Ohne Kunststoff geht es nicht, doch dessen lange Lebensdauer belastet die Umwelt. Verbesserte Recyclingverfahren können helfen. Wir stellen drei unterschiedliche Ansätze von deutschen Unternehmen vor.
Allein in Deutschland werden jährlich 2,8 Milliarden Heißgetränkebecher verbraucht. Wurden in den Fünfzigerjahren nur rund 1,5 Millionen Tonnen Kunststoff pro Jahr weltweit hergestellt, sind es inzwischen annähernd 400 Millionen Tonnen. Der Großteil entsteht außerhalb Europas, doch der Plastikmüll und die Folgen sind überall spürbar, trotz großer Recyclinganstrengungen wie des seit mehr als drei Jahrzehnten existierenden Grünen Punktes. Nicht nur bei Kunden, auch bei den Gesetzgebern wächst das Bewusstsein für die Probleme, die noch mehr Kunststoff verursachen kann. Darum soll die Recyclingquote noch weiter steigen. Das Umweltbundesamt stellte Ende 2022 eine Studie vor, die unterschiedliche Maßnahmen zur Einschränkung von Neuware diskutiert. Ein Ergebnis: Rezyklateinsatzquoten könnten helfen, allerdings bergen die jeweiligen Lösungen auch Risiken; auch sei eine nationale Umsetzung wenig sinnvoll, sondern Europa am Zug.
Zahlreiche Unternehmen in Deutschland befassen sich bereits mit eigenen Lösungen, um die Recyclingquote zu erhöhen und Kunststoffe in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen. Wir stellen drei spannende Ansätze aus dem Mittelstand vor: von der Handelsplattform, die den Rezyklathandel vereinfacht, über den Röhrenhersteller mit Rezyklateinsatz bis zum Biokunststoff-Spezialisten, der beispielsweise verrottbare Kunststoffe anbietet.
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Mit mehr als 3.000 Nutzern aus über 100 Ländern ist Cirplus nach eigenen Angaben Europas größter Marktplatz für recycelte Kunststoffe. Das Unternehmen verbindet Kunststoffverarbeiter, Produkthersteller, Recycler und Entsorger in einem digitalen Beschaffungs- und Vertriebsprozess und schafft Transparenz über das aktuelle Angebot, sodass rund 25 Prozent der Kosten im Vergleich zu analogen Transaktionen eingespart werden können. Das schont auch das Klima, denn jede Tonne Rezyklat spart im Vergleich zur Neuware auf fossiler Basis rund 2 Tonnen CO2 ein, betont Christian Schiller, Geschäftsführer und Gründer von Cirplus.
Bislang ist Cirplus vor allem auf den europäischen Markt fokussiert, aber eigentlich kennt die Plattform keine Grenzen – auch nicht bei den angebotenen Kunststoffarten. Standard-Thermoplaste wie PET, PP, PE und PS machen das Gros aus. Aber mit wachsendem Interesse von Automobilindustrie und Baubranche kommen Kunststoffe wie PA, ABS und PC hinzu. Insbesondere im Bereich der Post-Consumer-Rezyklate – also Rezyklate auf Basis von Konsumprodukten wie Plastiktüten oder Kunststoffbechern, die in die Gelbe Tonne wandern – sieht das Unternehmen noch Nachholbedarf. Und auch in der Etablierung von Qualitätsstandards braucht es noch Fortschritte. Cirplus hat darum mit der DIN SPEC 91446 einen weltweit ersten Standard für hochwertiges Kunststoffrecycling und Digitalisierung initiiert und finanziert, der nach Unternehmensangaben derzeit in eine europäische Norm überführt wird und sogar vom Verband der Automobilindustrie (VDA) für den Rezyklateinsatz empfohlen wird. Selbsterklärtes Ziel von Cirplus ist es, eine echte Kreislaufwirtschaft zu etablieren.
