weitere Themen – 03.01.2023
Im Jahr 2021 führten wir unsere erste Umfrage über die Haltung unserer Kunden zu ESG durch. Wir wollten ihre Ansichten über die Rolle von ESG in Portfolios und die Bedeutung der verschiedenen ESG-Themen aus ihrer Sicht verstehen. Zudem haben wir auch einige Unterschiede in den Einstellungen zwischen verschiedenen Altersgruppen sowie weiblichen und männlichen Befragten festgestellt.
In diesem Jahr haben wir 849 Antworten erhalten, weniger als die 2.130 Antworten im letzten Jahr, was wahrscheinlich zum Teil auf die wesentlich längere und ausführlichere Umfrage zurückzuführen ist. Innerhalb Europas waren die Antworten in diesem Jahr jedoch wesentlich gleichmäßiger verteilt. Dadurch hat sich das Übergewicht des letzten Jahres zugunsten Spaniens und Italiens verringert, was wiederum zu einer repräsentativeren Gewichtung der deutschen Kunden führte.
In der diesjährigen Umfrage haben wir fast doppelt so viele Fragen gestellt, um ein vollständigeres Bild von der Haltung unserer privaten, institutionellen und Geschäftskunden zu ESG zu erhalten. Wir konzentrierten uns zusätzlich auf Themen wie das Wissen der Befragten über grundlegende ESG-Konzepte, Biodiversitätsfragen und naturbezogene Risiken sowie das Vertrauen der Anleger in die Fähigkeiten der Finanzinstitute in Bezug auf verschiedene ESG-Themen.
Wir haben ebenfalls versucht, allgemeine Veränderungen in der Einstellung unserer Kunden zu ESG-Investitionen zwischen 2021 und 2022 aufzuzeigen. Dies war eine Periode kontinuierlicher Weiterentwicklung von ESG und des Wachstums der meisten (aber nicht aller) Arten von verwalteten ESG-Vermögenswerten (Abbildung 1). Im letzten Jahr haben ESG-Investitionen jedoch auch Gegenwind erfahren, sowohl in Bezug auf die Methoden als auch auf die Performance, und dies hat eine dringend notwendige Debatte darüber ausgelöst, was genau ESG sein sollte. Wie wir in einer vorangegangenen Publikation dargelegt haben, scheinen wir nun von der Sensibilisierung für ESG und dem anschließenden raschen Wachstum der ESG-Investitionen zu einer neuen, dritten Phase der ESG-Entwicklung übergegangen zu sein, die durch ein gewisses Maß an Konsolidierung und Neuorientierung gekennzeichnet ist – und möglicherweise auch durch veränderte Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen von ESG auf die Performance und das Risikomanagement. Die Anleger werden sich zunehmend der Details rund um die ESG-Anlageperformance bewusst – sowohl in Bezug auf die finanziellen Erträge als auch auf die „realen Erträge“ (d. h. die positiven Auswirkungen auf die Welt um uns herum). Darüber hinaus erhält ESG als zusätzliche Form des Risikomanagements in einer sich schnell verändernden Welt immer mehr Aufmerksamkeit.
Im folgenden Abschnitt fassen wir zehn wichtige Erkenntnisse aus der diesjährigen Umfrage zusammen. Fünf dieser Ergebnisse heben Entwicklungen im Vergleich zu den Umfrageergebnissen des letzten Jahres hervor, zeigen anhaltende Trends auf und bestätigen einige bestehende Überzeugungen in verschiedenen Bereichen. Die anderen fünf Ergebnisse sind neu.
Die Ergebnisse der Umfrage 2022 werden im nächsten Abschnitt näher erläutert. Wie bereits erwähnt, zeigt die Umfrage eine anhaltende enthusiastische Haltung der Anleger gegenüber ESG, da 56 Prozent unserer Kunden der Meinung sind (entweder ganz oder teilweise), dass ESG zum Standard werden wird, obwohl die Skepsis gegenüber den Möglichkeiten des Risikomanagements im Portfolio leicht gestiegen ist. Wie bereits erwähnt, sind die Anleger auch optimistisch, dass solche Investitionen uns dabei helfen können, den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt durch technologische oder naturbasierte Lösungen zu bekämpfen. Eine Reihe anderer Themen (z. B. Ozeanverschmutzung) wird möglicherweise noch unterschätzt, und das Wissen über zugrunde liegende ESG-Konzepte ist möglicherweise begrenzt.
