Bahngleis. Nattapat (generiert mit KI)/Adobe Stock

Bildquelle: Nattapat (generiert mit KI)/Adobe Stock

Auf dem Frühjahrsgipfel der Europäischen Union am 20. und 21. März hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten den Plan der Kommission, bis 2030 verteidigungsfähig zu werden, gebilligt. Der Plan „ReArm Europe“, der Anfang März von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellt wurde, zielt darauf ab, die EU auf mögliche Veränderungen in den transatlantischen Beziehungen vorzubereiten. In diesem Zusammenhang ist vorgesehen, die Ukraine durch finanzielle und militärische Hilfe zu unterstützen, die strategischen Verteidigungsfähigkeiten Europas durch die Förderung der europäischen Rüstungsproduktion zu stärken und die EU durch Investitionen in strategisch wichtige Systeme wie Raketenabwehr, militärische Mobilität und Cybersicherheit auf mögliche künftige Sicherheitskrisen vorzubereiten.

Um die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, und zugleich private Investitionen in Verteidigung zu stärken, sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  1. Finanzielle Flexibilität: Vorübergehende Aussetzung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts, damit die EU-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen können, ohne mit einem Defizitverfahren rechnen zu müssen. Bei einer angenommenen Ausweitung der Verteidigungsausgaben um rund ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU-Staaten ergäbe sich über den vorgesehenen Zeitraum von vier Jahren ein Investitionsvolumen von rund 650 Milliarden Euro.
  2. Verteidigungsdarlehen: Die EU-Kommission stellt den Mitgliedstaaten insgesamt 150 Milliarden Euro für gemeinsame Verteidigungsprojekte zur Verfügung. Förderfähig ist die Beschaffung von Rüstungsgütern (z.B. Artillerie, Raketen, Munition, Drohnen und Anti-Drohnen-Systeme, Luft- und Raketenabwehrsysteme) aus europäischer Produktion – einschließlich europäischer Hersteller aus Großbritannien, Norwegen und der Schweiz.
  3. Umwidmung bestehender EU-Mittel für Verteidigungsinvestitionen, z.B. des Kohäsionsfonds.
  4. Aufhebung bestehender Kreditbeschränkungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) und Stärkung ihrer Rolle bei der Unterstützung von Unternehmen im Verteidigungssektor.
  5. Um privates Kapital für Verteidigungszwecke zu mobilisieren, soll ein Mechanismus zur Förderung von privaten Investitionen im Verteidigungsbereich geschaffen werden.

Investment auf breites Fundament stellen

Die Ankündigung dieser umfangreichen Investitionen hat zu deutlichen Kursgewinnen bei europäischen Rüstungsunternehmen geführt. Der STOXX Europe Total Market Aerospace & Defense Index legte in den vergangenen zwölf Monaten um gut 37 Prozent zu, in diesem Jahr um mehr als 32 Prozent. Allerdings werden die Aktien inzwischen auch mit mehr als dem 47-Fachen der erwarteten jährlichen Gewinne gehandelt. Zum Vergleich: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des STOXX Europe 600 liegt auf Basis der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Gewinne bei gut 15 – trotz eines Kursanstiegs von neun Prozent seit Jahresbeginn.

Historische Wertwentwicklung

Quelle: Deutsche Bank AG, Bloomberg Finance L.P., LSEG Datastream; Stand: 24.03.2025. Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Dennoch könnte die Rallye der Rüstungsaktien noch eine Weile anhalten. Schließlich fließen nicht nur europäische Gelder in den Sektor. Auch die europäischen Nationalstaaten schnüren Haushaltspakete für die Landesverteidigung. Richtig ist aber auch, dass in den Aktienkursen bereits viele positive Erwartungen eingepreist sind. Investoren sollten daher Vorsicht walten lassen und die gesamte Wertschöpfungskette von Verteidigungsinvestitionen berücksichtigen. Dazu gehören Rohstoffe ebenso wie die entsprechenden Technologieentwickler.

Ein weiterer Aspekt ist die Realisierbarkeit der angekündigten Verteidigungsausgaben. Zwar will die EU mittelfristig bis zu 800 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben, aber bürokratische Hürden, langwierige Ausschreibungsverfahren und die Notwendigkeit einer europäischen Koordination könnten eine schnelle Allokation und Verwendung der Mittel verzögern. Diese Faktoren könnten dazu führen, dass die erwarteten positiven Auswirkungen auf die Umsätze der Rüstungsunternehmen später eintreten als von den Investoren erhofft.

„ReArm Europe“: bis zu 800 Milliarden Euro für die europäische Verteidigung – interessante Möglichkeiten für Anleger?

Der europäische Verteidigungssektor steht vor großen Veränderungen, die sowohl Chancen als auch Risiken für Anleger mit sich bringen. Während politische Zusagen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben positive Signale senden, sollten Investoren die praktischen Herausforderungen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen nicht unterschätzen. Hinzu kommt die starke Fragmentierung der europäischen Verteidigungsindustrie. Eine sorgfältige Analyse und ein abgewogenes Vorgehen sind daher entscheidend, um in diesem dynamischen Umfeld erfolgreiche Anlageentscheidungen zu treffen.

Glossar

  • Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll mit eigenen Investitionen die wirtschaftspolitischen Ziele der Europäischen Union (EU) vorantreiben. Anteilseigner sind die EU-Mitgliedsländer.
    • Die Europäische Kommission (EK) ist das Exekutivorgan der Europäischen Union (EU), das die Interessen der EU als Ganzes repräsentiert.
      • Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (engl.: Price/Earnings (P/E)) ist eine Kennzahl zur Bewertung von Aktien. Es setzt den Kurs der Aktie ins Verhältnis zum Reingewinn des entsprechenden Unternehmens je Aktie.
        • Der STOXX Europe 600 Index ist ein Aktienindex, der die Wertentwicklung der Papiere von insgesamt 600 der größten Unternehmen aus 17 Ländern der Europäischen Union abbildet.
          • Der STOXX Europe Total Market Aerospace & Defense Index setzt sich aus Unternehmen zusammen, die gemäß der Klassifizierung des Industry Classification Benchmark (ICB) dem Sektor „Aerospace & Defense“ zugeordnet werden.

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          Redaktionsschluss: 25.03.2025, 15 Uhr

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