Das Weihnachtsgeschäft 2023 ist enttäuschender ausgefallen als erwartet. Dabei haben Händler und Hersteller viele Absatztaktiken angewendet. Wir haben uns angeschaut, wie gut die funktionieren.
Die Klage ist wohl fast so alt wie die Weihnachtseinkäufe: „Weihnachten beginnt immer früher!“ Die Amerikaner nennen das Phänomen, dass Weihnachtliches lange vor dem Fest in den Geschäften dargeboten wird, Christmas Creep. Der Begriff trifft dabei ganz gut das Unwohlsein bei manchen Konsumenten, die im September noch nicht in Weihnachtsstimmung gebracht werden wollen.
Dabei ist die Frage, ob Weihnachten wirklich immer früher beginnt, gar nicht so einfach zu beantworten. Der Handel weiß, dass viele Kunden von Weihnachtsware im Spätsommer irritiert sind. 2012 beispielsweise hat ein Schweizer Einzelhandelskonzern darum den Verkaufsstart um drei Wochen nach hinten verschoben – von Ende September auf Mitte Oktober. Viele weitere Handelsketten betonen inzwischen, dass sie ihre Weihnachtsaktionsware seit Jahren immer zum gleichen Datum anbieten und keinesfalls den Startzeitpunkt regelmäßig vorziehen. Schließlich blockiert die Weihnachtsware wertvolle Verkaufsfläche und muss meist aufwendig hergerichtet werden. Das lohnt nur, wenn die Kunden auch wirklich schon so früh zugreifen.
Eine Ausnahme dürfte in vielen Handelsbereichen allerdings das Jahr 2020 gewesen sein: Der lange geschlossene Einzelhandel versuchte, mit einem vorgezogenen Verkaufsstart die Verluste aus den Lockdowns wieder auszugleichen. Und auch 2023 dürfte wieder eine Ausnahme gewesen sein. Geprägt von Inflation und Post-Corona-Nachholeffekten startete der Handel in eine herausfordernde Saison. Konsumenten achteten besonders darauf, die wenigeren Geschenke möglichst passend auszuwählen und günstig zu kaufen. Darum begannen einige bereits nach dem Sommerurlaub mit dem Einkauf, andere hofften auf Schnäppchen unmittelbar vor dem Fest.
Der stationäre Handel, will er nicht einfach zusehen, wie die Umsätze im E-Commerce landen, steht unter Zugzwang, auch zu rabattieren und die Jahresendverkaufsrallye früher zu starten.
Deutlich geringere Opportunitätskosten hat der E-Commerce. Darum starten die Online-Händler schon früher in das Jahresendgeschäft. Meist machen den Auftakt gleich mehrere große Rabattaktionen. Auch wenn sie noch nicht unbedingt auf Weihnachten anspielen, dienen „Black Friday“ & Co. auch dem Weihnachtsgeschäft. Alle großen Rabattschlachten finden im vierten Quartal statt. Selbst in China ist der „Singles’ Day“ am 11. November erst durch den Online-Händler Ali Baba weltbekannt geworden. Und der stationäre Handel, will er nicht einfach zusehen, wie die Umsätze im E-Commerce landen, steht unter Zugzwang, auch zu rabattieren und die Jahresendverkaufsrallye früher zu starten.
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Unter dem Druck der Online-Händler und in schwierigen Wirtschaftslagen wird die „Weihnachtsverkaufssaison“ offenbar ausgeweitet – und wenig deutet darauf hin, dass dieser Effekt in Zukunft wieder nachlässt. Doch führt eine verlängerte Weihnachtssaison auch zu höheren Umsätzen? Oder verteilen sich die gleichen Ausgaben nur über einen längeren Zeitraum? Dann würden die stationären Händler am Ende draufzahlen, weil sie höhere Opportunitätskosten haben.
Eindeutige Zahlen gibt es nicht. Die Frage scheint zugleich müßig, denn zu groß ist die Gefahr, dass abwartende Unternehmen wichtige Umsätze an die Konkurrenz verlieren können. Dafür ist das Weihnachtsgeschäft aber zu wichtig: 20 bis 25 Prozent seines Jahresumsatzes entfallen für rund jedes zweite Unternehmen auf die beiden Monate November und Dezember. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind vom Weihnachtsgeschäft abhängig.
20%
mehr Umsatz kann eine verlängerte Weihnachtsverkaufszeit bringen.
Allerdings zeigt eine Untersuchung der US-Einzelhandelsumsätze der Jahre 1967 bis 2000 tatsächlich einen Zusammenhang: Je mehr Einkaufstage in der Saison, desto mehr werde gekauft. Das gelte insbesondere für Elektronik, Bekleidung, Lebensmittel und allgemeine Waren. Zwischen der kürzesten und längsten Saison seien das knapp 40 US-Dollar Unterschied pro Kopf – oder 20 Prozent der durchschnittlichen Weihnachtsausgaben.
