Aktien – 16.08.2023
Die wichtigsten Fakten:
Die aktuellen Fundamentaldaten der großen US-Banken scheinen intakt: Am 28. Juni 2023 gab die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Ergebnisse ihrer jährlichen Bankenstresstests bekannt. Alle 23 teilnehmenden Kreditinstitute bestanden den Test, der die Bilanzen der Banken einer simulierten (schweren) Rezession aussetzte. Trotz der ermutigenden Ergebnisse, die einen geringeren Kapitalbedarf implizieren und Spielraum für Aktienrückkäufe und Dividenden lassen würden, könnten sich die US-Großbanken dazu entschließen, ihre Ausgabendisziplin beizubehalten und ihre Kapitalquoten zum Leidwesen der Aktionäre weiter auszubauen.
Zum einen könnten einige US-Institute aufgrund ihrer gewachsenen Bilanzen zu global systemrelevanten Banken (global systemically important banks, G-SIBs) aufsteigen. Zum anderen hat die Bankenaufsichtsbehörde im Juli dieses Jahres die endgültige Umsetzung der Basel-III-Standards vorgeschlagen. Beides wäre mit erhöhten Kapitalanforderungen verbunden. Schätzungen zufolge dürften diese bei US-Banken um durchschnittlich 16 Prozent steigen, wobei Großbanken mit einem Anstieg von 19 Prozent stärker betroffen sein könnten als kleine und mittlere Institute. Insgesamt könnte dies zu geringeren oder sogar vorübergehenden Aussetzungen von Aktienrückkäufen führen.
Darüber hinaus beabsichtigt die US-Bundeseinlagenversicherungsgesellschaft (Federal Deposit Insurance Corporation, FDIC), die durch den „Bankrun“ im März 2023 entstandenen Verluste in Höhe von 15,8 Milliarden US-Dollar dadurch auszugleichen, dass sie zwei Jahre lang zusätzliche 0,125 Prozent p. a. auf nicht versicherte Einlagen von mehr als 5 Milliarden US-Dollar erhebt. Sollte die vorgeschlagene Regelung in Kraft treten, könnte dies ab Juni 2024 einen Gegenwind im niedrigen einstelligen Prozentbereich für die Erträge großer US-Banken bedeuten.
Im operativen Geschäft hat der Wettbewerb um Einlagen zugenommen und dürfte sich fortsetzen. Seit dem Ende des ersten Quartals 2023 sind die Gesamteinlagen bei großen US-Banken um etwa 2 Prozent zurückgegangen. Um die Liquidität zu erhalten, erhöhen die Banken die Einlagenzinsen. Da sich die Fed jedoch dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähert und sich das Kreditwachstum verlangsamt, verlieren die Banken ihre Fähigkeit, die steigenden Refinanzierungskosten auszugleichen, was sich negativ auf ihre Nettozinsmargen (NIM) auswirkt. Darüber hinaus flacht das Kreditwachstum ab, da die Kreditnachfrage nachlässt und die Banken bei der Auswahl ihrer Kreditnehmer selektiver vorgehen. Gründe sind die teureren Finanzierungskonditionen sowie wachsende Ausfallwahrscheinlichkeiten, die sich gemeinsam mit der Anzahl Not leidender Kredite sowie den Rückstellungen für Kreditausfälle von niedrigen Niveaus aus normalisieren. Auch die Erträge und Gebühren im Investmentbanking werden durch das Zinsumfeld und die nachlassende Volatilität, die in weniger Handel resultiert, belastet.
Insgesamt erscheinen die Bewertungen von US-Großbanken attraktiv, könnten sich aber als trügerisch erweisen. Der S&P 500 Banks Index wird mit dem 9,6-fachen der erwarteten Gewinne der nächsten zwölf Monate gehandelt und liegt damit fast 17 Prozent unter der mittleren Bewertung des Sektors in den vergangenen 20 Jahren. Der Abschlag zum breiteren Markt beträgt 48 Prozent und liegt damit fast 25 Prozentpunkte höher als in der Vergangenheit üblich. Angesichts des makroökonomischen und aufsichtsrechtlichen Gegenwinds sowie der sich verschlechternden Fundamentaldaten fehlt den großen US-Banken jedoch möglicherweise ein Katalysator für eine schnelle Erholung. Stattdessen könnte der Weg zu neuen Kurshöchstständen langsam und holprig werden, da die einzelnen Hürden wahrscheinlich Schritt für Schritt überwunden werden müssen.
