Aktien – 26.10.2022
Klimawandel, Ressourcenknappheit, Inflation, geopolitische Spannungen – die Liste der aktuellen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen ließe sich noch weiter fortsetzen. In diesem Umfeld erscheint vielen Anlegern die Gefahr einer globalen Finanzmarktkrise virulent. Zwar lässt sich diese Möglichkeit nicht vollends ausschließen. Allerdings könnten die nach wie vor soliden Rahmenbedingungen in den Industrieländern – sowohl auf staatlicher als auch auf unternehmerischer Seite – sowie die zuletzt deutlich gefallenen Aktienmarktbewertungen in einigen Bereichen auf mittlere Sicht auch interessante Investmentmöglichkeiten bieten.
In Erwartung einer erhöhten Inflation sowie steigender Staatsverschuldungen und damit eines möglichen weiteren Gegenwinds für Anleihen hoher Bonität setzt die Deutsche Bank ihren Schwerpunkt aus Portfoliosicht für die kommenden Jahre auf den Aktienmarkt. Herausfordernd dürften dabei vor allem eine anhaltend hohe Volatilität und die im Zuge steigender Zinsen erwarteten sinkenden Bewertungsniveaus sein. Dadurch dürften die Renditeerwartungen auf Gesamtmarktebene in Zukunft geringer ausfallen als in vergangenen Jahren. Umso wichtiger erscheint eine gezielte Auswahl einzelner Investmentbereiche und Unternehmen sowie insgesamt eine dynamische Asset-Allokation.
Im Fokus stehen dabei für die Deutsche Bank mittelfristige Markttreiber, in die – weitestgehend unabhängig von kurzfristigen Entwicklungen – in den kommenden drei bis fünf Jahren hohe staatliche und private Investitionen fließen könnten, sowie die damit in direkter Verbindung stehenden Unternehmen, die von einer zunehmenden Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen profitieren dürften.
Im Folgenden werden einige besonders interessant erscheinende mittelfristige Markttreiber vorgestellt, die sich drei Hauptthemen zuordnen lassen:
Zu beachten ist dabei grundsätzlich, dass ein Erfolg entsprechender Anlagemöglichkeiten auch davon abhängt, dass sich in den kommenden Jahren ein zumindest leicht optimistischeres Investmentumfeld etablieren kann, in dem die fundamentalen Wirtschafts- und Unternehmensdaten wieder stärker in den Fokus genommen werden.
Ökonomischer Rahmen | Technologie und Forschung als Wachstumstreiber
Eine höhere Produktivität, also die Steigerung des Outputs im Verhältnis zum Input, ist eine entscheidende Quelle für gesellschaftlichen Wohlstand. Im Umfeld des demografischen Wandels, des damit einhergehenden Arbeitskräftemangels und zunehmenden Lohndrucks sowie angesichts notwendiger Investitionen – etwa in die grüne Transformation der Wirtschaft – wird es für Unternehmen immer wichtiger, ihre Ressourcen effizienter einzusetzen, um Wettbewerbsfähigkeit und Margen zu verteidigen. Während in Schwellenländern das Wachstumspotenzial für die Produktivität in allen Sektoren gleichermaßen vorhanden ist, dürfte in den Industrieländern vor allem der Dienstleistungsbereich Potenzial bieten, etwa durch eine fortschreitende Digitalisierung oder die Möglichkeiten zur Verarbeitung immer größerer Daten.
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Cloud-Computing |
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KI – Biotechnologie | Investments: Biotech, Big Pharma, Big Tech (Cloud-Computing), Venture-Capital-Fonds
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KI – autonomes Fahren | Investments: Technologieanbieter und -nutzer. Software, Halbleiter, Cloud-Computing, 5G, Flottenbetreiber, Erstausrüster (OEMs)
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Zukunft des Lernens | Investments: Aktien von Bildungsunternehmen
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Industrielle Automatisierung – Robotik | Investments: Robotikunternehmen mit Absatzschwerpunkt Schwellenländer
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Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Saubere Technologien (Clean Tech) | Investments: Unternehmen mit komplexeren Geschäftsmodellen, zum Beispiel Installationsanbieter für integrierte Solarenergiesysteme, Marktführer und diversifizierte Unternehmen; Roh- und Grundstoffe für die Elektrifizierung; Nutzer sauberer Energien
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Elektromobilität / Batterien | Investments: Batterieproduzenten, Grundstoffe, OEMs, Ladelösungen
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Ökonomischer Rahmen | Gekommen, um längerfristig zu bleiben
Zumindest in den USA – wo der Wirtschaftszyklus schon weiter fortgeschritten ist als in der Eurozone – dürfte die Inflation bereits auf kurze Sicht abnehmen. Die Eurozone sollte mit einigen Monaten Abstand folgen. Mittelfristig könnten aber sowohl in den USA als auch in der Eurozone die Teuerungsraten deutlich über den Vor-Corona-Niveaus und damit über der 2-Prozent-Marke verharren. Die Gründe dafür sind unter anderem struktureller Natur, etwa die Alterung vieler Gesellschaften, die abnehmende Dynamik der Globalisierung oder die grüne Transformation der Wirtschaft – Entwicklungen, die über lange Zeiträume mit hohen zusätzlichen Ausgaben verbunden sind. Die zukünftige Geldpolitik der Notenbanken wiederum dürfte sowohl von den genannten strukturellen als auch von zyklischen Faktoren beeinflusst werden.