Angefangen – und das erklärt auch den etwas sperrigen Namen – hat FKuR als Forschungsinstitut für Kunststoff und Recycling vor mehr als 30 Jahren. Der Gelbe Sack war ein Jahr zuvor gestartet, das gesamte Thema Kunststoffrecycling stand am Anfang seiner Entwicklung, und FKuR befasste sich vor allem mit der technologischen Weiterentwicklung des Recyclings. Inzwischen bietet das Willicher Unternehmen unterschiedlichste Biokunststoffe an: kompostierbar, aber auf fossiler Basis; nicht kompostierbar, aber auf biologischer Basis; manche sind sowohl biologisch als auch kompostierbar. Aber auch Rezyklate hat FKuR nicht aus dem Auge verloren. Entscheidend sei doch, sagt Geschäftsführerin Carmen Michels, dass „die Kohlenstoffe im Kreislauf bleiben“. Kunststoffe seien nicht zu verteufeln, entscheidend sei der Umgang mit ihnen. Wer biologisch abbaubare Materialien einsetze oder die Kunststoffe recycle, reduziere deutlich die Probleme, die Kunststoff heute bereite.
Die breite Produktpalette spiegelt nicht nur die unterschiedlichen Einsatzbereiche wider – beispielsweise verrottbare Mulchfolie oder Verpackungsblister aus Biokunststoffen. Auch das geografische Einsatzgebiet mache Unterschiede, wie Michels erläutert: Während hierzulande gerade das mechanische Recycling von Kunststoffen sehr gut sei, brauche es in Indien, wo FKuR ein Joint Venture betreibe, vor allem verrottbare Materialien. Eine klare Präferenz für bestimmte Produkteigenschaften wie Biomaterial oder Kompostierbarkeit kann Michels noch nicht ausmachen. Doch gerade Recycling sei in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt auch durch regulatorische Vorgaben, wieder stark nachgefragt. Trotz der aktuell großen Preisdifferenz zwischen preiswerter Neuware und teureren Rezyklaten werden Letztere in steigendem Maße eingesetzt. „Viele Industrien müssen sich mit dem ‚End of Life‘ ihrer Produkte auseinandersetzen und wollen ihre Wiedereinsatzquoten bei Kunststoff erhöhen. Das führt dazu, dass Rezyklate trotz höherer Kosten eingesetzt werden.“ Diese Preisdifferenz sei aber sicher nicht von Dauer, sagt Michels. Zukünftig werde sich das Niveau zunehmend angleichen.
Rohrsysteme aus technischen Kunststoffen für unterschiedlichste Anwendungsbereiche sind die Spezialität des hessischen Mittelständlers FRANK. Dabei legt das Unternehmen besonderen Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit. Kunststoffe werden nicht unbedingt in erster Linie mit dem Thema Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Dabei bieten die bekanntesten und am häufigsten verwendeten Kunststoffe PE und PP einzigartige Vorteile wie chemische Beständigkeit und lange Lebensdauer. Ideale Eigenschaften für die Herstellung von Rohrleitungssystemen, die lange und wartungsarm genutzt werden sollen.
„Unsere PE-Rohre können 100 Jahre und länger im Einsatz sein. Anders als zum Beispiel Plastiktüten werden sie nicht nach kurzem Gebrauch einfach weggeworfen“, betont Vertriebsleiter Matthias Haese. Außerdem seien die Rohre statisch für die Installation ausgelegt und könnten bei Bedarf repariert werden, auch das spare Ersatzprodukte. Und schließlich sind die Produkte leicht zu recyceln.
Unter dem Namen FRANK LOOP stellt FRANK Rohrsysteme her, die zum großen Teil aus mechanisch gewonnenen Rezyklaten (zum Beispiel aus Verschlüssen von PET-Flaschen), aber auch aus chemisch aufbereiteten Rezyklaten bestehen. Der große Vorteil des chemischen Recyclings: „Die Rohstoffhersteller können die Spezifikationen wie bei einem klassischen Neuprodukt klar vorgeben“, sagt Haese. Er sieht großes Potenzial in diesen noch relativ neuen Verfahren. Allerdings sind die Produktionskapazitäten noch begrenzt und die Preise entsprechend hoch. Geduld braucht es auch bei der Nachfrage. „Das Interesse wächst, aber es dauert, bis die Informationen etwa bei Kommunen im Beschaffungswesen ankommen.“ Doch Haese ist vom Trend überzeugt: „Das Umweltbewusstsein der Kunden wächst, und am Ende werden die Preise durch Skaleneffekte sinken.“ Außerdem seien die Mehrkosten für „grüne“ Rohre in der Gesamtbetrachtung eines Tiefbauprojekts ohnehin vernachlässigbar.
09/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.