In der diesjährigen Umfrage haben wir auch einen wichtigen Einblick in die Erwartungen der Anleger an Finanzinstitute gewonnen. Das Ergebnis kann als allgemeiner Bewusstseinswandel angesehen werden. Wie wir später erörtern werden, ist es offensichtlich, dass viele Anleger vom Finanzsektor erwarten, dass er bei der Messung und dem Management naturbezogener Risiken und dem Schutz der Portfolios vor diesen Risiken eine Vorreiterrolle einnehmen soll, aber es besteht Unsicherheit darüber, ob die Finanzinstitute dies derzeit leisten können. Die Demonstration solcher Fähigkeiten des Finanzsektors – zusammen mit der Schließung von Wissenslücken bei den Anlegern – gehört zu den wichtigsten Herausforderungen der Zukunft.
Wie in der Einleitung erwähnt, gab es im vergangenen Jahr verstärkt Gegenwind für ESG. Die Wertentwicklung einiger ESG-Portfolios hat sich im Jahr 2022 vorübergehend verschlechtert, was in vielen Fällen auf den Russland-Ukraine-Krieg zurückzuführen ist, der die weniger ESG-freundlichen Rohstoff- und Energiesektoren begünstigt hat.
Es gab auch allgemeinere Fragen zur Fähigkeit von ESG, bedeutende Veränderungen herbeizuführen, zu zugrunde liegenden Metriken und der Investitionsmethodik sowie zu ihrer detaillierten Umsetzung. Nach historischen Phasen der Sensibilisierung für ESG und dem anschließenden raschen Wachstum treten wir nun möglicherweise in eine Phase der Konsolidierung, der Neuorientierung und des tieferen Verständnisses dafür ein, was ESG-Investitionen leisten können und sollten.
Doch wie unsere Umfrage zeigt, haben ESG-Anlagen auch in einem komplexen und unsicheren wirtschaftlichen Umfeld weiterhin Priorität für unsere Anleger. 78 Prozent der Befragten stimmen der Aussage, dass ihre Investitionen einen positiven Einfluss auf die Welt haben sollten, ganz oder teilweise zu (Abbildung 5). Dieser Anteil ist ähnlich hoch wie bei der letztjährigen Umfrage. 78 Prozent der Befragten sind auch der Meinung, dass Investitionen zur Förderung der Gesundheit unseres Planeten ihr Vermächtnis für ihre Kinder und Enkelkinder sind.
In der letztjährigen Umfrage haben wir festgestellt, dass mehr Frauen als Männer der Meinung sind, dass ihre Investitionen einen positiven Einfluss auf die Welt haben sollten. Dies trifft auch in diesem Jahr zu: 50 Prozent der weiblichen Befragten stimmten dieser Aussage voll und ganz zu, gegenüber 38 Prozent der männlichen Befragten. (Im Gegensatz dazu gab es bei den verschiedenen Altersgruppen keine signifikanten Unterschiede in den Antworten.) Abbildung 6 veranschaulicht diese Unterschiede in der Umfragepopulation.
Die meisten Anleger konzentrieren sich nach wie vor auf Umweltfragen und weniger auf soziale und die Unternehmensführung betreffende Fragen. Abbildung 7 zeigt, dass 50 Prozent der Meinung sind, dass Umweltfragen bei Investitionsentscheidungen am wichtigsten sind, gefolgt von Unternehmensführung (28 Prozent) und sozialen Fragen (23 Prozent). Diese Aufteilung ist im Großen und Ganzen ähnlich wie im letzten Jahr und stimmt mit der allgemeinen Wahrnehmung überein (z. B. stehen laut Global Risk Report des World Economic Forum 5 der 10 größten Risiken auf globaler Ebene in den nächsten 10 Jahren im Zusammenhang mit Umweltfragen).
