt. Die baden-württembergische Landesregierung kündigte an, für den Auf- und Ausbau solcher Primärversorgungszentren, in denen unterschiedliche Gesundheitsberufe im Team arbeiten, zehn Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Schon zum 1. Juli 2022 könnten die Vorhaben im Südwesten starten.
Wie stark sich die Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung ändern könnten, zeigt auch ein Vorschlag der Barmer. Sie regt an, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) durch ein sektorenübergreifendes Vergütungsmodell abgelöst wird, das eine Basisvergütung für die medizinische Grundleistung vorsieht, die gezielt Anreize für eine ambulante Leistungserbringung setzt.
Die bislang zwischen stationärem und ambulantem Sektor getrennten Vergütungssysteme gelten unter Fachleuten als Hindernis für die Vernetzung der Sektoren. Die Koalitionspartner der Bundesregierung haben deshalb ein sektorenübergreifendes Vergütungsmodell in Aussicht gestellt.
15.06.2022
Digitalisierung und Umweltschutz finden in der neuen Ausbildungsverordnung für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) Berücksichtigung. Die neue Verordnung tritt am 1. August 2022 in Kraft.
Rund 13.000 junge Menschen starten jährlich eine Ausbildung zur bzw. zum Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA). Für sie und die ausbildenden Praxen gilt ab August eine neue Verordnung zur Berufsausbildung. Es ist das erste Mal seit 21 Jahren, dass es eine Novelle gibt.
In der Ausbildungsverordnung sind nun die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt abgebildet, aber auch Aspekte des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Außerdem werden die Themen Kooperation und Kommunikation stärker berücksichtigt.
Ziel ist es nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung unter anderem, dass ZFA auf persönliche Lebenslagen sowie Fragen und Ängste der Patientinnen und Patienten besser eingehen können. Dazu werden Kenntnisse zur Berücksichtigung von psychosozialen und somatischen Bedingungen des Patientenverhaltens, zu Methoden der Kommunikation, zur Patientenmotivation und zur Lösung von Konfliktsituationen vermittelt. Auch Hygienemaßnahmen sowie die Aufbereitung von Medizinprodukten rücken künftig mehr in den Vordergrund.
Bestandteile der Ausbildung bleiben weiterhin unter anderem die Unterstützung und Assistenz bei der Anamneseerhebung und bei zahnärztlichen Behandlungen, das Erläutern von Maßnahmen zur Vorsorge, Durchführung und Nachsorge der Untersuchungen. Außerdem gehören das Erstellen von Röntgenaufnahmen, die Mitwirkung bei der Qualitätssicherung, die Praxisorganisation und verwaltung sowie die Abrechnung erbrachter Leistungen zur Ausbildung.
Die Bundeszahnärztekammer machte anlässlich der Novellierung deutlich, wie bedeutsam die Arbeit der ZFA für die Praxen aus ihrer Sicht ist. Von der angepassten Ausbildungsverordnung verspricht sich die Körperschaft eine höhere Attraktivität der Ausbildung. Sie rief die niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte auf, die neue Ausbildung mit Leben zu füllen und für den Beruf der ZFA zu werben.
15.06.2022
Zahlreiche sektorenübergreifende Projekte aus der Gesundheitsversorgung sind in den vergangenen Jahren vom Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert worden. Nun zeichnet sich ab, dass dieses Instrument verstetigt wird.
Gutachten bescheinigten dem Fonds kürzlich, geeignet zu sein, um die Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung weiterzuentwickeln. Die Gutachten stützen damit Pläne der Bundesregierung, die diese Verstetigung anstrebt. Bislang sind für Projekte im Zeitraum von 2016 bis 2024 rund 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden.
Der beim G-BA eingerichtete Innovationsfonds soll dazu beitragen, die Versorgung in Deutschland qualitativ weiterzuentwickeln. Zu den von ihm geförderten Projekten wird nach wissenschaftlicher Evaluation eine Empfehlung abgegeben, ob sie für die Übernahme in die Regelversorgung geeignet erscheinen. Die Mehrzahl der Projekte erhält diese Empfehlung nicht. Positiv fielen aber zum Beispiel die Bewertungen für zwei Projekte im brandenburgischen Templin und in Hamburg aus (siehe unter Aus den Regionen).
Redaktion:
Springer Medizin, Postfach 2131, 63243 Neu-Isenburg, Hauke Gerlof (V. i. S. d. P.)