Volkswirtschaft/Geldpolitik – 26.05.2023
Die wichtigsten Fakten:
Weltweit blicken Anleger mit zunehmender Sorge auf die Verhandlungen zur Anhebung der Schuldenobergrenze in den Vereinigten Staaten. Sollte es zu keiner Einigung im Schuldenstreit kommen, droht schon Anfang Juni ein Zahlungsausfall der größten Volkswirtschaft der Welt – dafür gibt es bislang keinen Präzedenzfall.
Eigentlich hatten die USA ihr finanzielles Limit bereits am 19. Januar 2023 erreicht: Mit einer Verschuldung von 31,4 Billionen US-Dollar wurde die zuletzt im Dezember 2021 vom US-Kongress angehobene Schuldenobergrenze überschritten. Das bedeutete, dass sich die US-Regierung über den Markt für Staatsanleihen kein weiteres Geld mehr leihen durfte, um die verschiedenen staatlichen Vorhaben zu finanzieren.
Seither finanziert sich der Staat mithilfe „außerordentlicher Maßnahmen“. Doch auch diese könnten bald ausgeschöpft sein: Nach Angaben des überparteilichen Congressional Budget Office (CBO) verfügte das Finanzministerium am 30. April über Barmittel in Höhe von rund 316 Milliarden US-Dollar sowie verbleibende außerordentliche Mittel in Höhe von schätzungsweise 41 Milliarden US-Dollar. Bleibt die Schuldengrenze unverändert, besteht ein erhebliches Risiko, dass die liquiden Mittel und außerordentlichen Mittel des Finanzministeriums irgendwann in den ersten beiden Juniwochen aufgebraucht sein könnten. Sobald dieser Zeitpunkt erreicht ist, müsste die Regierung Zahlungen für einige Vorhaben verschieben, ihre Schulden nicht bedienen oder beides. Sollten sich jedoch die Barmittel und außerordentlichen Mittel des Finanzministeriums als ausreichend erweisen, um die Regierung bis zum 15. Juni zu finanzieren, schätzt das CBO, dass die erwarteten vierteljährlichen Steuereinnahmen sowie zusätzliche außerordentliche Einnahmen es der Regierung wahrscheinlich ermöglichen würden, ihre Ausgaben mindestens bis Ende Juli zu finanzieren.
Führende Vertreter beider Parteien im US-Senat zeigten sich zuletzt optimistisch, dass rechtzeitig eine Einigung erzielt werden könnte. Allerdings liegen die Positionen von Demokraten und Republikanern noch recht weit auseinander. Während die Republikaner im Repräsentantenhaus am 26. April den „Limit, Save, Grow Act“ verabschiedet haben, der Maßnahmen zur Defizitreduzierung in Höhe von fast 4,8 Billionen US-Dollar mit einer Anhebung der Schuldenobergrenze bis zum nächsten Jahr vorsieht, planen die Demokraten im Senat, diesen Gesetzentwurf zu ignorieren und einen Gesetzentwurf zur klaren Schuldenbegrenzung zu fordern.
Trotz ihrer gegensätzlichen Positionen dürften sowohl Demokraten als auch Republikaner einen Anreiz haben, eine Lösung zu finden. Denn Umfragen zeigen, dass die Wähler bei Turbulenzen dieser Größenordnung dazu neigen, beide Seiten dafür verantwortlich zu machen. Derzeit scheinen mehrere Verhandlungsergebnisse möglich:
Sollten die Verhandlungen scheitern und der Stichtag überschritten werden, wären weitere Szenarien denkbar:
Die Deutsche Bank rechnet damit, dass das US-Finanzministerium seinen Verpflichtungen auch in Zukunft nachkommen wird. Seit 1960 gelang es dem US-Kongress stets, eine Einigung über ein neues Gesetz zur Schuldenobergrenze zu erzielen, bevor der „Stichtag“ erreicht wurde. Derzeit führt das politische Risikomanöver beider Seiten – in der Überzeugung, dass die andere Partei zuerst Kompromisse eingehen wird –, selbst zu einer erhöhten Marktvolatilität und treibt die Weltwirtschaft in ungewisse Gefilde. Ein von der Deutschen Bank nicht erwarteter Zahlungsausfall hätte schwerwiegende Folgen für die globalen Finanzmärkte. Nach heutigem Stand scheint es jedoch Licht am Ende des politischen Tunnels zu geben und der Optimismus wächst, dass eine Einigung zwischen Demokraten und Republikanern erzielt werden kann. Angesichts der Unvorhersehbarkeit der US-Politik dürften die Anleger jedoch erst aufatmen, wenn ein neuer Deal zur Unterzeichnung auf Präsident Joe Bidens Schreibtisch liegt und er ihn auch unterschreibt.
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Redaktionsschluss: 25.05.2023, 15.00