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Am 4. März haben die Parteivorsitzenden von CDU/CSU und SPD ihre erste gemeinsame Erklärung seit Beginn der Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 abgegeben. Mit Blick auf die sich weltweit, in den USA und in Europa überschlagenden Ereignisse seien sich beide Seiten einig, dass Entscheidungen über den Bundeshaushalt nicht länger aufgeschoben werden könnten. Dem Bundestag werde ein gemeinsamer Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt. Dieser enthalte die folgenden Eckpunkte:

  1. Verteidigungsausgaben von mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollen von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Dies sei angesichts der zunehmenden Bedrohungslage und der Notwendigkeit größerer Anstrengungen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit erforderlich.
  2. Ein kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur soll geschaffen werden, da zusätzliche Verteidigungsausgaben nur finanziert werden könnten, wenn die deutsche Wirtschaft wieder wachse. Zu den geplanten Investitionsbereichen zählen Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhausinvestitionen, Energieinfrastruktur, Bildung, Kinderbetreuung und Wissenschaftsinfrastruktur, Forschung und Entwicklung sowie Digitalisierung. Vom Gesamtbetrag sollen 100 Milliarden Euro den Ländern und Kommunen für die genannten Bereiche zur Verfügung gestellt werden.
  3. Um den Ländern Investitionen zu ermöglichen, soll die Schuldenbremse so definiert werden, dass die Länder künftig jährlich neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen.

Eine Expertenkommission werde einen Vorschlag für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse erarbeiten, die dauerhaft Investitionen zur Stärkung des Landes ermögliche. CDU/CSU und SPD planen, das Gesetz bis Ende 2025 zu verabschieden. Nach derzeitigem Stand und ohne Änderung oder Notsituationen würde die deutsche Staatsverschuldung bis 2070 auf rund 25 Prozent sinken, so der Sachverständigenrat. Eine grundlegende Reform scheine daher angebracht.

Knackpunkt Zweidrittelmehrheit

Zumindest für deutsche Verhältnisse ist das angekündigte Konjunkturpaket sehr groß – viel größer, als man es seit Langem gesehen hat. Manche Ökonomen sprechen sogar von historischen Dimensionen. Laut RTL/ntv-Trendbarometer befürworten 76 Prozent der deutschen Bevölkerung die Konjunkturprogramme, nur 19 Prozent sind dagegen. Der Knackpunkt: Alle genannten Änderungen müssen dem Parlament vorgelegt werden und dort eine Zweidrittelmehrheit erhalten.

Für die ersten drei Maßnahmen möchte die potenzielle zukünftige Regierung aus CDU/CSU und SPD (zusammen etwa 55 Prozent) noch den alten Bundestag nutzen, da dort die Zweidrittelmehrheit leichter zu erreichen sein dürfte als im neu zusammengesetzten Parlament. Der genaue Zeitplan sieht wie folgt aus:

  • Nach den Parlamentssitzungen am 10. März findet am 13. März die erste Lesung im Bundestag statt, danach geht der Entwurf wieder zurück in die Fraktionen.
  • Am 17. März finden die zweite Lesung und die Abstimmung im Bundestag statt.
  • Die Beratung und Abstimmung im Bundesrat, der zweiten Kammer des deutschen Parlaments, ist für den 21. März geplant.

Der neue Bundestag konstituiert sich am 25. März. Die Abstimmungen müssen also bis dahin erfolgt sein. Im neuen Bundestag dürfte es voraussichtlich schwieriger sein, die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten zu erhalten, da insbesondere Die Linke bereits angekündigt hat, höheren Verteidigungsausgaben nicht zuzustimmen.

Denn natürlich gab es auch Kritik. Manche kritisierten das Ausmaß der geplanten staatlichen Maßnahmen und argumentierten, dass beispielsweise eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Steuersenkungen vorzuziehen wäre. Andere sprachen sich gegen eine Abstimmung in einem bereits abgewählten Parlament aus.

Schulden dürften steigen

Um etwas Klarheit über den Umfang der Programme zu schaffen, haben wir einige Überschlagsrechnungen vorgenommen: Laut dem Statistischen Bundesamt betrug das BIP Deutschlands im Jahr 2024 rund 4.305 Milliarden Euro. Das Bundesministerium der Verteidigung gibt an, dass der deutsche Verteidigungshaushalt im Jahr 2024 rund 51,95 Milliarden Euro (zzgl.19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen) betrug. Deutschland hat laut Deutscher Welle 90,6 Milliarden Euro an die NATO gemeldet, was etwa
2 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Verteidigungsminister Boris Pistorius will das Sondervermögen bis 2027 aufbrauchen und Tarnkappen-Kampfflugzeuge vom Typ F-35A, Hubschrauber, Panzer, Flugabwehrraketen (Patriots) sowie Marineflugzeuge (die wahrscheinlich nur aus den USA bezogen werden können) kaufen.

Das neue NATO-Ziel könnte bei 3,5 Prozent des BIP liegen, berichtet die ARD und bezieht sich dabei auf die neue Strategie der NATO. Der nächste NATO-Gipfel findet am 24. und 25. Juni 2025 statt.

Geht man davon aus, dass Verteidigung, Sondervermögen und nach geänderter Schuldenbremse Teile des Haushalts über Kredite finanziert werden, dürfte der heutige Schuldenstand von rund 2,5 Billionen Euro deutlich steigen. Dagegen müsste man dann aber das zusätzliche Wachstum rechnen, das sich aus der Fiskalpolitik und den Strukturreformen ergibt. Insgesamt sollte je nach Höhe von Wachstum und Schulden die Gesamtverschuldung auf rund 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.