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Inflation allgemein |
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Ökonomischer Rahmen | Gesunde Länder und Unternehmen im Fokus
Mit der Rückkehr der Zinsen im laufenden Jahr ist auch die Schuldenproblematik vor allem auf Länderebene wieder in den Fokus der Marktteilnehmer gerückt: Zur Abfederung der Auswirkungen pandemiebedingter Lockdowns hatten viele Industrieländer schuldenfinanzierte Fiskalpakete aufgelegt, die ihren Verschuldungsgrad im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung in die Höhe schnellen ließ. Noch ist in vielen Regionen das Wirtschaftswachstum zwar robust. Dies kann sich in Zukunft jedoch jederzeit ändern. Auf Unternehmensebene ist aufgrund der niedrigen Zinsniveaus in den vergangenen Jahren und der damit einhergehenden sinkenden Finanzierungskosten ein deutlicher Anstieg unprofitabler Unternehmen zu beobachten gewesen. Diese „Zombiefirmen“ sind unter anderem durchschnittlich eher klein, weniger produktiv, höher verschuldet – und damit ähnlich wie hoch verschuldete Länder anfälliger für steigende Zinsen. Aus Portfoliosicht könnte es für Anleger daher ratsam erscheinen, mögliche Engagements am Kapitalmarkt zunächst auf ihre Resistenz gegenüber strukturell steigenden Zinsen abzuklopfen.
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Verschuldung allgemein |
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Struktureller Wandel | Der Kampf um die globale Vorherrschaft
In den vergangenen Jahren haben sich die Entwicklungen hin zu einer Abschwächung der Globalisierungsdynamik sowie einem wirtschaftlichen und politischen Auseinanderdriften einzelner Regionen verstärkt. Insbesondere die beiden weltweit größten Volkswirtschaften USA und China stehen in vielen Bereichen mehr denn je in direkter Konkurrenz zueinander – und verfolgen ihren eigenen Weg –, während sich der Rest der Welt immer häufiger für eine Seite entscheiden muss. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist in der Abhängigkeit der einzelnen Volkswirtschaften von internationalen Handelsbeziehungen zu finden: Die Wirtschaftsleistung der USA beispielsweise wird zu rund 70 Prozent im eigenen Land erwirtschaftet – das ist der höchste Anteil unter den Industrieländern. Im Vergleich: Nur 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone wird in Europa erzielt. Chinas heimischer Markt trägt sogar zu 85 Prozent des BIP bei. Gleichzeitig ist das Reich der Mitte aber auch der größte Exporteur weltweit. Diese Rückbesinnung auf die eigene Stärke und das wachsende Misstrauen gegenüber dem Konkurrenten schafft Herausforderungen, kann gleichzeitig auf lange Sicht aber in vielen Bereichen und Regionen auch interessante Anlagemöglichkeiten eröffnen.
