Aktien, Volkswirtschaft / Geldpolitik, Finanzwissen – 02.12.2014
Die wichtigsten Fakten:
Im Juli 2024 hatte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas auf seinem dritten Plenum eine Strukturreformagenda vorgestellt. Ende September kündigte die Zentralbank People’s Bank of China (PBoC) bedeutende geldpolitische Anreizmaßnahmen an. Nach der Veröffentlichung dieser ersten beiden „Pfeile“ wurden am 8. November Inhalte des dritten „Pfeils“ – fiskalischer Anreiz – publik gemacht. Auf einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz nach Abschluss der Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (NVK) kündigte Finanzminister Lan Foan ein fünfjähriges Umschuldungsprogramm in Höhe von 10 Billionen Yuan an. Einzelheiten zu den Paketen zur Nachfrageunterstützung, insbesondere für die Sektoren Immobilien und Privatkonsum, gab es jedoch kaum.
Der NVK genehmigte eine Erhöhung der Schuldenobergrenze für lokale Regierungen um 6 Billionen Yuan. Über einen Zeitraum von drei Jahren sollen lokale Staatsanleihen im Wert von 2 Billionen Yuan pro Jahr ausgegeben werden. In den nächsten fünf Jahren sollen insgesamt 10 Billionen Yuan „versteckter“ lokaler Schulden in offizielle lokale Schulden (im Gegensatz zu Schulden der Zentralregierung) überführt werden. Der Begriff „versteckte Schulden“ bezieht sich auf die beträchtliche Menge von Schulden, die – um die offiziellen Schuldengrenzen zu umgehen – von lokalen Regierungen durch außerbilanzielle Kreditaufnahmen angehäuft wurden, hauptsächlich über Finanzierungsvehikel der lokalen Regierungen (Local Government Financing Vehicles, LGFV). Auf der Pressekonferenz von Finanzminister Foan Lan wurde zudem mitgeteilt, dass 4 Billionen Yuan durch zukünftige Reserven (Einnahmen und Kosteneinsparungen staatlicher Unternehmen) finanziert würden, um das Ausgabenziel zu erreichen. Ziel sei es, den fiskalischen Druck auf die lokalen Regierungen zu verringern und die „versteckten Schulden“ von ihrem Stand von 14,3 Billionen Yuan (2 Billionen US-Dollar) im Jahr 2023 auf 2,3 Billionen Yuan zu senken.
Die geringere Schuldenlast könnte mehr fiskalische Ressourcen für die lokalen Regierungen freisetzen und ihnen mehr Spielraum geben, die lokale Wirtschaft anzukurbeln. Zudem könnten die Umschuldungsprogramme die lokalen Regierungen erheblich darin bestärken, künftig eine proaktivere Fiskalpolitik umzusetzen.
Der enttäuschende Teil der NVK-Pressekonferenz war, dass kaum von Maßnahmen zur Unterstützung der Nachfrage, etwa Konjunkturprogrammen für den Konsum oder den Wohnungsbau, die Rede war. Der Konsum in China hat sich in den letzten Quartalen nur langsam erholt, was auf den negativen Vermögenseffekt des Immobilienmarkts und den relativ schwachen Arbeitsmarkt zurückzuführen ist. Die Analysten hatten deshalb erwartet, dass weitere Einkommensteuersenkungen oder Konsumunterstützungsprogramme im Umfang von mehreren Billionen Yuan angekündigt werden könnten. Das Finanzministerium gab jedoch lediglich bekannt, dass die aktuellen Programme bis ins nächste Jahr fortgesetzt würden.
