KYC: tausche Informationen gegen Schutz vor Unheil

KYC ist ein Schmerzpunkt, nicht nur für die Firmenkunden. Wir werfen einen Blick in den Maschinenraum der Deutschen Bank. Und da findet sich zwar keine Aussicht auf deutliche Entlastung der Kunden, aber immerhin ein ganzes Set guter Nachrichten.

Das Auge kann viel: genau hinschauen und zur Identifikation dienen. Know Your Customer (KYC) verlangt einen scharfen Blick von der Bank.

Das Auge kann viel: genau hinschauen und zur Identifikation dienen. Know Your Customer (KYC) verlangt einen scharfen Blick von der Bank. Foto: adobe stock

Der Treasurer das DAX-Konzerns kann es nicht fassen: „Wir haben seit über hundert Jahren ein Konto bei unserer Bank. Trotzdem haben wir es nach sechs Monaten immer noch nicht geschafft, für unsere Tochtergesellschaft in der Slowakei ein Konto zu eröffnen. Das kann doch nicht wahr sein!“ Dieser Ausbruch ist schon ein paar Jahre her, doch wirklich besser geworden ist es seitdem nicht. „Know Your Customer“ oder kurz KYC treibt viele Unternehmen zur Verzweiflung. Aber nicht nur die Firmenkunden, auch die Banken haben mit dem Thema zu kämpfen. Darum lohnt ein Blick auf die Bankenseite um zu verstehen, wo der Schuh drückt – und wo Besserung winkt.
Kurz gefasst: Die Banken sind nicht unbedingt zu beneiden. Der Gesetzgeber bürdet ihnen eine Menge auf, damit sie keine Handlanger krimineller Geschäfte werden – insbesondere im Zahlungsverkehr beim Thema Geldwäsche, aber auch bei der Finanzierung verbotener Aktivitäten. Wer als Bank nicht genau genug hinschaut, riskiert Strafen in Milliardenhöhe. Auch darum hat die Zunft große Anstrengungen unternommen, den Anforderungen gerecht zu werden.

Drum prüfet, wer sich bindet

Einfach ist das nicht. Bei der Deutschen Bank hat Florian Pfeiffer als Head Cash & Regulatory Service den Hut dafür auf, den Firmenkunden im Zahlungsverkehr und verwandten Dienstleistungen ein professionelles Kundenerlebnis zu bescheren. Er hat aber auch die knifflige Aufgabe, die Firmenkundenbetreuer zu entlasten und das Thema KYC zentral in den Griff zu bekommen. Und das ist durchaus eine Herausforderung: „Wir wollen machbares Geschäft machbar machen“, sagt Pfeiffer. Vor dem Geschäft stehen aber zahlreiche Prüfungen, die mit dem Start der Kundenbeziehungen nicht beendet sind, sondern immer wieder durchgeführt werden müssen.

Dafür betreiben Banken einen gewaltigen Aufwand. Pfeiffer hat ein Team von über 100 Mitarbeitern mit einem breiten Erfahrungsspektrum zusammengestellt. „Wir haben Kollegen aus dem Vertrieb, aus der Risikoprüfung und auch aus der IT-Abteilung an Bord geholt“, sagt Pfeiffer. „Dadurch verfügen wir über ein breites Kompetenzspektrum.“ Die KYC-Truppen werkeln allerdings nicht im stillen Kämmerlein, sondern sind auf die Mitarbeit der Firmenkunden angewiesen. Vor allem kleinere Unternehmen mit internationalem Geschäft stöhnen über die Komplexität und Langwierigkeit der Prozesse. Pfeiffer versteht den Unmut mancher Kunden und versucht den Aufwand auf Kundenseite auf ein Minimum zu beschränken.

„Wir wollen machbares Geschäft machbar machen.“

Florian Pfeiffer, Deutsche Bank

Dabei liegt der größte Brocken bei den Banken. Pfeiffer blickt auf eine dreijährige Herkulesarbeit zurück: Auf Anordnung des Regulators musste die Bank sämtliche Kundenakten durcharbeiten und auf den neusten Stand bringen. Da sich zwischendurch auch die Gesetzgebung immer wieder änderte, musste auch das „on the fly“ eingearbeitet werden. Nun ist das Großprojekt abgeschlossen, die Arbeit aber noch lange nicht. Die Kunden müssen regelmäßig wieder überprüft werden, entweder in festen zeitlichen Rhythmen oder nach Auffälligkeiten. Aber was heißt „überprüfen“? Wenn bei einem Konzern in Singapur ein Thema aufpoppt, muss dann nur das Geschäft in Singapur überprüft werden oder der ganze Konzern? Es bleiben offene Fragen, die noch einer praxisgerechten Antwort harren. A propos Antwort: Wenn Unternehmen nicht ausreichend kooperieren, muss das für die Bank Konsequenzen haben: „Wir trennen uns auch von Kunden“, sagt Pfeiffer.