Letztes Jahr hatten wir festgestellt, dass Millennials eher dazu neigen, sozialen Aspekten mehr Bedeutung beizumessen als andere Altersgruppen, und das ist auch dieses Jahr der Fall – 30 Prozent der Millennials waren der Meinung, dass die „S“-Säule die wichtigste ESG-Komponente sei, gegenüber nur 23 Prozent bei den anderen Altersgruppen. Ein weitaus höherer Anteil von Frauen als von Männern gibt außerdem an, dass soziale Faktoren für sie bei Investitionen wichtig sind (46 Prozent gegenüber 34 Prozent). Eine zusätzliche Frage in der diesjährigen Umfrage ergab, dass deutlich mehr Frauen als Männer soziale Themen wie Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, Unterstützung für Gemeinden und Unterstützung für supranationale Standards als sehr wichtig einstufen.
Zwei Punkte sind hier erwähnenswert. Erstens hat sich Europa in der Vergangenheit besonders auf die Säule „E“ konzentriert, und da die meisten unserer Umfrageantworten aus Europa stammen, wird dies das Gesamtbild beeinflussen. Ein zweiter Punkt mit Blick auf künftige Entwicklungen bei ESG als Investitionsrahmen bezieht sich auf die Tatsache, dass die Aufteilung in die Säulen „E“, „S“ und „G“ in gewisser Weise ein künstlicher Prozess ist.
Denn in dem Maße, in dem ESG-Investitionen einen weltweit akzeptierten Wandel unserer wirtschaftlichen und sozialen Strukturen vorantreiben, werden unseres Erachtens „S“- und „G“-Themen zunehmend als integraler Bestandteil des Fortschritts in der „E“-Säule angesehen werden und mehr Bedeutung erlangen. Besonders deutlich wird dies unserer Meinung nach im Zusammenhang mit der Energietransformation (und dem Umgang mit sich verändernden Energiepreisen) und dem „globalen Süden“: Länder, die wahrscheinlich stärker von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden, sind in der Regel auch wirtschaftlich schwächer und haben möglicherweise akutere soziale Probleme. Ihre Schwierigkeiten bei der Anpassung an den Klimawandel und dessen Abschwächung werden auch „S“- und „G“-Überlegungen einschließen müssen. In der Tat waren 3 der 10 dringlichsten Risiken, die in der oben erwähnten WEF-Studie genannt wurden, auf soziale Fragen zurückzuführen.
Innerhalb der „E“-Säule wird der Klimawandel nach wie vor als wichtigster Faktor bei Investitionsentscheidungen angesehen (Abbildung 8). 53 Prozent setzten ihn an die erste Stelle im Vergleich zu 46 Prozent in der letztjährigen Umfrage. In der diesjährigen Umfrage halten 21 Prozent der Befragten die Bodendegradation für das wichtigste Thema, während 15 Prozent die Verschmutzung der Ozeane und die nicht nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen anführen. Diese Werte haben sich im Vergleich zur Umfrage von 2021 nicht wesentlich verändert.
Der Anteil der Investoren, die die Biodiversität als wichtigstes Thema ansehen, sank jedoch von 11 Prozent im Jahr 2021 auf 7 Prozent im Jahr 2022. Dies ist ein kontraintuitives Ergebnis, wenn man bedenkt, dass Regierungen und Regulierungsbehörden den Verlust der Biodiversität stärker in den Mittelpunkt stellen und hoffen, dass auf der COP15-Tagung in Montreal im Dezember 2022 eine Einigung über ein globales Rahmenwerk für die Biodiversität (GBF) erzielt wird.
Die Prioritäten in diesem Bereich werden wahrscheinlich zum Teil von der aktuellen Medienaufmerksamkeit und dem damit verbundenen öffentlichen Bewusstsein bestimmt. Diese Ansicht wird durch die Tatsache gestützt, dass der Begriff „Klimawandel“ in öffentlichen Suchmaschinen weitaus häufiger gesucht wird als andere Begriffe wie „Biodiversität“. Mit zunehmendem Wissen über die Umwelt wird es unserer Meinung nach jedoch klarer werden, dass alle drei Kategorien – Biodiversität, Ozeanverschmutzung und Bodendegradation – eine wesentliche Rolle bei der Begrenzung des Klimawandels spielen müssen. Wie bereits erwähnt, sind wir der Meinung, dass ESG eine ganzheitlichere Sichtweise bietet und die Einstellungen der Anleger und die verfügbaren Kennzahlen dies widerspiegeln werden.