Zwar gibt es bereits Programme, die den Erwerb von bislang unverkauften Immobilien durch Hilfen der lokalen Regierungen erleichtern sollen, doch der Bestandsabbau auf dem Wohnimmobilienmarkt verläuft bisher langsam. Einige Marktteilnehmer hatten daher mit zusätzlichen Maßnahmen gerechnet, die die lokalen Regierungen beim Kauf dieser Immobilien unterstützen könnten. Dahin gehende Ankündigungen blieben jedoch ebenfalls aus. Wir glauben, dass die finanziellen Ressourcen der lokalen Regierungen derzeit knapp sind, da sie aufgrund ihrer hohen Schulden nur eingeschränkt Kredite aufnehmen und ausgeben können. Da die Umschuldungsprogramme in den nächsten Quartalen anlaufen, könnten die aktuellen Maßnahmen zum Bestandsabbau im Immobilienbereich künftig besser umgesetzt werden.
Chinas offizieller NBS-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe kehrte im Oktober mit 50,1 in den Expansionsbereich zurück. Zuvor war der Index fünf Monate lang rückläufig, während sowohl der Caixin-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe als auch der Dienstleistungs-Einkaufsmanagerindex im Plus blieben.
Eine nachhaltige Erholung hängt vor allem von einer Verbesserung der Inlandsnachfrage ab, da die Aussichten für die externe Nachfrage unsicher erscheinen. Das Wachstum der Einzelhandelsumsätze dürfte im Oktober im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent und die Industrieproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 5,5 Prozent steigen. Maßgeblich dafür könnte eine stärkere Nutzung der Absatzförderprogramme für elektronische Geräte und Autos sein. In Ermangelung eines Fiskalpakets, das den Konsum direkt unterstützt, dürfte die Erholung jedoch auf bestimmte Produkte beschränkt bleiben und die allgemeine Erholung der Nachfrage könnte ungleichmäßig verlaufen. Viele europäische Luxusgüterunternehmen, US-Konsumgüterhersteller und Industrieunternehmen haben in ihren Unternehmensberichten für das dritte Quartal auf eine schwache Nachfrage aus China hingewiesen. Die Unternehmen bleiben jedoch in China investiert, da sie davon ausgehen, dass die Schwäche eher zyklischer als struktureller Natur ist. Unterdessen hält der deflationäre Druck weiter an. Sowohl der Verbraucherpreisindex (CPI) als auch der Erzeugerpreisindex zeigten sich im Oktober mit 0,3 Prozent beziehungsweise –2,9 Prozent im Jahresvergleich trotz der jüngsten geldpolitischen Anreize und Absatzförderprogramme enttäuschend schwach. Fallende Preise führten im September zum stärksten Rückgang der Industriegewinne seit einem Jahr, nämlich –27,1 Prozent im Jahresvergleich, eine weitere Verschlechterung zum August (–17,8 Prozent), da die Nachfrage gedämpft war und die Fabrikpreise sanken.
Die Immobilieninvestitionen sanken im September im Jahresvergleich um 10,1 Prozent, während die Verkäufe von Wohnimmobilien um 24,0 Prozent zurückgingen. Laut einem S&P-Bericht wird der chinesische Immobiliensektor seinen Tiefpunkt voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2025 erreichen, wobei die Immobilienverkäufe 2024 auf 9 Billionen Yuan und 2025 auf 8 Billionen Yuan zurückgehen werden, also weniger als die Hälfte der 2021 verzeichneten Verkäufe in Höhe von 18 Billionen Yuan. Sinken wird das Volumen der Verkäufe voraussichtlich aufgrund von Preissenkungen durch Bauträger, die ihre nicht verkauften Bestände abbauen wollen.
Chinas Exportwachstum stieg im Oktober auf ein 20-Monats-Hoch von 12,7 Prozent im Jahresvergleich. Dies ist auf steigende Erwartungen hinsichtlich potenzieller Zölle aus den USA und Europa zurückzuführen. Donald Trump hatte für den Fall seiner Wiederwahl zum US-Präsidenten einen Zollsatz von 60 Prozent auf Waren, die aus China in die USA importiert werden, angekündigt. Deshalb könnten chinesische Hersteller aktuell geplante Ausfuhren in die USA vorziehen.