KYC wird selbstverständlich – und (etwas) einfacher

Die Regel ist das natürlich nicht, im Vordergrund steht der Frust über den Aufwand. Doch der Mensch gewöhnt sich an vieles. Pfeiffer setzt darauf, dass KYC in spätestens drei Jahren sowohl für die Banken als auch für die Unternehmen ein ganz normaler Prozess sein wird: „Vor vielen Jahren musste ich mit meinen Kunden noch darüber diskutieren, warum sie ihre Bilanz bei uns einreichen müssen“, erinnert er sich. Oft durfte der Firmenkundenbetreuer nur vor Ort einen raschen Blick hineinwerfen – tempi passati … „Heute verstehen die Kunden immerhin schon, dass sie um das Thema KYC nicht herumkommen.“

Schwerer zu verstehen ist allerdings, warum alle Banken unterschiedliche Informationen einfordern. Der Grund ist so simpel wie unbefriedigend: Die Banken müssen unterschiedliche externe Anforderungen erfüllen, und manche sind deutlich vorsichtiger als andere – auch wegen schlechter Erfahrungen. Ein Haus wie die Deutsche Bank ist besonders aufmerksam: „Als global aufgestellte Bank sind wir nicht nur dem deutschen Regulator unterworfen“, erklärt Pfeiffer. „Wir müssen den Anforderungen verschiedener Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt Rechnung tragen.“

KYC – was ist das und was soll das?

Foto: adobe stock

Der Prozess „Know Your Customer“ (KYC) umfasst die Prüfung der persönlichen Daten und Geschäftsdaten von Kunden eines Kreditinstituts. Ziel ist die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die gesetzlichen Grundlagen bilden das Geldwäschegesetz von 2008 und die inzwischen 5. EU-Geldwäsche-Richtlinie.
Im Rahmen des KYC-Prozesses werden u. a. die Art der Gesellschaft, die Tätigkeit, die Anzahl der Mitarbeiter, die Besitzverhältnisse und die Firmenstruktur sowie die wichtigsten Finanzkennzahlen erfasst. Die Herkunft von Geldern und Vermögen muss geklärt werden. Darüber hinaus müssen die Details der geplanten Kundenbeziehung wie Umfang oder Zahlungsverkehrsarten erfasst werden.
In Deutschland verfolgt die Aufsichtsbehörde BaFin selbst keine Geldwäscher, beaufsichtigt aber die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor. Die Aufsichtsbehörde befürwortet ein Europäisches Transparenzregister, das mit KYC-Daten aus der Identifizierung juristischer Personen und deren wirtschaftlich Berechtigter gespeist wird. Bevor ein solches zentralisiertes Register Realität werden könnte, müssten allerdings europäische Gesetze geändert werden.

Das erklärt allerdings noch nicht, warum keine zentrale Software-Lösung für den KYC-Prozess zur Verfügung gestellt wird. In Österreich haben die großen Banken sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen können, in Deutschland bislang nicht. Pfeiffer wünscht sich manchmal mehr externe Vorgaben für Standardisierungen. Am Angebot liegt es nicht: SWIFT als globaler Serviceprovider im Besitz der Banken ist mit der KYC Registry for Corporates ebenso auf dem Markt wie die Bertelsmann-Tochter arvato mit dem Tool cinfoni. Doch durchgesetzt hat sich noch kein Angebot, was an der Zurückhaltung sowohl der Banken als auch der Firmenkunden liegt. Doch der Zug ist in Bewegung, irgendwann werden Kunden aktualisierte Daten über eine zentrale Plattform einspeisen können.

Die Bonusleistung: Risikomanagement für den Mittelstand

Klar ist: Ein Haus wie die Deutsche Bank muss das Thema KYC umfassender angehen als einige kleinere Banken und ist dadurch für den Kunden mitunter etwas mühsamer. Als Wettbewerbsnachteil will Pfeiffer das allerdings nicht verstehen: „Die Komplexität zwingt uns, das Thema KYC nicht nebenbei zu erledigen. Das ist auch ein Vorteil.“ Was sich hinter dieser Einschätzung verbirgt: KYC ist auch ein kostenloser professioneller Sicherheits-Check für Mittelständler. Denn der Prozess identifiziert ja nicht nur die faulen Eier im Kundenportfolio einer Bank, sondern durchleuchtet auch die Geschäftspartner der Kunden.

Das kann Gold wert sein: Mehr als einmal hat Pfeiffer mit seinem Team bereits Kunden auf potenzielle Risiken aufmerksam gemacht, die dem Kunden selbst gar nicht bewusst waren. „Wir bauen einen enormen Erfahrungsschatz auf und können Zusammenhänge herstellen“ erklärt Pfeiffer. „Darum fällt uns manches auf, was unsere Kunden gar nicht sehen können.“ Noch häufen sich die Dankesschreiben vor Betrug bewahrter Unternehmen nicht auf Pfeiffers Tisch, aber eine Hilfestellung für die Governance der Kunden bieten Banken allemal. Dann hat sich die Mühe ganz schnell ausgezahlt.

05/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.