Anleihen – 07.09.2023
Die wichtigsten Fakten:
Das Wirtschaftswachstum der Eurozone im zweiten Quartal 2023 fiel mit einem Plus von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal etwas stärker aus als erwartet. Insgesamt stagniert die Dynamik in der Eurozone derzeit jedoch, belastet vor allem vom Verarbeitenden Gewerbe, das seit mehr als einem Jahr schrumpft. Entsprechend schwach sind dessen Werte auch mit Blick auf das Verbrauchervertrauen, einem wichtigen konjunkturellen Frühindikator. Im Gegensatz dazu liegt das Vertrauen in den Dienstleistungssektor angesichts des Aufschwungs zum Jahreswechsel weiterhin im positiven Bereich. In den vergangenen beiden Monaten gab es jedoch Anzeichen dafür, dass auch dessen Erholung ins Stocken geraten ist. Trotz dieser schwachen Zahlen entwickelte sich der Markt für Unternehmensanleihen robust. Die Zinsdifferenzen (Spreads) für europäische Investment-Grade-Anleihen (IG) (Bloomberg Euro Corporate Bond Index) gegenüber deutschen Bundesanleihen mit vergleichbarer Laufzeit sind seit Jahresbeginn um 17 Basispunkte gesunken.
Zum Verständnis dieser Entwicklung bedarf es eines Blicks auf die Situation vor einem Jahr. Der Gaspreisschock infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte die Wachstumserwartungen im Euroraum für 2022 stark belastet. Viele Analysten rechneten damals damit, dass die Wirtschaft des Euroraums in einen tiefen Abwärtsstrudel geraten würde. Mittlerweile ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Rezession jedoch viel geringer, was die niedrigeren Spreads rechtfertigt. Zumal der Zinserhöhungszyklus der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits weit fortgeschritten sein dürfte. Einige Marktbeobachter gehen davon aus, dass die EZB bereits auf ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung im September aufgrund der schwachen Wirtschaftslage eine Zinspause einlegen wird.
Eine weitere deutliche Verengung der Spreads in absehbarer Zeit ist jedoch unwahrscheinlich. Die Prognosen deuten auf eine Stagnation des Wirtschaftswachstums in den kommenden Quartalen hin und die Nachfrage nach Unternehmenskrediten ist historisch niedrig – nicht zuletzt, weil die Kreditvergabekriterien verschärft wurden.
Ein Katalysator für die positive Entwicklung des EUR-IG-Segments waren auch die Verbesserungen der Ratings. Seit 2022 wurden Anleihen im Wert von mehr als 60 Milliarden Euro von BBB auf A und Anleihen im Wert von rund 30 Milliarden Euro von A auf AA heraufgestuft. Ein ähnlicher Trend konnte im High-Yield-Segment (HY) beobachtet werden, wo es insgesamt mehr Herauf- als Herabstufungen gab. Dort gelang Anleihen im Wert von fast 9 Milliarden Euro der Sprung von B auf BB beziehungsweise von CCC auf B. Mittlerweile könnten die Rating-Heraufstufungen ihren Höhepunkt jedoch bereits überschritten haben.
Energie und Grundstoffe, die beiden Sektoren, deren Erträge im zweiten Quartal am stärksten zurückgegangen waren, sind aktuell nur mit insgesamt etwa 8 Prozent im EUR-IG-Index und mit 11 Prozent im EUR-HY-Index vertreten. Dagegen machen Finanzwerte und zyklische Konsumgüter, von denen in diesem Jahr ein starkes Gewinnwachstum erwartet wird, in beiden Indizes zusammengenommen jeweils rund 50 Prozent aus. Darüber hinaus dürften die soliden Fundamentaldaten des Bankensektors dazu beitragen, die Spreads für Finanztitel zu senken. Aktuell werden sie im historischen 10-Jahres-Vergleich noch mit einem hohen Aufschlag gegenüber Nicht-Finanztiteln gehandelt. Da Finanzwerte allein rund 45 Prozent des EUR-IG-Index ausmachen, sollten die Auswirkungen einer Spread-Einengung auf das Niveau von vor den Finanzmarktturbulenzen im März nicht unterschätzt werden.
Trotz des wenig überzeugenden makroökonomischen Umfelds erwartet die Deutsche Bank eine weitere leichte Spread-Einengung bei EUR-Unternehmensanleihen. Das könnte entsprechende Investments für Anleger interessant machen. Zwar besteht ein gewisses Risiko, dass die Nachfrage japanischer Anleger nach EUR-Anleihen angesichts des jüngsten Renditeanstiegs auf ihrem Heimatmarkt nachlässt. Eine solche Entwicklung dürfte jedoch nicht abrupt verlaufen. Die aktuelle Rendite im Bereich der EUR-IG-Anleihen von 4,2 Prozent liegt nach wie vor in der Nähe des 10-Jahres-Hochs und könnte für weitere Zuflüsse in das Segment sorgen und die Preise treiben. Am EUR-HY-Markt sind noch höhere Renditen möglich, allerdings mahnen die steigenden Ausfallraten zur Vorsicht. Die emittentengewichtete 12-Monats-Ausfallrate ist bereits auf mehr als 2 Prozent gestiegen und könnte bis zum Jahresende die 3-Prozent-Marke überstiegen haben.
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Redaktionsschluss: 05. September 2023, 15.00