Regulierungspolitische Entwicklungen werden die marktgetriebenen Bemühungen unterstützen. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass die Anleger die negativen Folgen des Verlusts der Biodiversität für die Weltwirtschaft und Investitionen stark unterschätzen. Einer Schätzung zufolge ist mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entweder mäßig oder in hohem Maße von den Ökosystemleistungen der Natur abhängig. Die Biodiversitätslücke – definiert als „die Differenz zwischen den derzeitigen jährlichen Gesamtkapitalströmen für die Erhaltung der globalen Biodiversität und dem Gesamtbetrag der Mittel, die für ein nachhaltiges Management der Biodiversität und die Erhaltung der Integrität der Ökosysteme erforderlich sind“ – wird auf 600 bis 800 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Diese Lücke ist zu groß, um allein mit öffentlichen Mitteln geschlossen zu werden, und erfordert die Mobilisierung privater Mittel.
Die Investoren sind sich der Dringlichkeit des Problems bereits bewusst, sodass die Voraussetzungen für ein stärkeres Engagement gegeben sind. 59 Prozent der Umfrageteilnehmer sind der Meinung, dass der Klimawandel bereits jetzt schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat. Nur ein etwas geringerer Anteil ist der Meinung, dass die Bodendegradation (53 Prozent) und die Ozeanverschmutzung (49 Prozent) bereits solche Auswirkungen haben.
Insgesamt stimmte die große Mehrheit der Befragten auch der Aussage ganz oder teilweise zu, dass naturbedingte Risiken eine systemische Bedrohung für die lokale und globale Wirtschaft darstellen könnten (Abbildung 9).
Dieses Gefühl der Dringlichkeit geht mit einem moderaten Optimismus einher, dass die Menschheit in der Lage sein wird, den Verlust der Biodiversität, die Ozeanverschmutzung und den Klimawandel durch technologische Innovationen und naturbasierte Lösungen zu bewältigen (Abbildung 10). Es ist jedoch erwähnenswert, dass ein erheblicher Anteil der Befragten neutral oder pessimistisch blieb. Dies ist verständlich: Im Laufe der letzten 120 Jahre sind die weltweiten CO2-Emissionen von 1,95 Mrd. Tonnen auf 34,80 Mrd. Tonnen (2020) gestiegen. Die Emissionen haben sich also in diesem Zeitraum verachtzehnfacht, und obwohl sich die Länder ehrgeizige Ziele gesetzt haben, sind wir noch weit von einer Netto-Null-Emissionswirtschaft entfernt.
Die Antworten der Unternehmen liefern eine etwas andere Perspektive auf ESG. Unternehmenswerte und -überzeugungen werden als Hauptgrund für die Berücksichtigung des Verlusts der Biodiversität in den Unternehmensstrategien angesehen: 62 Prozent der Unternehmen halten dies für sehr wichtig (44 Prozent) oder wichtig (18 Prozent). Die Kundennachfrage und die Regulierung werden ebenfalls als sehr wichtige oder wichtige Gründe dafür angesehen (38 Prozent bzw. 36 Prozent der Befragten). Daten- und Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit der Minimierung von Treibhausgasemissionen werden von den Befragten als Chance (32 Prozent) oder große Chance (11 Prozent) gesehen, während nur 11 Prozent bzw. 6 Prozent sie als Bedrohung oder große Bedrohung ansehen.
Die Unternehmen erkennen die Bedeutung der Innovation an und sind der Meinung, dass die Innovation durch den Übergang zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft einen gewissen Rückenwind erhalten wird. 80 Prozent unserer Firmenkunden stimmen ganz oder teilweise zu, dass der Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft eine Triebfeder für Innovationen ist. 79 Prozent glauben, dass innovative Unternehmen auf dem Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft florieren werden. Etwa die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass sie Innovationen nutzt, um auf dem Weg zu einer Netto-Null-Wirtschaft Schritt zu halten oder sich Vorteile zu verschaffen (51 Prozent).
