In Feiertagsspendierlaune

Bis zu 11 Milliarden Euro mehr Wirtschaftsleistung, wenn auch am Pfingstmontag mehr gearbeitet würde – das verspricht mancher Ökonom. Nur ist es leider nicht so einfach, haben andere Länder erlebt.

Der Pfingstbaum ist geschmückt – doch muss künftig auch am Pfingstmontag wieder gearbeitet werden? In einigen Ländern wurde der Feiertag bereits gestrichen. Foto: Adobe Stock

Der Pfingstbaum ist geschmückt – doch muss künftig auch am Pfingstmontag wieder gearbeitet werden? In einigen Ländern wurde der Feiertag bereits gestrichen. Foto: Adobe Stock

„Wir haben in Deutschland zu viele Feiertage und zu viel Urlaub. Nicht jeder Feiertag muss zwangsläufig arbeitsfrei sein. An Pfingstmontag sollte gearbeitet werden“, sagte Anton Börner, Chef des Bundesverbandes des Groß- und Außenhandels. Das war vor 20 Jahren. Seitdem ist die Forderung nach einer Abschaffung mindestens eines deutschen Feiertags immer wieder erhoben und schnell wieder verworfen worden. Nun hat die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, den Vorschlag wieder aufgegriffen. Das arbeitgebernahe IW Köln hat gleich nachgerechnet und kommt auf 5 bis 8,6 Milliarden Euro zusätzlicher Wirtschaftsleistung – also auf ein Plus von rund 0,1 bis 0,2 Prozent. Der niedrige Wert ergab sich aus der bloßen Kalenderbereinigung – analog der Schwankung von Arbeitstagen pro Jahr. Der höhere Wert simulierte einen Produktionsanstieg bei gleichzeitiger Kosteneinsparung durch Feiertagszuschüsse. Schon 2023 hatte Guntram Wolff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) vorgerechnet, dass die von ihm geforderte Streichung gleich zweier Feiertage das BIP um 0,5 Prozent stärken würde. Grob gerechnet hieße das: 11 Milliarden Euro BIP für ein Deutschland ohne einen freien Pfingstmontag. (Der Pfingstmontag bietet die Vorteile, dass er immer auf einen Wochentag fällt und keine religiöse Bedeutung hat. In Italien und Schweden wurde er bereits abgeschafft.)

Medial machen nun vor allem die 8 Milliarden Euro die Runde, dabei hat das IW Köln selbst schon eingeschränkt: 8,6 Milliarden Euro sind die Obergrenze bei voller Auslastung. Das zeigt schon ein Problem auf: Deutschlands Schrumpfwirtschaft ist trotz Fachkräftemangel nicht überall voll ausgelastet. Der Effekt dürfte daher niedriger sein, wie auch Italien schon erleben musste. In den 1970ern steckte das Land in einer schweren Wirtschaftskrise mit Stagflation und hoher Staatsverschuldung. Im Rahmen eines Austeritätsprogramms strich Italien darum zwei staatliche und vier kirchliche Feiertage. Damit sank die Zahl der jährlichen Feiertage von 16 auf 10. In Deutschland sind es je nach Bundesland 10 bis 12 (in Bayern regional bis zu 14).

Enttäuschung in Italien

Auf dem Papier versprach die Abschaffung Italien mehr Produktionstage und weniger Feiertagszuschläge, beispielsweise im öffentlichen Dienst. Das Jahresarbeitsvolumen sollte um rund 2,4 Prozent steigen, so die Erwartung. Doch die Realität enttäuschte: Die Streichung von sechs Feiertagen war in Italien fast folgenlos, denn das jährliche Produktionsvolumen blieb praktisch unverändert.

In Italien sind gleich sechs Feiertage gestrichen worden. Der Wachstumsimpuls blieb aber aus.

