Aktien, Volkswirtschaft / Geldpolitik – 25.10.2024
Die wichtigsten Fakten:
Eine Reihe von ökonomischen Indikatoren könnte Aufschluss darüber geben, wie die diesjährige US-Präsidentschaftswahl ausgeht.
Rezessionen
Rezessionen (oder deren Ausbleiben) haben in der Vergangenheit verlässlich die Gewinner von US-Präsidentschaftswahlen bestimmt. Gab es zwei Jahre vor einer Wahl keine Rezession, gewann der amtierende Präsident die Wahl. Gab es zwei Jahre vor der Wahl eine Rezession, wurde der amtierende Präsident nicht wiedergewählt. Jüngstes Beispiel dafür ist der ehemalige Präsident Donald Trump.
Die derzeit amtierende US-Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Vereinigten Staaten vor einer Rezession zu bewahren. Im Rahmen des Investitionsprogramms Inflation Reduction Act (IRA) gab es – mit dem Ziel, die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln – hohe Staatsausgaben für die Infrastruktur. Hinzu kamen Schuldenerlasse bei Studienkrediten, um die verfügbaren Einkommen zu erhöhen. Dies führte zu höheren Konsumausgaben. Die Biden-Regierung hat zudem Anstrengungen unternommen, die Benzinpreise niedrig zu halten, indem sie Öl aus strategischen Erdölreserven freigegeben hat. Darüber hinaus gab es Bemühungen, den Liquiditätsabfluss zu minimieren, indem mehr Staatsschulden mit einer kürzeren Laufzeit aufgenommen wurden.
Misery Index
Inflation und Arbeitslosenquoten sind in der Regel wichtige Indikatoren für Wahlergebnisse. Der Misery Index (Elendsindex) addiert die saisonbereinigte Arbeitslosenquote und die Inflationsrate. In der Vergangenheit sagte der Index 15 der 16 Gewinner von Präsidentschaftswahlen voraus. Basierend auf historischen Wahlergebnissen seit 1980 hat ein amtierender Präsident bzw. eine amtierende Präsidentin demnach gute Chancen auf die Wiederwahl, wenn der Misery Index im Oktober vor der Wahl unter 7,353 liegt. Anfang Oktober lag der Index unter diesem Schwellenwert.
VIX Index
Der CBOE Volatility Index (VIX) stellt die Markterwartung für die Volatilität im US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 dar. In der Wahlsaison sind steilere VIX-Indexwerte zu beobachten; diese schwanken im Einklang mit dem Economic Policy Uncertainty Index (EPU), der anhand von Medienanalysen die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten in einem Land misst. In der Vergangenheit gewann in den USA in der Regel die amtierende Partei die Wahl im November, wenn der VIX im vorangegangenen Juli oder August seinen Höhepunkt erreichte. Nach der Wahl ist der VIX unabhängig vom Wahlergebnis immer gesunken. Anfang August 2024 erreichte der VIX mit 38,57 seinen bislang höchsten Wert dieses Jahres.
Was Republikaner und Demokraten in wichtigen Politikfeldern anstreben könnten.
Makroökonomie
Republikaner: Die Grand Old Party dürfte sich auf die Deregulierung der Wirtschaft konzentrieren und durch eine Verlängerung von Steuersenkungen einen positiven fiskalischen Impuls setzen. Donald Trump könnte Fed-Präsident Jerome Powell ersetzen, was zu einem Kurswechsel der Zentralbank führen könnte.
Demokraten: Durch die Beendigung der aktuellen Steuersenkungen könnte eine demokratische US-Regierung möglicherweise einen negativen fiskalischen Impuls erzeugen. Sie dürfte den Status quo der Fed-Politik beibehalten. Präsidentin Harris würde wahrscheinlich auf Bidens „Build Back Better“-Plan aufbauen und Themen wie Kinderfreibeträge bedienen.