Während sich die Befragten jedoch nach wie vor enthusiastisch über ESG-Investitionen äußern und optimistisch sind, Lösungen für den Verlust der Biodiversität und den Klimawandel zu finden, sind die Anleger weniger zuversichtlich, dass sie über gute oder fundierte Kenntnisse der zugrunde liegenden Umweltkonzepte verfügen. Abbildung 11 zeigt das Bewusstsein für und das Wissen der Anleger über sieben Schlüsselkonzepte – die Netto-Null-Emissionswirtschaft, die Netto-positiv-Emissionswirtschaft, die dreifache planetarische Krise, naturbasierte Lösungen, naturbasierte Risiken, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und Naturkapital.
Abbildung 11 zeigt, dass die meisten Anleger über ein gewisses Bewusstsein für oder Wissen über die meisten dieser Konzepte verfügen. Aber es gibt eindeutig noch einige erhebliche „Wissenslücken“. Nur wenige Anleger geben an, über fundierte oder gute Kenntnisse mehrerer Konzepte zu verfügen – nur 18 Prozent im Falle naturbasierter Lösungen und 20 Prozent beim Naturkapital. Zu den Konzepten mit den größten „Wissenslücken“ gehören die dreifache planetarische Krise (54 Prozent wissen nicht viel darüber oder sind mit dem Konzept nicht vertraut), das Naturkapital (53 Prozent) und naturbasierte Lösungen (51 Prozent). Um diese „Wissenslücken“ zu schließen, ist ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden ESG-Kennzahlen erforderlich: Je tiefer und fundierter diese sind, desto mehr kann das Verständnis für solche langfristigen Themen wachsen – aber das könnte ein langwieriger Prozess sein.
Bildung wird von 38 Prozent der Befragten als sehr wichtige oder wichtige Triebkraft der ESG-Entwicklung angesehen. Wir stehen zudem erst am Anfang eines langen Weges, wenn es um detaillierte und umfassende Kenntnisse über die genauen und langfristigen Zusammenhänge zwischen ESG und Wertentwicklung geht. Etwa 51 Prozent der Befragten stimmen zu, dass Investitionen auf der Grundlage von ESG-Faktoren für langfristige Anleger besonders wichtig sind.
Allerdings sind nicht alle Gruppen unserer Befragten in gleichem Maße für diese Themen sensibilisiert. Millennials scheinen sich mehr mit klimabezogenen Herausforderungen zu beschäftigen. Sie sind möglicherweise auch besser über damit verbundene Konzepte wie die Netto-Null-Emissionswirtschaft oder die Netto-positiv-Emissionswirtschaft informiert. 23 Prozent der Millennials geben an, dass sie fundierte Kenntnisse über das Konzept der Netto-Null-Emissionswirtschaft haben. 21 Prozent sagen dasselbe für die Netto-positiv-Emissionswirtschaft. Nur 7,6 Prozent bzw. 6,6 Prozent der Befragten aus anderen Altersgruppen sagen das Gleiche. Dies gilt auch für das Konzept der naturbedingten Risiken (19 Prozent der Millennials gegenüber 10 Prozent der anderen Befragten).
Millennials sind auch optimistischer in Bezug auf Innovation. 17 Prozent der Millennials stimmen ganz zu, dass der Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft eine Triebfeder für Innovationen ist. Allerdings sagen nur knapp 6 Prozent der Befragten über 40 Jahre dasselbe. Millennials sind auch optimistischer, dass innovative Unternehmen auf dem Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft florieren werden – 17 Prozent der Millennials stimmen auch dieser Aussage ganz zu, im Vergleich zu weniger als 5 Prozent der anderen Befragten.
Die Debatte über ESG und Wertentwicklung ist eine altbekannte. Viele argumentieren, dass ein Engagement für ESG eine positive Korrelation mit der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens haben kann, aber alle Schlussfolgerungen sind wahrscheinlich stark von den betrachteten Vermögenswerten, den untersuchten Zeiträumen und anderen Faktoren abhängig – es gibt keinen einfachen Zusammenhang. Wir sind jedoch der Meinung, dass es sich lohnt, eine etwas andere Frage zu untersuchen, nämlich die, ob Anleger sich für Investitionen mit einem höheren ESG-Rating entscheiden, auch wenn die potenzielle finanzielle Rendite geringer ist. Interessanterweise deutet die Umfrage auf eine gewisse Bereitschaft hin, dies zu tun: 42 Prozent der Anleger würden ein Unternehmen mit einem AAA-ESG-Rating und einer erwarteten jährlichen Rendite von 4 Prozent einem CCC-Unternehmen mit einer erwarteten Rendite von 8 Prozent vorziehen.
