Bald wird es möglich sein, ohne Handy direkt aus dem Auto heraus einzukaufen und zu bezahlen. Für Banken und Autokonzerne öffnet sich ein riesiger Markt. Aber noch halten ihn ziemlich triviale Themen am Boden.
Als David Hasselhoff in der Achtzigerjahre-Kultserie „Knight Rider“ mit seinem Wunderauto KITT Verbrecher jagte, konnte der futuristisch anmutende Pontiac Trans Am so gut wie alles: sprechen, die Umgebung scannen, sogar die Kontrolle über andere Fahrzeuge übernehmen. KITT hatte auch einen Schleudersitz und einen „Turbo-Boost“, am Ende konnte das Auto selbst menschliche Wesenszüge wie Freundschaft und Ironie zum Ausdruck bringen. Eines konnte KITT allerdings nicht: bezahlen.
Selbst die modernsten Autos der Gegenwart verfügen nur über einen Bruchteil der fiktiven Fähigkeiten der automobilen Serien-Ikone. Aber beim Bezahlen steht der „Roll-out“ nun bevor. Weltweit wurden 2021 – meistens im Testumfeld – gut 87 Millionen „In-Car Payments“ getätigt. Das ist noch keine relevante Zahl, aber Marktforscher glauben, dass der Markt in Kürze explodieren wird und im Jahr 2026 schon 4,6 Milliarden Transaktionen zu Buche stehen könnten – eine jährliche Wachstumsrate von mehr als 120 Prozent.
Und auch dies dürfte erst der Anfang sein, wie ein simpler Vergleich zeigt. Allein Paypal wickelte 2021 mehr als 19 Milliarden Transaktionen ab, das waren 45 Transaktionen pro Account. Weltweit gibt es 1,4 Milliarden Autos, rund 70 Millionen Pkw werden Jahr für Jahr zugelassen – ein Potenzial, das selbst die erwarteten 4,6 Milliarden Transaktionen wie ein kleines Zwischenziel erscheinen lässt und dazu führt, dass bereits viele Banken, Karten- und Zahlungsanbieter dieses Geschäftsfeld aktiv erkunden.
„Autos werden sich dank der 5G-Mobilfunktechnologie und der vielen Sensoren im Auto in Zukunft dauerhaft mit ihrer Umgebung vernetzen.“
Robin Brass, Deutsche Bank
Doch es gibt noch Hürden. Die wichtigste ist eine technische: Wenn die Autohersteller nicht die nötige Hardware in ihre Bordassistenzsysteme einbauen, kann der Markt nicht abheben, denn auch im Auto gilt die rechtliche Vorgabe der Zwei-Faktor-Authentifizierung: Um eine Zahlung freizugeben, genügt es nicht, irgendwo eingeloggt zu sein – man benötigt auch „Besitz“ oder „Inhärenz“. Und klar ist: Aus Sicherheitsgründen müssen sich Autoinsassen in einer sicheren und einfachen Weise identifizieren, die sie nicht vom Fahren ablenkt, also mit Gesichts-, Augen- oder Stimmerkennung.
Dafür braucht es im Pkw die entsprechenden Systeme. „Die Autohersteller beginnen langsam damit, genau diese Hardware serienmäßig in neue Modelle einzubauen, beispielsweise Mercedes in die neue Elektrolimousine EQS“, freut sich Robin Brass, der bei der Deutschen Bank das Thema In-Car Payments vorantreibt.
Doch dies erhöht den Preis der Fahrzeuge, weshalb auch Autokonzerne von In-Car Payments profitieren müssten, um mitzuziehen. Brass ist sich sicher, dass dies gelingen wird: „Erstens wertet es das eigene Produkt auf und bringt möglicherweise Käufer dazu, sich für dieses Auto zu entscheiden, wenn es ‚in-car payment ready‘ ist. Ein besonders cleveres, einfach zu bedienendes Zahlungssystem wäre ein klarer Vorteil gegenüber den Autos der Wettbewerber. Und zweitens würden sich die Hersteller damit neue Umsatzpotenziale erschließen.“ Brass denkt an das Freischalten zusätzlicher Autofunktionen wie den autonomen Staupiloten oder das Bezahlen von Ersatzteilen, Reparaturen und Wartungsservices in den Vertragswerkstätten des Herstellers.
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70 Millionen
Pkw werden Jahr für Jahr zugelassen.
Neben diesen internen Möglichkeiten liegt der Großteil der potenziellen Anwendungsfelder außerhalb des Cross-Selling-Radius der Autokonzerne, zum Beispiel beim Bezahlen von Parktickets, Maut oder bei Drive-in-Restaurants. Ebenso könnten schnelle Einkäufe eines Tages bequem auf der Fahrt nach Hause erledigt werden. „Ein großes Thema ist auch das Tanken an Stromladepunkten“, glaubt Brass – und denkt dabei schon an die fernere Zukunft, wenn Autos eines Tages wirklich dazu in der Lage sein werden, vollständig autonom zu fahren. „Dann könnte man sein Auto zur nächsten Ladestation schicken, vorher ein Zahlungslimit freigeben, und das Auto würde dann nicht nur autonom tanken, sondern auch direkt bezahlen.“ Noch muss jeder Autofahrer in all solchen Situationen das Auto stoppen und sein Handy zücken, um eine Zahlung händisch freizugeben.
Ein möglicher Stolperstein ist aber noch die Haftungsfrage: Wer übernimmt das Ausfallrisiko sowie die Missbrauchs- und Diebstahlhaftung, wenn die eindeutige Identifizierung komplett über die Hard- und Software des Autobauers durchgeführt wird? „Kartenanbieter müssten das einpreisen, falls Autokonzerne nicht haften möchten“, sagt Brass.
Für die Autohersteller gibt es aktuell also einige Gründe, neben ihren großen Initiativen in den Bereichen Elektromobilität, Ladeinfrastruktur und autonomes Fahren nicht auch noch die In-Car Payments vehement voranzutreiben. Deshalb sind es im Moment eher die Finanzdienstleister, die das Thema anschieben.
Brass setzt aber darauf, dass Stimm- oder Gesichtserkennungssysteme bald nicht mehr nur in die Flaggschiff-, sondern auch in die Mittelklassemodelle serienmäßig eingebaut werden. Mit Blick auf die üblichen Modellentwicklungszyklen der Autoindustrie schätzt er, dass diese Technik „in drei bis vier Jahren“ in der Mittelklasse Verbreitung finden wird.
Wenn die Autohersteller nicht die nötige Hardware in ihre Bordassistenzsysteme einbauen, kann der Markt nicht abheben, denn auch im Auto gilt die rechtliche Vorgabe der Zwei-Faktor-Authentifizierung.
Spätestens dann dürfte der Knoten platzen: „Autos werden sich dank der 5G-Mobilfunktechnologie und der vielen Sensoren im Auto in Zukunft dauerhaft mit ihrer Umgebung vernetzen. Kann man sich diesen Verschmelzungsprozess wirklich ohne ‚seamless payments‘ vorstellen? Dass die Autofahrer rechts ranfahren müssen, um über ihr Mobiltelefon eine Zahlung freizugeben?“ David Hasselhoff konnte schon vor 40 Jahren fast alles im Auto erledigen.
10/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Michael Hedtstück. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.