Fiskalpolitik
Republikaner: Unter einer republikanischen Regierung könnte es eine Verlängerung des 3,3 Billionen US-Dollar umfassenden „Tax Cuts and Jobs Act“ (TCJA) von 2017 mit einem teilweisen Haushaltsausgleich geben. Eine Trump-Präsidentschaft könnte zu einer erneuten Verlängerung der Steuersenkungen führen, was zu einer Vergrößerung des bestehenden Haushaltsdefizits beitragen könnte. Es dürfte jedoch Kontroll- und Ausgleichsmechanismen geben, um sicherzustellen, dass die Steuererleichterungen weiterhin auf ein zeitlich bestimmtes Budget beschränkt bleiben.
Demokraten: Unter einer demokratischen Regierung könnte es eine teilweise Verlängerung der Steuersenkungen und eine partielle Abschaffung der Spitzensteuern geben. Ähnlich wie Biden dürfte sich Harris höchstwahrscheinlich darauf konzentrieren, die Steuersenkungen für die Mittelschicht beizubehalten und gleichzeitig zusätzliche Steuern für Unternehmen und Reiche zu erheben. Ob dies gelingt, würde jedoch von den Machtverhältnissen im Kongress abhängen – selbst wenn die Demokraten sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat gewinnen könnten, müssten sie in konservativen Staaten an Boden gewinnen, um diese Politik durchsetzen zu können.
Handel und Zölle
Republikaner: Unter Trumps Führung bestünden ein gestiegenes Risiko erhöhter Zölle gegen China und ein moderates Risiko globaler Zölle. Sollte Trump Präsident werden, könnte Indien stärker von der Verlagerung von Lieferketten aus China profitieren. Angesichts der zusätzlichen Kosten, die durch die Verlagerung und die möglichen chinesischen Vergeltungsmaßnahmen gegen diese Maßnahmen entstehen würden, könnten Mega-Cap-Aktien von höheren Zöllen betroffen sein.
Demokraten: Eine US-Präsidentin Harris würde wahrscheinlich die aktuellen Zölle gegen China beibehalten und gleichzeitig weitere gezielte Exportkontrollen für ausgewählte chinesische Sektoren orchestrieren. In ihrer jüngsten Ansprache erklärte Harris, dass „Amerika – nicht China – den Wettbewerb des 21. Jahrhunderts gewinnt“, und bekräftigte das US-Engagement für eine globale Führungsrolle bei künstlicher Intelligenz und anderen aufstrebenden Technologien.
Alles in allem könnte es, unabhängig davon, ob ab 2025 ein demokratischer oder ein republikanischer Präsident an der Macht ist, zu einer Abkehr vom lange Zeit forcierten Freihandel kommen, um eine wettbewerbsfähige Position der USA bei globalen Technologieentwicklungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Auch wenn eine demokratische Präsidentin und ein republikanischer Präsident unterschiedliche Zollsätze erheben könnten, ist es wahrscheinlich, dass es mehr Zölle zur Abschottung der Binnenwirtschaft geben wird.
Kulturelle Ideologien
Republikaner: Die Kernideologien der Republikanischen Partei drehen sich um individuelle Freiheit, freie Marktwirtschaft und niedrigere Steuern. Unter Trump könnte der Fokus wieder stärker auf illegale Einwanderung gerichtet werden. Themen rund um Abtreibung und Genderideologien würden voraussichtlich restriktiver behandelt.
Demokraten: Unter einer demokratischen Regierung würden voraussichtlich die Abtreibungsrechte und das Wahlrecht weiter gestärkt und insgesamt ein stärkerer Schwerpunkt auf soziale Fragen gelegt werden. Angesichts der Tatsache, dass soziale Gleichheit, bürgerliche Freiheiten und eine gerechtere kapitalistische Wirtschaft wichtige Säulen der Ideologie der Demokraten sind, würden sie wahrscheinlich eher eine Einwanderungsreform sowie eine Wahlreform unterstützen.