Das Zusammenspiel von ESG und Risiko ist ebenfalls ein wichtiges Thema, bei dem sich die Überzeugungen der Anleger ändern können. Auf breiter Ebene stimmen 44 Prozent der Anleger der Aussage ganz oder teilweise zu, dass Investitionen auf der Grundlage von ESG-Faktoren zum Risikomanagement in einem Portfolio beitragen könnten (Abbildung 13). Dieses Maß an Vertrauen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken (51 Prozent im Jahr 2021), und 16 Prozent der Anleger stimmten dieser Aussage nicht zu. Wie bereits erwähnt, war dies angesichts der jüngsten globalen Entwicklungen (z. B. der Krieg zwischen Russland und der Ukraine) und deren Auswirkungen auf einige ESG-Strategien zu erwarten. Es liegt auf der Hand, dass wir die genauen Zusammenhänge zwischen Anlagerenditen und Risiken sowie die verschiedenen Arten von Risiken besser verstehen müssen. Um hier eine klarere Sichtweise zu erhalten, kann es notwendig sein, zwischen den mit dem wirtschaftlichen Übergang verbundenen Risiken (physisches Risiko, Übergangsrisiko, Haftungsrisiko und Ansteckungsrisiko) und den finanziellen Risiken (Kredit-, Markt-, Geschäfts- und Liquiditätsrisiko) zu unterscheiden.
Wir haben auch spezifische Fragen zu den Auswirkungen von Überlegungen zur Biodiversität auf Portfoliorisiken und -erträge gestellt. Rund 41 Prozent der Anleger stimmen ganz oder teilweise zu, dass die Portfoliorenditen wahrscheinlich höher sind, wenn Biodiversitätsaspekte in die Anlageentscheidungen einfließen (Abbildung 14). Vielmehr erwarten 61 Prozent, dass die naturbezogenen Risiken ihres Portfolios in diesem Fall geringer sind. Es ist jedoch anzumerken, dass die Überzeugung der Anleger in der Frage der Wertentwicklung insgesamt nicht sehr hoch ist: 43 Prozent stimmten dieser Aussage weder zu noch widersprachen sie ihr.
Eine nützliche Ergänzung zur Messung der Wahrnehmung der Auswirkungen von ESG auf Portfoliorisiken und -renditen ist die Untersuchung der Ansichten über sektorale Gewinner und Verlierer. Daher haben wir unsere Kunden gefragt, welche Sektoren am stärksten von naturbedingten Risiken betroffen sind. Es überrascht nicht, dass Energie (21 Prozent), Rohstoffe (14 Prozent) und Industriewerte (11 Prozent) als die Sektoren angesehen werden, die am stärksten von naturbedingten Risiken betroffen sind. Betrachtet man das Problem von der anderen Seite, so sehen die Befragten Versorgungsunternehmen (17 Prozent), IT und Gesundheitswesen (jeweils 14 Prozent) als die Sektoren mit dem größten Wachstumspotenzial auf dem Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft.
Angesichts dieser Ungewissheit in Bezug auf die Risiken erwarten die Anleger, dass die Finanzinstitute ihre Expertise zur Verfügung stellen. 68 Prozent der Anleger erwarten von ihrem Finanzinstitut, dass es in der Lage ist, naturbedingte Risiken genau zu messen und zu steuern. 75 Prozent erwarten von ihrem Finanzinstitut, dass es in der Lage ist, ihr Portfolio angemessen vor naturbedingten Risiken zu schützen (abgeleitet aus Abbildung 15).
Aber können solche Erwartungen an Finanzinstitute erfüllt werden? 46 Prozent unserer Kunden stimmen ganz oder teilweise zu, dass „mein Finanzinstitut in der Lage ist, mir das entsprechende Fachwissen und die Lösungen für den Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft zu bieten“. Wir haben die Anleger aber auch gefragt, ob die Finanzinstitute bereits in der Lage sind, naturbezogene Risiken genau zu messen und zu managen. Die Ergebnisse sind eher ambivalent (Abbildung 16). 26 Prozent der Anleger stimmten weder zu noch lehnten sie ab, dass Finanzinstitute dazu in der Lage sind – und die Anteile der Befragten, die dem eher zustimmten oder nicht zustimmten, hielten sich die Waage (25 Prozent gegenüber 22 Prozent). Daraus lässt sich schließen, dass Kunden wollen, dass die Finanzinstitute naturbedingte Risiken verstehen und managen können, aber noch nicht darauf vertrauen, dass sie dies auch können.
