Aktien, Volkswirtschaft / Geldpolitik – 26.01.2024
Die wichtigsten Fakten:
Smart Mobility zielt darauf ab, Technologien zu nutzen, um unsere persönlichen und sozialen Mobilitätssysteme zu verbessern. Dabei soll der Verkehr nicht nur billiger, schneller und sicherer werden, sondern angesichts des Klimawandels und der Ressourcenknappheit auch das Kriterium der Nachhaltigkeit erfüllen.
Im Fokus einer Mobilitätswende stehen vor allem technologische Entwicklungen, zum Beispiel bei Kraftfahrzeugen oder der Mobilitätsinfrastruktur. Technologie funktioniert jedoch nicht in einem Vakuum; es gilt auch, die sozialen und politischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Insgesamt wird Mobilität oft als technologisches Problem dargestellt, jedoch ist die primäre Herausforderung möglicherweise eine soziale.1
Smart Mobility basiert auf drei Grundsätzen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Dabei geht es um
Mobilität und Verkehrssysteme sind von großer wirtschaftlicher Bedeutung. In den USA2 und der EU3 macht der Sektor jeweils mehr als 5 Prozent des entsprechenden Bruttoinlandsprodukts aus. Dabei beschränkt sich der Beitrag des Sektors zur Wirtschaft nicht nur auf seine direkten Auswirkungen, sondern er erstreckt sich auch auf indirekte Auswirkungen, die noch weitaus größer sind, etwa seine Rolle bei der Anbindung von Waren und Dienstleistungen an die Märkte, den Zugang zu Arbeitsplätzen, Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die Förderung des Wirtschaftswachstums.4
Auf der anderen Seite sind nach dem kurzfristigen Rückgang während der COVID-19-Pandemie die Fragen zur Nachhaltigkeit im Verkehrssektor durch die gestiegene Nachfrage nach Mobilität wieder dringlicher geworden. Im Jahr 2021 trug der Verkehrssektor schätzungsweise 37 Prozent zu den globalen CO₂-Emissionen nach Endverbrauchssektoren bei5, mit dem Straßenverkehr als größter Verschmutzer. Dabei spielt die anhaltende Urbanisierung der Weltbevölkerung eine wichtige Rolle. Prognosen zufolge wird die Stadtbevölkerung bis 2050 um 2,5 Milliarden Menschen zunehmen.6 Im Zuge des steigenden Mobilitätsbedarfs durch die Ausdehnung der Ballungsräume zur Unterbringung der wachsenden Bevölkerung wird zur Bereitstellung von Mobilitätssystemen zudem immer mehr Boden mit zum Beispiel Asphalt oder Beton versiegelt. Diese zusätzlichen Probleme erfordern nachhaltige und effiziente Lösungen, um die negativen Auswirkungen der Mobilität auf die Ökosysteme, das Wassermanagement und die Biodiversität zu verringern.7
Die Frage der Dekarbonisierung steht zu Recht im Fokus der Überlegungen hinsichtlich der Umstellung auf neue Technologien im Verkehrssektor. Denn noch immer machen fossile Brennstoffe 91 Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehr aus. Dies entspricht einem Rückgang von nur drei Prozentpunkten gegenüber den frühen 1970er-Jahren.
In diesem Zusammenhang hat sich die Elektrifizierung von Kraftfahrzeugen als die vielversprechendste Option zur Verringerung der Treibhausgasemissionen erwiesen. Auch weil die Fortschritte, etwa beim Wasserstoffantrieb, bislang nur schleppend verlaufen und nach wie vor grundsätzliche Fragen bezüglich der Umsetzbarkeit und der Umweltauswirkungen dieser Technologie bestehen. Durch die Nutzung von E-Fahrzeugen dagegen können weltweit bereits heute rund 0,7 Millionen Barrel Erdöl pro Tag eingespart werden.8 Vor allem in China und Europa steigen die Absatzzahlen elektrisch angetriebener Fahrzeuge weiter an, während sich die Vormachtstellung der Verbrennungsmotoren abschwächt – ein Trend, der zunehmend auch auf Nutzfahrzeuge (zum Beispiel Busse und Lkw) übergreifen dürfte.