Unabhängig davon haben sich die Exporte anderer asiatischer Volkswirtschaften im Oktober abgeschwächt, wahrscheinlich aufgrund der zunehmenden Konkurrenz durch billigere chinesische Exporte. Sie ergreifen unterdessen Gegenmaßnahmen, um ihre einheimischen Industrien zu schützen, indem sie Antidumpingmaßnahmen einleiten, die zu höheren Zöllen, insbesondere auf Waren wie Stahl, führen könnten. Daher dürfte in China das Potenzial für steigende Exporte, die vor dem Hintergrund einer schwierigen Binnennachfrage die Wirtschaft stützen könnten, nur von kurzer Dauer sein.
Der Yuan hat in diesem Jahr gegenüber dem US-Dollar bisher um 1,1 Prozent abgewertet, da sich die Zinsdifferenz zugunsten der USA vergrößert hat. Der US-Dollar/Yuan-Kurs notiert derzeit bei 7,18. Die PBoC hat im laufenden Jahr zweimal den Leitzins für Darlehen gesenkt, um die Wirtschaft zu stützen. Obwohl auch die US-Notenbank Fed ihren Zinssenkungszyklus begonnen hat, dürfte aufgrund der erwarteten bevorstehenden US-Zollpolitik der Druck auf den Yuan anhalten. Bereits 2018, als die erste Trump-Regierung Zölle auf chinesische Importe einführte, erlaubte die PBoC eine Abwertung der Währung um 5,7 Prozent im Laufe des Jahres. Dadurch wurden die Exporte wettbewerbsfähiger, was dazu beitrug, die Auswirkungen der Zölle teilweise auszugleichen. Im aktuellen Szenario wird die PBoC einen Balanceakt durchführen müssen, da eine weitere Abwertung des Yuan zu höheren Kapitalabflüssen führen könnte und die Stimmung schon heute fragil ist.
Von den chinesischen Behörden wird erwartet, dass sie Maßnahmen zur staatlichen Unterstützung des Ankaufs unverkaufter Wohnungen und zur Rückgewinnung von Bauland von Bauträgern sowie Kapitalspritzen für große staatliche Banken ankündigen. Einzelheiten zum möglichen Umfang oder Zeitpunkt dieser Maßnahmen sind jedoch noch nicht bekannt. Hinweise zu spezifischen Maßnahmen zur Ankurbelung des privaten Konsums und zu fiskalischen Maßnahmen, um den potenziellen Rückgang der Auslandsnachfrage durch Zölle unter der Trump-Regierung auszugleichen, erwarten die Marktteilnehmer auf der staatlichen Arbeitskonferenz für Wirtschaft im Dezember.
Die Maßnahmen zur Stimulierung der Konjunktur dürften aufgrund ihrer langsamen Einführung durch die Regulierungsbehörden die Stimmung am Aktienmarkt kaum stützen, die sich verbessernden wirtschaftlichen Fundamentaldaten könnten hingegen eine größere Rolle für eine Stimmungsverbesserung spielen. Wir glauben, dass chinesische Aktien in den kommenden Wochen weiterhin hohen Schwankungen unterliegen könnten, da die Marktteilnehmer die Umsetzung von Konjunkturmaßnahmen durch politische Entscheidungsträger und deren Wirkung genau verfolgen dürften. Der CSI-300-Index wird derzeit mit einem KGV von 13,1 x auf Basis der erwarteten Gewinne der nächsten zwölf Monate gehandelt, wobei für 2025 ein Wachstum des Gewinns pro Aktie von 11,1 Prozent prognostiziert wird, während der H-Aktienindex bei einem Wachstum des Gewinns pro Aktie von 7,0 Prozent im Jahr 2025 mit einem KGV von 8,9 x auf Basis der erwarteten Gewinne der nächsten zwölf Monate gehandelt wird.
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Redaktionsschluss: 14.November 2024, 15 Uhr