Das Elektroauto ist die Zukunft – doch die bisherige Batterietechnik ist teuer, dauert lange zu laden und kostet wertvolle Ressourcen. Neue Technologien versprechen Besserung. Ein Überblick über den Stand der Entwicklung und die Positionierung deutscher Fahrzeughersteller.
Faktisch ist das Rennen über die Antriebstechnologie der automobilen Zukunft längst entschieden: Das Elektroauto wird in den kommenden Jahren den Markt dominieren; die Regierungen in den großen Automärkten der Welt drängen in diese Richtung, die Hersteller richten (bis auf wenige Ausnahmen) ihre Modellpalette entsprechend aus. Aber der Siegeszug der Elektromobilität bringt neue Herausforderungen: So mangelt es weiterhin an einer umfassenden Ladeinfrastruktur, auch fürchtet mancher, dass die für die Batterien benötigten natürlichen Ressourcen knapp werden.
160 Kilometer Reichweite in 5 Minuten nachladen. Verdreifachung der Energiedichte. Geringere Wärmebildung beim Nachladen. 95 Prozent Recyclingquote für Cobalt, Kupfer und Nickel. Kaum ein Monat vergeht ohne Nachrichten über Forschungsergebnisse im Batteriebereich. Längst sind auch deutsche Hersteller und Zulieferer in die Entwicklung eingestiegen, ob als Investor oder mit eigenem Forschungsteam. Dabei ist noch offen, welche Batterie-Technologie sich in welchem Umfang durchsetzen wird, denn für Konsumenten sind viele Faktoren entscheidend, die sich gegenseitig ausschließen können: Preis, Ladegeschwindigkeit, Größe, Reichweite, Sicherheit und Verfügbarkeit der notwendigen Materialien. Hersteller werden abhängig von ihrer Kundengruppe Prioritäten setzen müssen, ohne vorher wissen zu können, welche Innovation wirklich zur Marktreife kommen wird. Ein Mangel an Technologieoffenheit mit allen Vor- und Nachteilen herrscht auch im Elektromobilmarkt nicht.
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Tatsächlich sind die Batterien ein Knackpunkt, vieles gäbe es an den aktuell eingesetzten zu verbessern: Gesucht werden sicherere Akkus mit kürzerer Ladezeit und größerer Speicherkapazität. Außerdem sollten sie aus umweltfreundlicheren und besser verfügbaren Rohstoffen bestehen. Seit Jahren wird an Optimierungen der vorherrschenden Lithium-Ionen-Akkus gearbeitet, wird die Wiederverwendbarkeit und Recycling-Quote verbessert. Parallel werden Alternativen mit anderen Rohstoffen erforscht. Doch vieles von dem, was schon vor langer Zeit als „in wenigen Jahren fertig“ angekündigt worden war, ist bis heute nicht serienreif. Das gilt auch für die Feststoffbatterie, an der fast alle großen Autobauer und Batterieentwickler arbeiten. Nun soll es „in wenigen Jahren“ so weit sein – dann könnte es aber zu spät sein.
Kaum ein Medienbericht über die Zukunft von Elektrofahrzeug-Batterien kommt ohne Verweis auf Feststoffbatterien aus. Diese bieten gegenüber den heutigen „flüssigen“ Lithium-Ionen-Akkus zum einen mehr Sicherheit, da sie schwerer entzündlich sind. Außerdem könnten sie die Reichweite erhöhen und wären schneller zu laden. Die Branche ist seit Jahren an dem Thema dran: Volkswagen investierte rund 200 Millionen in den US-Batteriespezialisten „QuantumScape“, 2025 soll die Serienproduktion starten. BMW verspricht, dank einer Kooperation mit dem US-Batteriehersteller Solid Power schon „deutlich vor 2025“ die neue Technologie anbieten zu können. Auch Ford ist an Solid Power beteiligt. Der japanische Hersteller Honda, der in Sachen Elektromobilität noch hinterherhinkt, setzt auf Feststoffbatterien aus dem Hause LG und hat sich zudem mit Sony zusammengetan.