Solche Einschätzungen sind wichtig, da unter den internationalen Organisationen, die sich mit naturbedingten Risiken befassen, ein weitreichender Konsens darüber besteht, dass die Finanzinstitute eine wichtige Rolle bei der Umlenkung des Kapitals in Richtung Nachhaltigkeit spielen müssen. Die Anleger können die Finanzintermediäre als am Anfang eines Transformationsprozesses stehend betrachten: Die Diskussionen innerhalb dieser Institute sowie zwischen ihnen und ihren Kunden werden intensiver. Auf dieser Grundlage könnte das Vertrauen in die Fähigkeit der Finanzinstitute, mit naturbedingten Risiken umzugehen, in den nächsten Jahren wachsen. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass der Wandel zur Nachhaltigkeit insgesamt eine Umgestaltung der Lebensweise unserer Gesellschaft erfordert. Während die Banken weiterhin eine wichtige Rolle als Kapitalvermittler spielen, müssen öffentliche Einrichtungen, andere private Unternehmen und die breite Öffentlichkeit auf dieses gemeinsame Ziel hinarbeiten.
Interessant ist, dass unter den Anlegern bereits ein größerer Konsens darüber besteht, dass Finanzinstitute in der Lage sind, das entsprechende Fachwissen und Lösungen für den Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft bereitzustellen. 46 Prozent stimmen ganz oder teilweise zu, dass sie dies tun. Es besteht also ein größeres Vertrauen in die Fähigkeiten der Finanzinstitute in bestimmten Bereichen.
Die Finanzinstitute stehen daher möglicherweise vor einer doppelten Herausforderung. Sie müssen ihre Relevanz und ihre Fähigkeit aufzeigen, „alle Finanzströme zur Unterstützung der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Biodiversität“ auszurichten (wie im Übereinkommen über die biologische Vielfalt 2021 (Convention of Biological Diversity in 2021) vereinbart). Aber sie müssen auch weitere Fachkenntnisse und Fähigkeiten entwickeln, um Risiken innerhalb einzelner Portfolios zu messen und zu verwalten. Die derzeitige Überzeugung der Kunden, dass sie dazu in der Lage sind, muss durch Fortschritte bei der Schaffung eines gründlichen und praktischen Analyserahmens und dessen Nutzung (mit Unterstützung der Zentralbanken und Aufsichtsorgane) zur Entwicklung einer umfassenderen Risikobewertung und -steuerung unterstützt werden. Dies ist eine schwierige Aufgabe in einer Zeit des raschen wirtschaftlichen und investitionsbezogenen Wandels – aber es ist eine wesentliche Aufgabe.
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind inzwischen weltweit in Form von Dürren, schweren Stürmen, Überschwemmungen und Temperaturschwankungen sichtbar.
Das wachsende Bewusstsein für die Umweltgefahren geht mit einem kontinuierlichen Wachstum der ESG-Investitionen einher. Solche Investitionen werden auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil unserer Antwort auf diese vom Menschen verursachte Krise sein. Es ist jedoch sinnvoll, immer wieder zu hinterfragen, wie ESG-Investitionen am besten getätigt werden sollten, was Anleger von ihren ESG-Investitionen erwarten und was diese realistischerweise leisten können.
Die diesjährige Umfrage bestätigt, dass die Anleger weiterhin wollen, dass ihre Investitionen eine positive Wirkung haben. Der Klimawandel ist für sie das wichtigste Umweltproblem, und die Besorgnis über seine wirtschaftlichen Auswirkungen ist nach wie vor groß. Die Anleger sind optimistisch, dass wir den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität wirksam bekämpfen können.
Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit und wie effektiv diese Bedenken in Investitionsentscheidungen umgesetzt werden können. Die Umfrage zeigt, dass viele Anleger nach wie vor davon überzeugt sind, dass ESG-basierte Investitionen die naturbedingten Risiken in den Portfolios verringern können, und viele Anleger glauben auch, dass ESG-basierte Investitionen die Renditen steigern können – aber Anleger werden Unterstützung brauchen, um diese beiden Ziele zu erreichen.
