Die Hoffnung stirbt zuletzt

Synthetische Kraftstoffe könnten den Verbrennungsmotor retten und zugleich das Klima. Doch die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen, die Elektromobilität ist viel weiter. Dennoch investieren Porsche und Audi in E-Fuels, will sich der VDA nicht festlegen lassen. Setzen die Deutschen auf das falsche Pferd?

Die Hoffnung stirbt zuletzt

E-Fuels könnten die Klimabilanz der Verbrennermotoren drastisch verbessern, sind aber noch längst nicht massentauglich. Foto: Aral AG

So ganz will Deutschlands Autoindustrie nicht vom Verbrenner lassen. Verständlich: Die deutschen Premiumhersteller haben es zu einer technologischen Meisterschaft gebracht, an die kaum ein globaler Konkurrent heranreicht. Doch die Verbrauchswerte sinken nicht rasch genug, die Hersteller reißen die kontinuierlich verschärften Obergrenzen. Kein Massenhersteller kommt daran vorbei, umweltfreundliche Alternativen zu entwickeln. Dummerweise wirbeln bei der Elektrotechnologie ganz neue Spieler wie Tesla und Big Tech den Markt durcheinander.
Noch stärker als die Hersteller trifft es die deutsche Zulieferindustrie: Im Elektroantrieb werden viele zugelieferte Elemente für den Verbrenner nicht mehr gebraucht. Das setzt Unternehmen wie Continental massiv unter Druck. Auch die Zulieferer der Zulieferer machen sich große Sorgen um ihre Zukunft. Die Branche steht vor enormen Herausforderungen.

Die Elektrotechnologie stellt etablierte Produzenten aber noch vor ein ganz anderes Problem: Es werden zu wenige E-Autos gekauft. Während die Konsumenten immer größere Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotoren kaufen, müssen die Hersteller Milliarden in die Entwicklung und den Produktionsstraßenaufbau von E-Autos investieren. E-Autos sind für den Konsumenten (ohne Subventionen) zu teuer, die Ladeinfrastruktur zu lückenhaft, das Laden zu langwierig. Staatliche Subventionen helfen, die Nachfrage anzutreiben. Immer wieder haben sich die Hersteller verschätzt – sodass sie inzwischen auch ihren Zulieferern immer öfter keine Absatzgarantien geben und sich nicht auf Nachverhandlungen einlassen. Das Geld (das für Zukunftsinvestitionen benötigt wird) verdienen die Verbrenner, darum möchte zum Beispiel auch Mercedes davon nur ungern lassen.

E-Fuels: Rechnung mit vielen Unbekannten

Synthetische Kraftstoffe, auch unter Schlagwörtern wie E-Fuels oder Power-to-X bekannt, könnten all diese Probleme einfach lösen – statt Super und Diesel kommen die synthetischen Kraftstoffe in den Verbrenner. Der Vorteil: Nicht nur die Autohersteller hätten einen deutlich geringeren Umstellungsaufwand, auch die Infrastruktur des flüssigen Kraftstoffs könnte genutzt werden. In wenigen Minuten für 1000 Kilometer Fahrt an einer Tankstelle auftanken – statt langer Wartezeiten und einer teuren neuen Infrastruktur. Da die Kraftstoffe aus (erneuerbarer) elektrischer Energie gewonnen würden, wäre die Umweltbilanz deutlich besser als bei Benzin und Diesel. Eine attraktive Lösung angesichts eines riesigen Bestands an Altfahrzeugen. „Die Autos auf deutschen Straßen sind im Durchschnitt 10 Jahre alt. In Portugal sind es schon 13 Jahre, in Polen noch mehr. E-Fuels würden schneller wirken als die Umwelteffekte der E-Fahrzeuge, zumal der Strom in vielen Ländern noch nicht sauber produziert wird“, erklärt Automotive-Experte Ronald Raedeker von der Deutschen Bank.

„Um alle fossilen Kraftstoffe durch E-Fuels zu ersetzen, wäre mindestens 2,5-mal so viel Strom notwendig, wie wir heute in Deutschland verbrauchen.“

Daniel Münter, Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung

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Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist bekanntlich selten wahr. Doch anders als das selbst gebraute Wunderbenzin manches Scharlatans (siehe Seite 38) sind E-Fuels ein reales Produkt. Verschiedene Anbieter wie Carbon Engineering, Climeworks oder Prometheus Fuels versprechen sogar, schädliches CO2 aus der Luft in synthetischen Kraftstoff umwandeln zu können. So könnte vorhandenes CO2 genutzt werden. Das entzieht der Luft zwar nicht dauerhaft Kohlendioxid, weil es über den Auspuff ja in die Atmosphäre zurückkehrt, aber immerhin wird kein zusätzliches emittiert.