Offenbar führen entzerrende Effekte (kürzere Schlangen beim Einkauf, mehr Zeit für die Geschenkeauswahl vor Ort) und eine längere Vorfreude zu Mehrausgaben. Natürlich ist dieser Effekt endlich, die Umsätze mit dem Weihnachtsgeschäft steigen nicht linear mit den Tagen.
Es kann nur spekuliert werden, wie sehr eine kürzere Verkaufssaison die Zahlen weiter verschlechtert hätte. Eine Konsumentenumfrage des US-Handelsverbands NRF zeigte, dass 43 Prozent der Befragten bereits vor dem November ihre Einkäufe starten wollten. Bei einer anderen Umfrage sagten sogar 56 Prozent, dass sie früher als sonst für Weihnachten einkaufen wollten. Auch in Deutschland fiel das Oktobergeschäft besser aus als erwartet. Unternehmen, die trotzdem auf die „klassische“ Weihnachtsverkaufssaison setzten, könnten darum 2023 mehr denn je das Nachsehen gehabt haben. Laut Umfrage von Nielsen IQ unter 16.000 Verbrauchern in 23 Ländern neigten die Konsumenten deutlich weniger zu Spontankäufen und planten, nur das zu kaufen, was sie sicher verwenden werden.
Der Handel versucht mit Rabatten und Sonderangeboten gegenzusteuern, damit der Schnäppchenjäger vielleicht doch häufiger zuschlägt als er sich vorgenommen hat. Gerade der Online-Handel wirbt meist mit reduzierten Preisen bereits zu Halloween Ende Oktober. Der inzwischen weltweit bekannte „Black Friday“ zu Thanksgiving ist um den „Cyber Monday“ erweitert worden. Bei vielen Händlern ist aus dem Tag aber auch (mindestens) eine ganze Rabattwoche geworden. In den USA gibt es zudem noch Sonderaktionen am 6. Dezember (Nikolaus), am „Free Shipping Day“ (14. Dezember), Heiligabend und sogar zu Silvester.
Die Aktionen zeigen Wirkung, allerdings nicht alle gleich: So hat der „Black Friday“ mit den Jahren an Bedeutung gewonnen, der „Cyber Monday“ aber wieder verloren. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der „Black Friday“ zur „Black Week“ angewachsen ist. Die Umsätze sind zu diesen Aktionszeiten deutlich erhöht. In Deutschland liegen sie laut dem Portal Cyber Monday Global am „Black Friday“ rund 1.350 Prozent über denen an anderen Novembertagen. Demnach entfällt inzwischen ein Achtel aller Online-Einkäufe im Jahr auf diese Woche.
2023 hat die Intensität der Rabattaktionen noch einmal deutlich zugenommen. Allerdings ging es dabei nicht um weitere feste Zeiträume, sondern um personalisierte Rabatte. Mit zeitgemäßer Technologie wurden maßgeschneiderte Rabatte für die Waren und Leistungen angeboten, die für die jeweilige Person besonders attraktiv gewesen sein könnten. Wer Anfang Dezember ein Fotoprodukt bei Aldi online bestellte, erhielt anschließend beinahe täglich Post mit unterschiedlichen Rabatten und Gutschriften zugestellt. Einige Online-Vermarkter berichten, dass sie mit personalisierten Mailings dieser Art ihren Umsatz in einem Monat um etwa 65 Prozent steigern konnten.
Und noch eine Aktion soll zurückhaltenden Kunden die Kaufhemmung nehmen: eine möglichst komfortable Rückgabemöglichkeit. Dahinter steckt die Überlegung, dass die Erfahrung einer unproblematischen Rückgabe dazu führen kann, dass jemand früher oder später doch zum Stammkunden wird. Mit der Ausweitung der Weihnachtsverkaufssaison wollten laut Umfrage von goTRG, einem Spezialisten für Retourenmanagement, knapp 17 Prozent der Händler ihre bisherigen Rückgabefristen verlängern. So sollten die Käufer Zeit haben, unerwünschte Geschenke auch nach Weihnachten noch umzutauschen. Allerdings wollten knapp 42 Prozent der Befragten die Rückgabefrist verkürzen. Der Aufwand sei zu hoch, wenn an wenigen Tagen im Dezember eine riesige Menge an Retouren verarbeitet werden müsse – und die retournierte Ware nicht mehr vor Weihnachten an andere Kunden verkauft werden könne.
Trotz aller Anstrengungen verlief das Weihnachtsgeschäft 2023 schlechter als erwartet. Im November und Dezember schrumpfte der Umsatz preisbereinigt gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent. Und auch die Verlagerung von Umsätzen früher ins Jahr hat dem Gesamtjahresumsatz des Handels offenbar kaum geholfen. Der Einzelhandelsumsatz sank inflationsbereinigt um 3,3 Prozent.
02/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.