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Luxusgüter |
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Cybersicherheit |
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E-Commerce |
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Cloud-Computing |
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Internet of Things (IoT) / Industrie 4.0 |
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Halbleiter |
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Struktureller Wandel | Von „Möglichmachern“ und „Anpassern“
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Folgen des Klimawandels könnten die globale Wirtschaftsleistung bis 2050 um 11 bis 14 Prozent dämpfen1, rund 1,2 Milliarden Menschen ihre Heimat verlieren lassen2 und schon bis 2030 100 Millionen Menschen, allen voran in Entwicklungsländern, in Armut stürzen3. Entsprechend groß sind die Anstrengungen weltweit, diesen Entwicklungen Einhalt zu gebieten. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass allein bis 2050 insgesamt 150 Billionen US-Dollar nötig sein werden, um den globalen Netto-CO2-Ausstoß auf null zu drücken. Hinzu kommen nach Prognosen der Weltbank bis zu 500 Milliarden US-Dollar jährlich für notwendige Anpassungsmaßnahmen, etwa beim Küstenschutz, bei der Wasserversorgung oder im Agrarbereich. Für Anleger könnte dieses Investitionsumfeld interessante Investmentmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen eröffnen. Trotz der Underperformance in den vergangenen Jahren gilt dies vor allem mittel- und langfristig auch für die „Enabler“ – etwa Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und Elektromobilität. Zumal sich der Fokus der politischen Entscheidungsträger in jüngster Zeit im Umfeld der Energiekrise und der hohen Inflation verstärkt auf diesen Bereich zu richten scheint.
1 Swiss Re; 2 Institute for Economics and Peace; 3 Global Commission on Adaptation
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Ermöglichung der Klimaneutralität (Enabler) |
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Anpassung an den Klimawandel (Adaptors) |
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Gesellschaftliche Umbrüche | Steigende Nachfrage durch das Wachstum der Weltbevölkerung
Die Vereinten Nationen (UN) erwarten1 bis 2050 einen Anstieg der Weltbevölkerung von derzeit 8 auf 9,7 Milliarden und bis 2100 sogar auf 10,4 Milliarden Menschen. Gleichzeitig dürfte die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit bis 2050 steigen: von derzeit rund 73 Jahre auf mehr als 77 Jahre. Dadurch stiege der Anteil von Menschen über 65 Jahre von 10 Prozent auf 16 Prozent. Betroffen von dieser Alterung der Gesellschaften sind vor allem Länder, in denen sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt hat oder sogar rückläufig ist – hier könnte der Gesundheits-, aber auch der Immobilien-, Finanz- und Tourismussektor interessante Perspektiven für Anleger bieten. Länder und Regionen, deren Bevölkerung hingegen weiter stark wachsen dürfte – vor allem Indien, Südostasien und Afrika –, könnten auch wirtschaftlich zu den zukünftigen Wachstumszentren der Welt gehören. 2050 wird es nach Einschätzung der UN beispielsweise mehr Nigerianer als US-Amerikaner geben. In diesen „Wachstums-Hubs“ erscheint das Potenzial für Unternehmen aus den Bereichen Konsum, Kommunikation, digitale Finanzdienstleistungen oder Energie besonders groß.
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Demografie allgemein |
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Gesellschaftliche Umbrüche | Gesellschaftliche Sicherheit schafft wirtschaftliche Stabilität
Investments solche Länder auszuwählen, die über hohe Governance-Standards und einen sich dynamisch entwickelnden Privatsektor verfügen.
Das Ausmaß sozialer Unruhen weltweit fand Ende 2019 seinen vorläufigen Höhepunkt, bevor die staatlichen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen im Zuge der Coronavirus-Pandemie zu einer drastischen Abnahme führten.1 Mit Beginn der Corona-Lockerungen haben sich die Unruhen jedoch wieder verstärkt. Laut dem Internationalen Währungsfonds können soziale Unruhen der Wirtschaft eines Landes oder einer Region nachhaltig schaden: Beispielsweise war nach einem entsprechenden Konflikt über sechs Quartale eine Abnahme des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 bis 1 Prozentpunkten zu beobachten – getrieben sowohl durch eine Angebots- als auch Nachfrageschwäche, wobei zyklische Sektoren mit hohem Umsatzanteil im Inland die Hauptlast trugen. Insbesondere in autoritären Volkswirtschaften kam es dabei auch zu einem teils deutlichen Abschwung am jeweiligen Aktienmarkt: Institutionen scheinen dort weniger anpassungsfähig an soziale Probleme zu sein, was die Befürchtungen von Investoren zu verstärken scheint. Ebenso erscheinen Märkte mit einem hohen Anteil staatlich kontrollierter Unternehmen anfälliger für einen Wandel der politischen Landschaft.
1 Internationaler Währungsfonds (IMF): Reported Social Unrest Index (RSUI)
Bereich | Wachstums-/Anlagemöglichkeiten | Risiken |
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Soziale Unruhen allgemein |
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Redaktionsschluss: 25.10.2022, 12:00 Uhr