Die Finanzinstitute werden zeigen müssen, dass sie dies leisten können. Die Umfrage zeigt, dass die Anleger bereits darauf vertrauen, dass die Finanzinstitute ihren Kunden mit Fachwissen und Lösungen auf dem Weg zu einer Netto-Null-Emissionswirtschaft helfen können. Es besteht jedoch eine größere Skepsis, ob Finanzinstitute naturbedingte Risiken genau messen und managen können. Diese Skepsis muss durch vertiefte Kenntnisse und Diskussionen überwunden werden. Finanzinstitute müssen zeigen, dass sie bei ESG-Investitionen so vorgehen können, dass diese sowohl ihren Investoren als auch dem Planeten zugutekommen.
Aktuelle Marktkommentare erhalten Sie im täglichen Newsletter „PERSPEKTIVEN am Morgen“.
Redaktionsschluss: 15.12.2022, 14:00 Uhr
Wichtiger Hinweis: Derzeit fehlt es an einheitlichen Kriterien und einem einheitlichen Marktstandard zur Bewertung und Einordnung von Finanzdienstleistungen und Finanzprodukten als nachhaltig. Dies kann dazu führen, dass verschiedene Anbieter die Nachhaltigkeit von Finanzdienstleistungen und Finanzprodukten unterschiedlich bewerten. Zudem gibt es aktuell neue Regulierungen zum Thema ESG (Environment = Umwelt, Social = Soziales, Governance = Unternehmensführung) und Sustainable Finance (nachhaltige Finanzwirtschaft), die noch konkretisiert werden müssen, sowie noch nicht finalisierte Regulierungsvorhaben, die dazu führen könnten, dass gegenwärtig als nachhaltig bezeichnete Finanzdienstleistungen und Finanzprodukte die künftigen gesetzlichen Anforderungen an die Qualifikation als nachhaltig nicht erfüllen.
Quellen:
1. Deutsche Bank CIO Special: ESG and investment performance: challenges ahead?, Juli 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
2. Morningstar: Global Sustainable Fund Flows Report, Q2 2022, Juli 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
3. Forbes: A Critique Of Tariq Fancy’s Critique Of ESG Investing: An Interview With Clara Miller, Oktober 2021. Abgerufen im Oktober 2022.
4. The Economist: ESG should be boiled down to one simple measure: emissions, Juli 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
5. World Economic Forum: Global Risk Report 2022, Januar 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
6. World Economic Forum: How hard could climate change hit the global economy, and where would suffer most?, April 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
7. World Economic Forum: How the UN’s Global Biodiversity Framework could become the ‘Paris Agreement for nature’, Oktober 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
8. Alphabet: Google Trends, September 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
9. World Economic Forum: Half of World’s GDP Moderately or Highly Dependent on Nature, Says New Report, Januar 2020. Abgerufen im Oktober 2022.
10. Paulson Institute, The Nature Conservancy, Cornell Atkinson Center for Sustainability: Financing Nature: Closing the Global Biodiversity Financing Gap. Full Report, September 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
11. Global Canopy: The Little Book of Investing in Nature. A simple guide to financing life on Earth, Januar 2021. Abgerufen im Oktober 2022.
12. Global Carbon Project: Data supplement to the Global Carbon Budget 2021, April 2022. Abgerufen im Oktober 2022.
13. Gunnar Friede, Timo Busch & Alexander Bassen (2015): ESG and financial performance: aggregated evidence from more than 2000 empirical studies, Journal of Sustainable Finance & Investment, 5:4, 210-233, DOI: 10.1080/20430795.2015.1118917. Abgerufen im Oktober 2022.
14. United Nations Environment Programme: UN-convened Net-Zero Asset Owner Alliance. Abgerufen im Oktober 2022.
15. European Commission: Biodiversity financing. Abgerufen im Oktober 2022.
16. Green Finance Platform: Finance for Biodiversity Initiative. Abgerufen im Oktober 2022.
17. World Resource Institute: Shifting and Mobilizing Finance for Sustainability. Abgerufen im Oktober 2022.
Glossar