Da insbesondere Deutschland bisher das Land war, das die europäische Staatsschuldenquote unter 100 Prozent hält (87,4 Prozent im Jahr 2023), könnten die Zinsen mit einem deutlichen Anstieg der deutschen Schulden entsprechend steigen. Zumal auch die Europäische Kommission plant, ihre Schulden zu erhöhen (ein Verteidigungsfonds in Höhe von 150 Milliarden Euro, eine Verteidigungsbank und andere Maßnahmen, die sich nach Angaben der Kommission auf insgesamt 800 Milliarden Euro belaufen könnten). Der EU-Rat hat eine Sondersitzung zu diesem Thema anberaumt.

"Deutschland im Aufwind? Angekündigter Investitionsschub beflügelt europäischen Kapitalmarkt"

Kapitalmarkt reagiert positiv

Obwohl noch einige Unklarheiten bestehen und die Maßnahmen noch nicht beschlossen sind, hat der Kapitalmarkt diese bereits zumindest teilweise eingepreist. Die Aktienmärkte stiegen vergleichsweise deutlich, was möglicherweise auch auf den versöhnlicheren Ton der US-Regierung in Bezug auf Zölle und einen Brief des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an US-Präsident Donald Trump zum Frieden in der Ukraine zurückzuführen ist. Auch die Renditen deutscher Staatsanleihen stiegen deutlich. Der Kapitalmarkt signalisiert offensichtlich Vertrauen in die Umsetzung der Maßnahmen.

Alles in allem sind das äußerst positive Nachrichten. Wir gehen jedoch weiterhin von Marktschwankungen aus, da die Maßnahmen noch nicht entschieden sind und sich ständig ändern können. Zudem muss die Politik das Geld jetzt wirklich für Investitionen verwenden: Um das Wirtschaftswachstum zu stärken, ist es unerlässlich, nicht nur Geld auf den Tisch zu legen, sondern auch entsprechende Strukturreformen umzusetzen. Die Pakete entbinden die Politik auch nicht von der Notwendigkeit, die Ausgabenseite der Gleichung zu überprüfen. Wir sind jedoch optimistisch und daher für die europäischen Aktienmärkte auf Sicht der kommenden Monate positiv gestimmt, auch wenn wir weiterhin mit Volatilität rechnen müssen – insbesondere, wenn die USA Zölle auf europäische Güter erheben sollten.

Historische Wertwentwicklung

Quelle: Deutsche Bank AG, Bloomberg Finance L.P., LSEG Datastream; Stand: 06.03.2025. Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Glossar

  • Die Ampelkoalition ist die Regierungskoalition aus SPD (rot), FDP (gelb) und Grünen (grün).
    • Die ARD ist eine Rundfunkgemeinschaft, bestehend aus den Landesrundfunkanstalten und der Deutschen Welle. Sie wurde 1950 gegründet und bildet zusammen mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen und dem Deutschlandradio den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.
      • Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Geldwert aller fertigen Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums innerhalb der Grenzen eines Landes produziert werden.
        • Bundesanleihen sind Anleihen, die von der deutschen Bundesregierung ausgegeben werden.
          • Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland. Jedes Bundesland ist im Bundesrat durch Mitglieder seiner Landesregierung vertreten, je nach Bevölkerungszahl zwischen 3 und 6 Personen, insgesamt also 69 Personen.
            • Der Deutsche Bundestag ist die Volksvertretung und als Parlament das gesetzgebende Organ der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin.
              • Die CDU/CSU ist ein Bündnis („Union“) zweier Mitte-rechts-Parteien, nämlich der Christlich Demokratischen Union Deutschlands und der Christlich Sozialen Union in Bayern.
                • Der DAX ist ein Leitindex für den deutschen Aktienmarkt, der die 40 größten und liquidesten Unternehmen umfasst.
                  • Die Deutsche Welle ist der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland.
                    • EUR ist der Währungscode für den Euro.
                      • Die Europäische Kommission (abgekürzt EG, im offiziellen Schriftverkehr oft KOM), kurz EU-Kommission, ist ein supranationales Organ der Europäischen Union (EU). Im politischen System der EU nimmt sie vor allem exekutive Aufgaben wahr und entspricht damit der Regierung in Staatssystemen.
                        • Die FDP (Freie Demokratische Partei) ist eine liberale Mitte-rechts-Partei.
                          • Die Grünen (Bündnis 90/Die Grünen) sind eine politische Partei mit dem Schwerpunkt „grüne Politik“.
                            • Die Linke (Die Linke) ist eine linksgerichtete Partei.
                              • Der MDAX ist ein deutscher Aktienindex, der die Entwicklung mittelgroßer Unternehmen an der Börse abbildet.
                                • Die NATO (North Atlantic Treaty Organization, französisch: OTAN – Organisation du traité de l’Atlantique nord), im Deutschen auch als Atlantische Allianz oder Nordatlantikvertragsorganisation bekannt, ist ein Verteidigungsbündnis von 32 europäischen und nordamerikanischen Mitgliedsstaaten, das dem gemeinsamen Schutz ihrer eigenen Territorien dient und zudem das Ziel globaler politischer Sicherheit und Stabilität verfolgt.
                                  • Der SDAX ist ein Aktienindex, der die 70 kleineren Unternehmen umfasst, die nach den 40 Unternehmen im DAX und den 50 Unternehmen im MDAX gelistet sind.
                                    • Die SPD ist eine Mitte-links-Partei.
                                      • USD ist der Währungscode für den US-Dollar.

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                                      Redaktionsschluss: 06.03.2025, 15 Uhr

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