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2014 über die Jahre vor und nach 1977 fand heraus, dass Feiertage in Italien im Gegenteil sogar einen kleinen positiven oder neutralen Einfluss auf die Wirtschaft gehabt hatten. Das lag daran, dass die italienischen Unternehmen bereits zuvor flexibel mit den Feiertagen umgegangen waren und mit Vor- und Nachproduktion, Extra-Schichten usw. den Wegfall oder die Mehrarbeitszeit aufgefangen hatten. Weggefallen waren aber die motivierenden und regenerierenden Effekte von Feiertagen sowie die Vorteile für den Tourismussektor. Außerdem hatten die starken Gewerkschaften dafür gesorgt, dass in den 1980er Jahren Arbeitszeitverkürzungen wie mehr Urlaubstage den Streicheffekt zum Teil wieder aufhoben. Langfristig wurden letztlich einige der zuvor gestrichenen Feiertage wieder eingeführt. Die Lehre aus dem italienischen Vorgehen lautete daher: Wenn Aufträge und Konsum schwächeln, verpufft der Output-Effekt von weniger Feiertagen.

Vorbild Dänemark

In der aktuellen Diskussion wird lieber auf das aktuelle Beispiel Dänemark verwiesen. Dort ist seit 2024 der „Große Bettag“ abgeschafft, der seit 1686 am Freitag vier Wochen nach Ostern begangen wurde. Begründet wurde die Maßnahme mit steigenden notwendigen Verteidigungsausgaben. Erwartet wurden rund 600 Millionen Euro zusätzlicher Staatseinnahmen, die den Großteil der Anhebung bei den Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP finanzieren sollten. Die Entscheidung 2023 war dennoch sehr umstritten, auch unter Ökonomen. Angezweifelt wurde beispielsweise die Annahme, dass das Mehrangebot von rechnerisch 8.500 Arbeitskräften von Dauer sei. Dafür gebe es keinerlei empirische Belege. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit so anpassen würden, wie sie es gern hätten. In Dänemark gibt es annähernd Vollbeschäftigung – eine schleichende Kompensation durch Freizeitausgleich an anderer Stelle, beispielsweise höhere Urlaubsansprüche, sei wahrscheinlich. Noch liegen keine Daten vor, wie hoch die Mehreinnahmen durch die Feiertagsabschaffung wirklich ausgefallen sind.

Auch Deutschland selbst dient als Beispiel für eine erfolgreiche Feiertagsstreichung. Vor 30 Jahren wurde der Buß- und Bettag abgeschafft, um die Pflegeversicherung zu finanzieren. Die Berechnung der Effekte durch den Sachverständigenrat 1995 war beispielsweise das Vorbild für die aktuelle Berechnung des höheren IW-Köln-Werts. Doch nicht nur die späteren Beitragserhöhungen zur Pflegeversicherung lassen erahnen, dass der langfristige Effekt der Abschaffung überschaubar gewesen ist: Sachsen war damals aus der Regelung ausgeschert und hat den Feiertag erhalten, dafür liegt der Pflegebeitrag in Sachsen höher. Einen wirtschaftlich nachweisbaren Nachteil hatte Sachsen, das sich sogar deutlich dynamischer entwickelte als viele andere Bundesländer, davon offenbar nicht. Eine umfassende wissenschaftliche Evaluation der langfristigen wirtschaftlichen Effekte der Abschaffung des Buß- und Bettags gibt es bis heute nicht. Kein Wunder: Die Veränderungen hätten auch bei optimistischer Einschätzung die Größenordnung von 0,2 Prozent – also die Höhe von typischen Prognosefehlern.

Branchenunterschiede

Außerdem: Wären die Erfahrungen von vor 30 Jahren überhaupt auf die heutige Wirtschaftsstruktur Deutschlands zu übertragen? 1995 arbeitete noch knapp jeder Dritte im produzierenden Gewerbe, 2019 war es nicht einmal mehr jeder Zweite. Doch eine andere Branchengewichtung in der Gesamtwirtschaft kann den Gesamteffekt deutlich beeinflussen, denn je nach Branche sind die Vor- und Nachteile unterschiedlich groß. In Industrie und Bau bedeuten weniger arbeitsfreie Tage, dass nicht nur die Menschen mehr arbeiten, sondern auch die Betriebszeit der Maschinen länger ist. Der Mehrarbeitstag würde dort die jährliche Arbeitszeit um bis zu 0,4 Prozent erhöhen (gerechnet auf Basis von 250 Arbeitstagen). Auch der Handel könnte von einem zusätzlichen Verkaufstag profitieren.