Ineffizient und teuer

Der Haken: Die Herstellung von E-Fuels ist weder preislich konkurrenzfähig noch effizient. Daran dürfte sich auch in den kommenden Jahren wenig ändern. Zwar behauptet Bosch, dass schon 2030 der Preis je Liter bei 1,20 bis 1,40 Euro (ohne Steuern) liegen und später sogar unter 1 Euro fallen könnte – allerdings kommt der International Council on Clean Transportation (ICCT) auf deutlich höhere Preise zwischen 3 und 4 Euro. Ein Unsicherheitsfaktor ist die künftige Preisentwicklung der Geräte zur Elektrolyse. Dieser Spaltprozess von Wasser in die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff ist notwendig, um den Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Diesel et cetera weiterverarbeiten zu können. Die Elektrolysegeräte sind heute sehr kostspielig – die weitere Preisentwicklung ist offen.

Das entscheidendere Manko ist jedoch die geringe Effizienz der erneuerbaren Synthetiktreibstoffe. Während Elektroantriebe 70 Prozent der eingesetzten Energie für den Vortrieb verwenden, sind es aufgrund der aufwendigen Konversionsverfahren bei den E-Fuels nur 10 bis 20 Prozent. Sowohl E-Auto als auch E-Fuels sind auf erneuerbare Energien wie Wind-, Wasser- und Solarenergie angewiesen, denn mit Biotreibstoffen allein wird der Bestand an Pkw und Lkw, Schiffen und Flugzeugen nicht zu „dekarbonisieren“ sein. „Um in Deutschland alle fossilen Kraftstoffe im Straßenverkehr durch E-Fuels zu ersetzen, wäre mindestens 2,5-mal so viel Strom notwendig, wie wir heute in Deutschland verbrauchen“, sagt Daniel Münter vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu). Jede Kilowattstunde erneuerbare Energie wäre beim E-Antrieb viel sinnvoller eingesetzt.

Woher kommt der Strom?

Bosch-CEO Volkmar Denner macht allerdings eine andere Rechnung auf. Sollte erneuerbare Energie verbrauchsfern produziert werden, müsste sie ebenfalls konvertiert werden, da die Transportwege zu lang für Stromtrassen wären. Tatsächlich gibt es deutlich bessere Standorte für Solarenergie als das Ruhrgebiet, und Offshore-Windanlagen sind attraktiver als das Windrad im Münchner Umland. Da regenerative Energien phasenweise, zum Beispiel bei starkem Wind oder größeren Wassermengen, mehr Energie erzeugen, als verbraucht wird, könnte die Umwandlung in synthetischen Kraftstoff eine Speicherlösung sein. In solchen Fällen seien E-Antrieb und E-Fuels in ihrer Effizienz vergleichbar.

Wie aus Wasser Treibstoff wird

Infografik: Redaktion 4

Erste Anlagen von Nordic Blue Crude in Norwegen, Climeworks in Island oder Installationen in Marokko und Südamerika machen sich zwar den Zugang zu günstigen erneuerbaren Energien zunutze. Wie sich allerdings der Anteil an erneuerbarer Energie entwickeln wird, der fernab der Automärkte produziert wird, ist unklar. Gemessen in Gigawattstunden sind die größten Solar- und Windstromproduzenten aktuell die Industriestaaten plus die stark wachsenden Automärkte China und Indien. Bis zu Solarparks in der Sahara ist es noch ein weiter Weg. Münter warnt: Die Länder würden oder sollten zumindest erst einmal die saubere Energie für den „Eigenbedarf“ nutzen, bevor an einen Export per E-Fuel zu denken sei. Raedeker kontert: „Player wie Saudi Aramco warten nur auf den Startschuss, um großflächig im Land Solarparks aufzubauen und Anlagen zu installieren.“ Der Startschuss, das wäre ein Ende der steuerlichen Gleichbehandlung der Verbrennertreibstoffe. Klimafreundlichere E-Fuels und Biotreibstoffe würden dann deutlich günstiger werden. Damit das Steueraufkommen dabei in Summe nicht sinkt, müssten Diesel und Benzin spürbar teurer werden – E-Fuels wären dann preislich wettbewerbsfähiger als bislang.

