Aktien, Volkswirtschaft / Geldpolitik – 26.01.2024
Die wichtigsten Fakten:
Technologische Innovationen sind ein wesentlicher Treiber für den Fortschritt im Mobilitätsbereich. Allerdings wird die technologische Entwicklung die dreifache Herausforderung nicht lösen: Dekarbonisierung des Verkehrssektors, Erhöhung der Verkehrssicherheit und Verbesserung der Lebensqualität in dichter werdenden Stadträumen.
Vor allem in städtischen Gebieten wird die technologische Innovation daher mit einem ebenso wichtigen Paradigma in Einklang gebracht und oft auch durch dieses herausgefordert: der sozialen Innovation. Was bedeutet das? Anstatt sich auf technische und technologische Lösungen zu konzentrieren, geht es bei sozialer Innovation um die Art und Weise, wie wir Dinge tun und wie wir uns organisieren. Soziale Innovation fordert nicht elektrifizierte oder autonome Autos. Stattdessen wird eine völlig andere Art und Weise vorgestellt, wie wir mit unserer städtischen Umwelt interagieren. Es ruft nach Städten, die sich an dem orientieren, was der dänische Architekt Jan Gehl den menschlichen Maßstab nennt. Dies bedeutet kürzere Reisewege, eine grünere, angenehmere Umwelt und aktive Fortbewegungsarten wie Gehen und Radfahren.
Diese Ideen leiten die Stadtplanung in verschiedenen Städten wie Kopenhagen, Amsterdam, Barcelona und Paris. In der französischen Hauptstadt beispielsweise ist die 15-Minuten-Stadt zum Leitgedanken der Stadtentwicklung geworden. Diese Idee besagt, dass Menschen alle relevanten Aspekte des Lebens – Einkaufen, Schule, Arbeit usw. – innerhalb eines Umkreises von 15 Minuten Fahrzeit von ihrem Wohnort aus erledigen können sollen. Die 15-Minuten-Stadt hat die Mobilität im Zentrum von Paris erheblich verändert. Das Fahrrad ist zu einer viel verbreiteteren Art geworden, sich von A nach B zu bewegen, und das Auto wurde in vielerlei Hinsicht zurückgedrängt.
Dieses Paradigma sozialer Innovation scheint zunächst im Widerspruch zu Großinvestitionen zu stehen, da es mit weniger Autos und oft auch mit insgesamt weniger Mobilität einhergeht. Gleichzeitig eröffnen diese neuen Formen der Planung urbaner Mobilität jedoch mindestens zwei große Chancen.
Die erste Chance betrifft Investitionen in städtische und regionale öffentliche Verkehrssysteme. Ein hochwertiger öffentlicher Verkehr ist eine Schlüsselkomponente für die Schaffung nachhaltiger und lebenswerter Städte. Paris ist hier ein typisches Beispiel. In Kombination mit den Bemühungen, die Innenstadt grüner, lebenswerter und weniger autozentriert umzugestalten, plant die Stadt, ihr Schienennetz bis zum Jahr 2030 um 200 Kilometer und 68 Bahnhöfe zu erweitern. Dafür ist eine Investition von mehr als 35 Milliarden Euro geplant, die das Pariser Netzwerk fast verdoppeln wird. Eine ähnliche Diskussion ist kürzlich auch in Berlin unter dem Label „Expressmetropole Berlin“ entstanden, einem Vorschlag, der eine Verlängerung des Berliner Schienennetzes um mehr als 170 Kilometer vorsieht.
Die zweite Chance hat einen starken Bezug zur Mobilität, geht aber über die Grenzen dieses Bereichs hinaus: Städte klimaresistent machen. Durch die globale Erwärmung wird es in Städten viel heißer als heute. Darüber hinaus werden voraussichtlich weitere extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Stürme die große Infrastruktur vor Herausforderungen stellen. Die Verkehrsinfrastruktur selbst wird von diesen Entwicklungen zunehmend betroffen sein. Diese Infrastruktur muss an neue, klimabedingte Herausforderungen angepasst werden.
Darüber hinaus haben lebenswerte und grüne Städte eine starke Verbindung zu einem anderen Teil der Klimaresilienz. Soziale Innovation propagiert die Entsiegelung urbaner Flächen, also den Ersatz von Straßen und Parkplätzen durch Parks und Bäume. Diese Veränderungen haben das Senken der Oberflächentemperatur in Städten und das Erhöhen der Absorption von Starkregen bewirkt.
Solche Entwicklungen finden zunehmend in großem Maßstab statt. Kopenhagen ist hier ein wichtiges Beispiel. Nachdem die dänische Hauptstadt 2011 von heftigen Regenfällen getroffen wurde, beschloss die Stadt, sich mit dem sogenannten Skybrudsplan in eine Schwammstadt umzuwandeln – und investierte dafür 1,8 Milliarden Euro. Ein verbessertes und neu errichtetes Netzwerk aus Kanälen und Stauseen wird dazu beitragen, den Regenwasserfluss zu optimieren und überschüssiges Wasser aufzufangen, das anderenfalls der Infrastruktur, der Wirtschaft und der Bevölkerung der Stadt schaden könnte. Weltweit schätzt die Weltbank den Investitionsbedarf auf jährlich 11 bis 20 Milliarden US-Dollar bis 2050, um Städte klimaresistent zu machen.
Während das Paradigma der technologischen Innovation wichtig bleibt, muss es insbesondere im Kontext der städtischen Gebiete gesehen werden. Über die technologische Innovation hinaus und den Einstieg in soziale Innovationen ergeben sich jedoch zusätzliche Chancen: Investitionen in öffentliche Verkehrssysteme und die Umgestaltung zu klimaresistenteren Städten sind aus Investitionsperspektive vielversprechend.
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Redaktionsschluss: 22. Januar 2024, 15 Uhr