Quelle: Bloomberg, Deutsche Bank AG. Stand: August 20239
Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.
Warum Busse und Züge relevant bleibenAllerdings sind auch Elektrofahrzeuge bei der Verringerung der Verkehrsemissionen kein Allheilmittel. Ebenso wichtig ist die Weiterentwicklung von hybriden, fortschrittlichen Kraftstoffen und einer effizienteren Verbrennung.10 Zumal die zunehmende Nutzung batteriebetriebener Elektrofahrzeuge (BEV) eine deutlich verbesserte Ladeinfrastruktur sowie eine neue Stromerzeugungs- und verteilungsinfrastruktur erfordert. Auch wenn die verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen die direkten CO₂-Emissionen und die meisten mit der Fahrzeugnutzung verbundenen Umweltverschmutzungen verringern dürfte, verursacht der Herstellungsprozess von Elektrofahrzeugen selbst CO₂-Emissionen und verbraucht eine Reihe endlicher Rohstoffe. Für ein Standard-Elektrofahrzeug werden beispielsweise sechsmal so viele Mineralien benötigt wie für sein konventionelles Pendant.11 Daher gilt es, den Fokus auch auf die beiden anderen Herausforderungen von Smart Mobility zu legen: Optimierung und Priorisierung.
Optimierung bedeutet, Mobilitätsressourcen so effizient wie möglich zu nutzen, etwa durch verbesserte Konnektivität, Digitalisierung und andere technologische Fortschritte. Zu den aktuellen Schlagwörtern in diesem Zusammenhang gehören Shared Mobility, autonome Fahrzeuge und Mikromobilität.
Quelle: IEA, Deutsche Bank AG. Stand: August 202317, 18
Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.
Die Umsetzung von Smart Mobility bedarf letztlich auch der Priorisierung von Zielen und Bedürfnissen sowie der Steuerung der Mobilitätsnachfrage, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dabei kann der Versuch, Prioritäten für Verkehrslösungen zu setzen, durchaus umstritten sein, wie die Erhebung von Straßenmaut, Straßensteuern oder Flughafenabfluggebühren zeigt. Aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten dürfte sich die Priorität dahin verlagern, die Nutzung bestimmter Verkehrsmittel (zum Beispiel älterer Autos) entweder durch ausdrückliche Verbote oder durch Preiserhöhungen einzuschränken.
Dieser vermehrte Eingriff in die Nachfragesteuerung birgt einen Konflikt: Einerseits können Eingriffe helfen, die Ziele zum Schutze der Umwelt und zur effizienteren Nutzung der Infrastruktur zu erreichen. Andererseits stellen sie einen starken Eingriff in eine freiheitliche Gesellschaft dar und wirken zudem wie eine regressive Besteuerung, bei welcher wirtschaftlich schwächere Haushalte überproportional belastet werden. Ein Verkehrsmanagement, das sich darauf beschränkt, die Preise für bestimmte Verkehrsträger zu erhöhen, und nicht in andere Verkehrsträger investiert, ist deshalb zum Scheitern verurteilt.
