Aktien, Volkswirtschaft / Geldpolitik – 12.03.2024
Die wichtigsten Fakten:
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Am 4. März haben die Parteivorsitzenden von CDU/CSU und SPD ihre erste gemeinsame Erklärung seit Beginn der Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 abgegeben. Mit Blick auf die sich weltweit, in den USA und in Europa überschlagenden Ereignisse seien sich beide Seiten einig, dass Entscheidungen über den Bundeshaushalt nicht länger aufgeschoben werden könnten. Dem Bundestag werde ein gemeinsamer Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt. Dieser enthalte die folgenden Eckpunkte:
Eine Expertenkommission werde einen Vorschlag für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse erarbeiten, die dauerhaft Investitionen zur Stärkung des Landes ermögliche. CDU/CSU und SPD planen, das Gesetz bis Ende 2025 zu verabschieden. Nach derzeitigem Stand und ohne Änderung oder Notsituationen würde die deutsche Staatsverschuldung bis 2070 auf rund 25 Prozent sinken, so der Sachverständigenrat. Eine grundlegende Reform scheine daher angebracht.
Zumindest für deutsche Verhältnisse ist das angekündigte Konjunkturpaket sehr groß – viel größer, als man es seit Langem gesehen hat. Manche Ökonomen sprechen sogar von historischen Dimensionen. Laut RTL/ntv-Trendbarometer befürworten 76 Prozent der deutschen Bevölkerung die Konjunkturprogramme, nur 19 Prozent sind dagegen. Der Knackpunkt: Alle genannten Änderungen müssen dem Parlament vorgelegt werden und dort eine Zweidrittelmehrheit erhalten.
Für die ersten drei Maßnahmen möchte die potenzielle zukünftige Regierung aus CDU/CSU und SPD (zusammen etwa 55 Prozent) noch den alten Bundestag nutzen, da dort die Zweidrittelmehrheit leichter zu erreichen sein dürfte als im neu zusammengesetzten Parlament. Der genaue Zeitplan sieht wie folgt aus:
Der neue Bundestag konstituiert sich am 25. März. Die Abstimmungen müssen also bis dahin erfolgt sein. Im neuen Bundestag dürfte es voraussichtlich schwieriger sein, die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten zu erhalten, da insbesondere Die Linke bereits angekündigt hat, höheren Verteidigungsausgaben nicht zuzustimmen.
Denn natürlich gab es auch Kritik. Manche kritisierten das Ausmaß der geplanten staatlichen Maßnahmen und argumentierten, dass beispielsweise eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Steuersenkungen vorzuziehen wäre. Andere sprachen sich gegen eine Abstimmung in einem bereits abgewählten Parlament aus.
Um etwas Klarheit über den Umfang der Programme zu schaffen, haben wir einige Überschlagsrechnungen vorgenommen: Laut dem Statistischen Bundesamt betrug das BIP Deutschlands im Jahr 2024 rund 4.305 Milliarden Euro. Das Bundesministerium der Verteidigung gibt an, dass der deutsche Verteidigungshaushalt im Jahr 2024 rund 51,95 Milliarden Euro (zzgl.19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen) betrug. Deutschland hat laut Deutscher Welle 90,6 Milliarden Euro an die NATO gemeldet, was etwa
2 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Verteidigungsminister Boris Pistorius will das Sondervermögen bis 2027 aufbrauchen und Tarnkappen-Kampfflugzeuge vom Typ F-35A, Hubschrauber, Panzer, Flugabwehrraketen (Patriots) sowie Marineflugzeuge (die wahrscheinlich nur aus den USA bezogen werden können) kaufen.
Das neue NATO-Ziel könnte bei 3,5 Prozent des BIP liegen, berichtet die ARD und bezieht sich dabei auf die neue Strategie der NATO. Der nächste NATO-Gipfel findet am 24. und 25. Juni 2025 statt.
Geht man davon aus, dass Verteidigung, Sondervermögen und nach geänderter Schuldenbremse Teile des Haushalts über Kredite finanziert werden, dürfte der heutige Schuldenstand von rund 2,5 Billionen Euro deutlich steigen. Dagegen müsste man dann aber das zusätzliche Wachstum rechnen, das sich aus der Fiskalpolitik und den Strukturreformen ergibt. Insgesamt sollte je nach Höhe von Wachstum und Schulden die Gesamtverschuldung auf rund 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.
Da insbesondere Deutschland bisher das Land war, das die europäische Staatsschuldenquote unter 100 Prozent hält (87,4 Prozent im Jahr 2023), könnten die Zinsen mit einem deutlichen Anstieg der deutschen Schulden entsprechend steigen. Zumal auch die Europäische Kommission plant, ihre Schulden zu erhöhen (ein Verteidigungsfonds in Höhe von 150 Milliarden Euro, eine Verteidigungsbank und andere Maßnahmen, die sich nach Angaben der Kommission auf insgesamt 800 Milliarden Euro belaufen könnten). Der EU-Rat hat eine Sondersitzung zu diesem Thema anberaumt.
Obwohl noch einige Unklarheiten bestehen und die Maßnahmen noch nicht beschlossen sind, hat der Kapitalmarkt diese bereits zumindest teilweise eingepreist. Die Aktienmärkte stiegen vergleichsweise deutlich, was möglicherweise auch auf den versöhnlicheren Ton der US-Regierung in Bezug auf Zölle und einen Brief des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an US-Präsident Donald Trump zum Frieden in der Ukraine zurückzuführen ist. Auch die Renditen deutscher Staatsanleihen stiegen deutlich. Der Kapitalmarkt signalisiert offensichtlich Vertrauen in die Umsetzung der Maßnahmen.
Alles in allem sind das äußerst positive Nachrichten. Wir gehen jedoch weiterhin von Marktschwankungen aus, da die Maßnahmen noch nicht entschieden sind und sich ständig ändern können. Zudem muss die Politik das Geld jetzt wirklich für Investitionen verwenden: Um das Wirtschaftswachstum zu stärken, ist es unerlässlich, nicht nur Geld auf den Tisch zu legen, sondern auch entsprechende Strukturreformen umzusetzen. Die Pakete entbinden die Politik auch nicht von der Notwendigkeit, die Ausgabenseite der Gleichung zu überprüfen. Wir sind jedoch optimistisch und daher für die europäischen Aktienmärkte auf Sicht der kommenden Monate positiv gestimmt, auch wenn wir weiterhin mit Volatilität rechnen müssen – insbesondere, wenn die USA Zölle auf europäische Güter erheben sollten.
Quelle: Deutsche Bank AG, Bloomberg Finance L.P., LSEG Datastream; Stand: 06.03.2025. Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.
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Redaktionsschluss: 06.03.2025, 15 Uhr