Projektbasierte Bürotätigkeiten oder Verwaltungsaufgaben hingegen lassen sich einfacher verschieben und gegebenenfalls auch verdichten. Andere Wirtschaftsbereiche wie Krankenhäuser, Versorger oder Stahlindustrie arbeiten ohnehin. Fällt der Feiertag weg, steigt deren Wertschöpfung nicht. Lediglich die Kosten für den Arbeitgeber sinken, weil keine Feiertagsaufschläge gezahlt werden müssen. Freizeit, Touristik und Gastronomie würden hingegen klar zu den Verlierern gehören. Eine aktuelle Analyse der britischen Regierung zeigt, dass unterm Strich der Gesamtausfall durch einen Feiertag dennoch überwiegt – und das, obwohl in Großbritannien weniger als 18 Prozent der Briten in der Fertigung arbeiten (Deutschland 2024: 23,7 Prozent).

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Was mehr hülfe

Allerdings sind die Kosten eines Feiertags nicht automatisch mit möglichen Mehrerträgen bei seinem Wegfall gleichzusetzen, siehe Italien. Das macht die Rechnung so schwierig. Bleibt am Ende wirklich ein signifikanter Mehrertrag angesichts der strukturellen Schwierigkeiten des produzierenden Sektors in Deutschland? Auch die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten hat nicht zu einem entsprechenden Mehrumsatz im Handel geführt; erst recht nicht in Zeiten des E-Commerce. Hinzu kommt: Die Verschärfung des Fachkräftemangels durch den demografischen Wandel erschwert eine produktive Ausweitung, indem die Beschäftigten mehr als zuvor arbeiten. Man muss den Warnungen der Gewerkschaften nicht folgen, doch tendenziell könnte die Mehrarbeit zu sinkender Produktivität führen. Das träfe gerade die Mitarbeiter, die bereits einen hohen Arbeitseinsatz haben – weil ihre Leistung besonders gefragt ist. Überstunden und Mehrarbeit stoßen in einigen Branchen wie dem Handwerk oder der Pflege bereits jetzt an Grenzen. Ausweicheffekte wie steigende Krankheitstage („blaumachen“) oder die Forderung nach mehr Urlaubstagen (wie in Italien) könnten die Vorteile ebenfalls reduzieren.

Auch wenn eine Quantifizierung schwierig ist, dürfte der Gesamtnutzen durch den Wegfall eines Feiertags in Zeiten einer sinkenden Wirtschaftsnachfrage bei gleichzeitigem Fachkräftemangel gering ausfallen. Andere Maßnahmen wie die Digitalisierung, die Reduzierung des Fachkräftemangels durch gezielte Migration oder eine Entlastung der Mitarbeiter von bürokratischem Aufwand versprechen darum einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen.

Feiertagsflexibilität

Wer nicht auf das Symbol des gestrichenen Feiertags verzichten möchte, kann dennoch flexiblere und oft sinnvolle Regelungen finden. So wie in Frankreich: Dort wurde zwar 2004 aus „Solidarität“ mit der Pflegefinanzierung der Pfingstmontag gestrichen. An dem Tag wird unentgeltlich zur Finanzierung der Pflege gearbeitet. Dennoch haben 70 Prozent der Franzosen an dem Tag weiterhin frei. Sie müssen dafür an einem anderen Tag unentgeltlich arbeiten oder die tägliche Arbeitszeit um knapp 2 Minuten erweitern (wie es die Bahn ermöglicht). So haben – auch wenn der Pfingstmontag kein offizieller Feiertag mehr ist – rund 70 Prozent der französischen Beschäftigten an dem Tag weiterhin frei. Der Vorteil der Regelung für den Staat: Die Arbeitgeber müssen die kostenlose Mehrarbeit durch eine Abgabe von 0,3 Prozent der Gesamtlohnsumme ausgleichen. Auch bestimmte Kapitaleinkünfte unterliegen dieser Vorgabe. Zuletzt diskutierte Frankreich bereits die Einführung eines zweiten Solidaritätstages, um neue Lücken im Staatshaushalt zu stopfen. Vielleicht könnte das auch für Deutschland ein Vorbild sein.

04/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.

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