Im März 2023 ließen die Turbulenzen im US-Regionalbankensektor den KBW Regional Banking Index abstürzen. Bis Mitte Mai betrug das Kursminus 31 Prozent. Seitdem hat sich der Index zwar erholt, notiert jedoch immer noch deutlich unter dem Stand vom Februar. Die Deutsche Bank erwartet, dass sich der Sektor auf absehbare Zeit in etwa so gut entwickeln wird wie der US-Gesamtmarkt. Zwar dürften Risikofaktoren wie potenziell steigende Kosten, mögliche Ausfälle von Hypothekendarlehen und eine sich abzeichnende Straffung der Regulierung die Investitionslaune von Anlegern belasten. Jedoch könnten die günstigen Bewertungen auch Schnäppchenjäger auf den Plan rufen.
Die größten Sorgen bereitete Anlegern im März, dass Kunden im großen Stil ihre Einlagen bei US-Regionalbanken abziehen könnten, nachdem bereits erste Berichte über die Umschichtung zu systemrelevanten Finanzinstituten – die im Allgemeinen als finanziell robuster gelten – bekannt geworden waren. In der Tat zeigten Daten der Fed größere Einlagenabflüsse bei kleineren Banken, die sich in den vergangenen Wochen jedoch deutlich verlangsamt haben und geringer ausgefallen sind als von den Banken befürchtet.
Dennoch ist es für die Regionalbanken schwieriger geworden, Einlagen zu halten, da der Wettbewerb härter geworden ist. Deshalb müssen sie höhere Zinssätze zahlen und Servicegebühren senken, was ihre Rentabilität belastet. Es wird erwartet, dass die Nettozinsmargen (net interest margins, NIMs) weiter sinken werden – wobei der größte Teil des Rückgangs bereits erfolgt sein dürfte. Diese Einschätzung basiert auf der Annahme, dass sich die Fed am Ende ihres Zinsanhebungszyklus befindet und die Abflüsse von Einlagen, etwa auf gebührenfreie Girokonten, auf die keine Zinsen gezahlt werden, abnehmen. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die meisten Unternehmen und Privatkunden, die auf zinstragende Einlagen umsteigen wollten, dies bereits getan haben.
Neben den höheren Kosten für Einlagen sorgen sich Anleger um die nachlassende Kreditnachfrage. Daten der Fed zeigen jedoch, dass sich die Nachfrage bei den Regionalbanken bisher gut gehalten hat. Da sich das Wirtschaftswachstum in den USA verlangsamt, ist jedoch zu erwarten, dass die regionalen Banken ihre Kreditvergabestandards anheben und insgesamt weniger Darlehen vergeben werden, um ihre Risiken zu reduzieren. Zunehmend im Fokus steht hierbei das Kreditrisiko bei Hypothekendarlehen für den angeschlagenen US-Gewerbeimmobiliensektor. Kleine und mittelgroße US-Banken stellen im Vergleich zu Großbanken überproportional viele Kredite für Gewerbeimmobilien bereit und tragen entsprechend ein höheres Ausfallrisiko. Von den 3,6 Billionen US-Dollar an ausstehenden Gewerbeimmobilienkrediten in den USA entfallen 2,2 Billionen US-Dollar auf Banken, wobei Institute mit einem Vermögen von weniger als 250 Milliarden US-Dollar für 80 Prozent und solche mit einem Vermögen von weniger als 100 Milliarden US-Dollar für 43 Prozent dieser Kredite verantwortlich zeichnen. Bislang haben Regionalbanken zwar nur von wenigen Ausfällen solcher Kredite berichtet, aber es wird erwartet, dass der Gegenwind in einzelnen Regionen des Landes zunehmen könnte. Einige Banken planen daher, die Kreditvergabe insbesondere im Segment Büroimmobilien zu reduzieren.
Ein zusätzlicher Belastungsfaktor für US-Regionalbanken dürfte in absehbarer Zeit die strengere Regulierung werden. Auch wenn es noch zu früh ist, um die konkreten Auswirkungen der neuen Auflagen auf die US-Regionalbanken abzuschätzen, scheint klar, dass sie in den kommenden Jahren Kapitalpuffer werden aufbauen müssen – was sie langfristig stärken dürfte, mittelfristig aber zulasten ihrer Profitabilität geht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass US-Regionalbanken aus Anlegerperspektive derzeit eher weniger interessant erscheinen, wenngleich in den derzeitigen Bewertungen bereits viel Pessimismus eingepreist sein dürfte. Die durchschnittliche US-Regionalbank wird mit dem 1,1-Fachen des Buchwerts gehandelt. Dem steht eine historische Bewertungsspanne von 1,8 bis 2,0 gegenüber. Obwohl die Risiken nach wie vor hoch sind, erscheint eine neutrale Positionierung aus Sicht der Deutschen Bank gerechtfertigt – eine überdurchschnittliche Performance des Sektors im zweiten Halbjahr dürfte jedoch unwahrscheinlich sein.
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Redaktionsschluss: 01. August 2023, 18.00