Gute Idee, aber zu spät

So gut die Argumente auch sein mögen und so sehr sie die Hoffnung der deutschen Automobilindustrie auf E-Fuels erhalten, die Technologie dürfte zu spät kommen, um die E-Mobilität aufzuhalten. Das hat vor allem zwei Gründe.

E-Mobilität hat einen großen Entwicklungsvorsprung. Auch wenn sie heute noch vielen Konsumenten im Vergleich zu Verbrennern zu teuer ist, sind die Fortschritte besonders bei den Batteriespeichern bemerkenswert. Das betrifft sowohl die Speicherkapazität als auch die Ladegeschwindigkeit und die Kosten. E-Autos werden dadurch wettbewerbsfähiger. Der Brüsseler Klimaschutzverband Transport & Environment hat gezählt, dass 22 Gigafactories für den Batteriebau in Europa in Planung oder schon im Bau sind.

Das ist den Herstellern bewusst, weshalb nicht nur Staaten, sondern auch immer mehr Produzenten feste Zeitpunkte für das Ende des Verbrenners bekannt geben. Die Absage von GM an den Verbrenner Ende Januar dieses Jahres war ein weiterer wichtiger Schritt hin zur E-Mobilität und weg von konventionellen Motoren; zuletzt verkündeten auch Jaguar, Ford und Volvo den Phase-out. Audi will Verbrennermotoren nicht mehr weiterentwickeln.

Natürlich ist das nicht gleich das Aus des Verbrenners. Raedeker: „Dann wird Audi eben einen Verbrenner von VW einbauen – und VW wird trotz der Zuwendung zum E-Antrieb nicht vom Verbrenner lassen, wenn sie auf Weltmärkte wie Südamerika oder China nicht verzichten wollen. China beispielsweise will Verbrenner erst ab 2060 verbieten, Europa geht mit der Festlegung auf Elektromobilität global einen Sonderweg.“

„Europa geht mit der Festlegung auf Elektromobilität
global einen Sonderweg.“

Ronald Raedeker, Deutsche Bank

Auch wenn das Ende des Verbrenners erst in vier, neun oder gar 14 Jahren kommt, wird bereits heute weniger in die Weiterentwicklung der Verbrenner investiert. Damit müssen sich auch die Zulieferer jetzt schon darauf vorbereiten, wie sie in der „neuen“ Mobilitätswelt eine Rolle spielen können. Hans Remsing, Leiter des Industrieteams Automotive & Engineering bei der Deutschen Bank, beobachtet genau das bereits: „Wir haben im Jahr rund 300 Termine mit Herstellern und Zulieferern. Es gibt da keinen, der sich nicht schon seit Jahren auf den Technologiewandel vorbereitet. Viele suchen für ihre Kompetenzen auch nach ganz neuen Anwendungsfeldern. Die Transformation verläuft aber nicht linear, weil auch das Kundenverhalten so schwer vorherzusagen ist.“ Darum sind die neuen Fertigungsstraßen von BMW, Mercedes und anderen in der Lage, sowohl Autos mit E- als auch mit Verbrennermotor zu produzieren.

Besser geeignet für Schweres

Wenn das Ende des Verbrenners aber mittelfristig feststeht, warum sollten Autobauer dann in E-Fuels investieren? Auch deutschen Herstellern wie Porsche, das massiv in die E-Fuels-Forschung investiert, ist klar, dass an der E-Mobilität kein Weg vorbeiführt. Kurz nachdem Audi, das 2019 die mit gerade einmal 60 Litern bis dato größte Menge Synthetiktreibstoff Blue Crude produzieren ließ, das Ende des Verbrenners für 2030 angekündigt hatte, überholte Porsche rechts: Schon 2025 soll es nur noch einen einzigen Porsche mit Verbrenner geben – der Rest fährt elektrisch.

Experten erwarten darum eher, dass E-Fuels in anderen Mobilitätsbereichen zum Einsatz kommen könnten: in der Luftfahrt, der Schifffahrt oder im Lastverkehr, wo Batterien aufgrund ihrer begrenzten Reichweite nicht einsetzbar ist. Und auch die Industrie wird E-Fuels benötigen, gibt Münter zu bedenken: „Stahl und Petrochemie werden Kohlekoks und Öl kaum durch Strom ersetzen können.“ Die Autoindustrie könnte sich erst hinten einreihen und noch lange auf E-Fuels warten müssen.

04/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.