„Wenn sich die Feststoffbatterie noch weiter verzögert, könnte sie für die Automobilindustrie zu spät kommen.“
Felix Holz, Deutsche Bank
2025 oder sogar schon davor? Greentech-Experte Felix Holz von der Deutschen Bank, zuvor u.a. bei Fraunhofer mit netzunabhängiger Versorgung intensiv befasst, ist skeptisch. Er rechnet erst in fünf Jahren mit einer möglichen Serienreife der Feststoffbatterie. Es wäre nicht die erste Verschiebung des Serienstarts. Toyota und Renault hatten schon für Anfang der 2020er Jahre die Einführung angekündigt, heute spricht Toyota lieber von „2025 bis 2030“. Die Schwierigkeiten liegen unter anderem in den extrem anspruchsvollen Produktionsspezifikationen von „festen“ Elektrolyten, die die bisherigen flüssigen Elektrolyte der Lithium-Ionen-Akkus ersetzen sollen.
„Wenn sich die Feststoffbatterie noch weiter verzögert, könnte sie für die Automobilindustrie zu spät kommen“, sagt Holz. Denn für die Feststoffbatterieherstellung müssten neue Produktionskapazitäten aufgebaut werden, eine Umrüstung der bestehenden Infrastruktur wäre sehr aufwendig und würde die neuen Batterien deutlich verteuern. Das Hochfahren von Produktionskapazitäten ist voll im Gang. „Batteriefabriken in China, Europa und USA – das ist der Plan vieler OEMs. Teilweise in Eigenverantwortung, teils auch mit Kooperationspartnern“, erläutert Hans Remsing, Automotive-Spezialist bei der Deutschen Bank. Bislang werden Akkus vor allem in China produziert, nahe an wichtigen Rohstoffen, nahe am größten Automarkt der Welt. Doch mit dem Ende des Verbrenners in Europa und angesichts hoher Subventionen beispielsweise in den USA wird auch abseits Ostasiens der Elektro-Fahrzeugmarkt rapide wachsen. „Die Hersteller wollen vor Ort produzieren können und – auch das eine Lehre aus dem Halbleiterlieferkettenfiasko während der Corona-Pandemie – so wichtige Komponenten nicht erst aus China beziehen müssen“, sagt Remsing. Der VDMA listet in seiner „Roadmap Batterie-Produktionsmittel 2030“ einen geplanten Zubau nur der europäischen Hersteller in Europa von bis zu rund 1.100 GWh auf. Hinzu kommen noch Pläne und Bestände außereuropäischer Zellfabrikanten. Die Skaleneffekte solcher großen Produktionsmengen werden ein großer Vorteil der bestehenden Batterietechnologien sein.
„Batteriefabriken in China, Europa und USA – das ist der Plan vieler OEMs. Teilweise in Eigenverantwortung, teils auch mit Kooperationspartnern.“
Hans Remsing, Deutsche Bank
Zudem die derzeitige Lithium-Technologie weiterentwickelt wurde. Drei wichtige Fortschritte:
Vieles spricht dafür, dass insbesondere die Verbesserungen im LFP-Segment zu einer „Zweiteilung“ des Elektroauto-Markts führen könnte: Günstige Fahrzeuge, die keine große Reichweite benötigen, setzen LFP-Akkus ein; größere und teurere E-Autos Lithium-Ionen-Akkus auf NMC-Basis. Gerade in China dürfte das LFP-Segment rasch wachsen; in Europa dürfte die Technologie in erster Linie für Kompaktwagen interessant sein. Greentech-Experte Holz erwartet, dass diese beiden Spielarten auch künftige innovativere Technologien verdrängen könnten: „Der Skaleneffekt der globalen Massenfertigung könnte so einen großen Preisvorteil bringen, dass der technologische Vorteil einer Alternative riesig sein müsste angesichts der zu erwartenden Kosten.“ Nur: Ist der im Massenmarkt Automobil überhaupt notwendig? Holz: „In ein bis zwei Jahren dürfte es durch bessere Kathoden einen weiteren Effizienzsprung geben, die Reichweite steigen. Dann sind 500 Kilometer Reichweite bei 20 Minuten Ladedauer sehr realistisch.“ Selbst für längere Reisen müsste sich der bisherige „Diesel-Fahrer“ dann kaum umstellen beim Stromtanken.
Innovationen wie Sodium-Ionen-Batterien oder Lithium-Sulfur-Akkus, die erst in der Entwicklung sind, könnten sich dann wohl nur in Märkten außerhalb des Automobil-Massensegments behaupten. Aber auch das ist keinesfalls sicher. Die Lithium-Ionen-Technologie könnte dank Skaleneffekten so günstig sein, dass sich ihr Einsatz selbst dort lohnt, wo ihre hohe Leistung eigentlich nicht gebraucht würde.
05/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.