Allerdings gibt es Anzeichen für Fortschritte bei den Verkehrsinvestitionen: 25 Prozent der in Betrieb befindlichen U-Bahn-Linien und 10 Prozent der in Betrieb befindlichen Stadtbahnen wurden allein in den Jahren 2017 bis 2021 gebaut, hauptsächlich in China.19 Außerdem wissen wir bereits, dass Preise das Verbraucherverhalten stark beeinflussen können. Die Erfahrung vieler Städte, die Staugebühren eingeführt haben, zeigt, dass die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln steigt: In London stieg die Busnutzung innerhalb eines Jahres um 37 Prozent.20 Die Subventionierung öffentlicher Verkehrsmittel hat einen ähnlichen Effekt. In Deutschland gewährte das vorübergehend erhältliche, vom Staat subventionierte „9-Euro-Ticket“ Zugang zu allen öffentlichen Verkehrsmitteln (mit Ausnahme des Fernverkehrs): 17 Prozent aller Käufer hatten zuvor keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzt.21
Die Bemühungen der Regierungen könnten auch dahin gehen, dass sie die Stadtplanung völlig neu überdenken, um nachhaltige und lebenswerte Städte für künftige Generationen zu fördern. Gemischt genutzte Stadtviertel, die einen einfachen Zugang zu wichtigen Dienstleistungen bieten, könnten die Bewohner dazu ermutigen, alternative Verkehrsmittel zu nutzen. Ein beispielhaftes Konzept, das die urbane Mobilität verändern und die Lebensqualität in der Stadt erhöhen soll, ist die 15-Minuten-Stadt, innerhalb der soziale Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Handel, Gesundheit, Bildung und Unterhaltung innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen sind.22 Die Umsetzung solcher Konzepte würde zu erheblichen Verkehrsverlagerungen führen und könnte sogar notwendig werden.
1 World Bank (2023). Abgerufen unter: https://www.worldbank.org/en/topic/transport/overview.
2 Bureau of Transportation Statistics (2022). Abgerufen unter: https://www.bts.gov/newsroom/transportation-services-contributed-56-us-gdp-2021-increase-54-2020-below-58-2019.
3 European Commission (2021). Abgerufen unter: https://transport.ec.europa.eu/system/files/2021-04/2021-mobility-strategy-and-action-plan.pdf.
4 World Bank (2023). Abgerufen unter: https://www.worldbank.org/en/topic/transport/overview.
5 IEA (2023). Abgerufen unter: https://www.iea.org/topics/transport.
6 UN Population Division (2018). Abgerufen unter: https://population.un.org/wup/.
7 Xiao et al. (2013). Abgerufen unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/ S0341816213001045.
8 IEA (2022). Abgerufen unter: https://www.iea.org/reports/global-ev-outlook-2023.
9 Bloomberg Intelligence (2023).
10 Co-Optima (2022). Abgerufen unter: https://www.energy.gov/sites/default/files/2022-06/beto-co-optima-fy15-fy21-impact.pdf.
11 IEA (2021). Abgerufen unter: https://www.iea.org/reports/the-role-of-critical-minerals-in-clean-energy-transitions.
12 Eurostat Passenger Mobility Statistics (2022).
13 McKinsey (2022). Abgerufen unter: https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/industries/automotive Prozent20and Prozent20assembly/our Prozent20insights/the Prozent20road Prozent20to Prozent20affordable Prozent20autonomous Prozent20mobility/the-road-to-affordable-autonomous-mobility.pdf.
14 Wadud, Z. et al. (2016). „Help or hindrance? The travel, energy and carbon impacts of highly automated vehicles“. Transportation Research Part A 86: 1–18.
15 Keoleian, G., et al. (2016). Road Map of Autonomous Vehicle Service Deployment Priorities in Ann Arbor. CSS 16–21.
16 Gawron, J., et al. (2018). „Life Cycle Assessment of Connected and Automated Vehicles: Sensing and Computing Subsystem and Vehicle Level Effects“. Environmental Science & Technology 52 (5): 3249–3256.
17 TUMI (2018). Abgerufen unter: https://www.transformative-mobility.org/wp-content/uploads/2023/03/Passenger-Capacity-of-different-Transport-Modes_2021-09-08-071924_mmuh-AQ55yh.pdf.
18 IEA (2023). Abgerufen unter: https://www.iea.org/energy-system/transport/rail.
19 IEA (2022). Abgerufen unter: https://www.iea.org/energy-system/transport/rail.
20 Center for Public Impact (2016). Abgerufen unter: https://www.centreforpublicimpact.org/case-study/demand-management-for-roads-in-london.
21 VDV (2022). Abgerufen unter: https://www.vdv.de/bilanz-9-euro-ticket.aspx.
22 Moreno et al. (2021). Abgerufen unter: https://www.mdpi.com/2624-6511/4/1/6.
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Redaktionsschluss: 22. Januar 2024, 15 Uhr