Außenpolitik
Republikaner: Unter einer erneuten Trump-Präsidentschaft würde der unilaterale Ansatz „Amerika zuerst“ möglicherweise stärker im Vordergrund stehen. Das würde bedeuten, dass mehr Mittel in die Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland fließen würden statt in deren Auslagerung ins Ausland. Die Ukraine könnte weniger Hilfen erhalten und die NATO weniger Unterstützung. Israel könnte möglicherweise mehr Militärgelder erhalten und die Allianzen mit dem Land dürften fortgesetzt werden.
Demokraten: Sollten die Demokraten die Kontrolle über das Weiße Haus behalten, wird erwartet, dass sie die bestehende multilaterale Zusammenarbeit mit anderen Nationen ausbauen und die Ukraine und Taiwan weiterhin unterstützen. Eine Präsidentin Harris würde wahrscheinlich in Joe Bidens Fußstapfen treten und Israel weiterhin mit Waffen unterstützen, während sie gleichzeitig einen Waffenstillstand im Nahen Osten fordern könnte. Darüber hinaus würde die NATO weiterhin unterstützt, um Amerikas „Verteidigungs- und Sicherheitsideale“ in der Weltwirtschaft aufrechtzuerhalten.
Kurzzusammenfassung
„Trump 2.0“
„Kamalanomics“
Implikationen für Sektoren
Republikanische Tendenzen
Angesichts der hohen Inflation und der gestiegenen Lebenshaltungskosten der vergangenen Jahre wird sich die Republikanische Partei voraussichtlich auf politische Maßnahmen und Themen konzentrieren, die darauf abzielen, diese Belastungen zu senken. Unter einer Trump-Präsidentschaft könnten die Steuersenkungen des TCJA von 2017 verlängert und die Einkommensteuer auf Sozialleistungen für Rentner abgeschafft werden.
Demokratische Tendenzen
Bei einer zweiten demokratischen Präsidentschaft in Folge würden wahrscheinlich viele der politischen Maßnahmen von Präsident Biden aus seiner ersten Amtszeit fortgeführt. Höhere Sozialausgaben und ein Schwerpunkt auf der Unterstützung der Mittelschicht würden erneut in den Mittelpunkt rücken.
Parteiunabhängig
Die Entwicklung wichtiger Branchen wie Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Verteidigung und Versorgungswirtschaft ist von dem Wahlergebnis eher unabhängig, auch wenn es aufgrund der starken Regulierung dieser Branchen zu kurzfristigen Schwankungen kommen kann.
Während kurzfristige Marktschwankungen vor der Wahl üblich sind, ist es wichtig, dieses Rauschen von den langfristigen Treibern der Aktienmarktentwicklung zu trennen, die von soliden Fundamentaldaten abhängen. Rückblickend scheinen die Aktienmärkte mittelfristig eher unbeeindruckt davon zu sein, wer ins Weiße Haus einzieht, was die alte Börsenweisheit bestätigt, dass politische Börsen kurze Beine haben.
Wahlen haben wenig Einfluss auf das aktuelle und unmittelbare Makroumfeld, können aber einen ernsthaften Einfluss auf das zukünftige wirtschaftliche Umfeld entfalten. Obwohl auch kurzfristig taktisch sinnvolle Entscheidungen getroffen werden könnten, sollten Anlageportfolios so aufgebaut sein, dass sie einen Wahlzyklus überdauern. In den meisten Fällen kann ein gut diversifiziertes Multi-Asset-Portfolio ein gangbarer Weg sein, um politische und makroökonomische Ereignisse zu meistern. Eine individuelle Anlagestrategie sollte auch weiterhin auf persönliche Zeitpläne, Liquiditätsanforderungen und Risikotoleranzniveaus zugeschnitten sein.
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Redaktionsschluss: 27. September 2024, 15 Uhr