Von Japan aus haben „Konbini“ (Convenience Stores) wie 7-Eleven bereits große Teile Ostasiens und Nordamerikas erobert. Nun wollen sie auch in Europa expandieren. Haben sie in Deutschland eine Chance?
In Ostasiens Metropolen wie hier in Hongkong finden sich die Rundumversorgungsläden von 7-Eleven & Co. gefühlt an jeder Straßenecke. Bildquelle: picture alliance / Sipa USA
Zwanzig Jahre nach dem ersten gescheiterten Anlauf versucht es die weltgrößte Convenience-Store-Kette 7-Eleven noch einmal in Deutschland. Damals hatte der norwegische Lizenznehmer angekündigt, bis 2006 ein 7-Eleven in Berlin zu eröffnen, danach sollte hierzulande das Netz auf 100 Filialen wachsen. Doch daraus wurde nichts. Ob die Pläne der japanischen Muttergesellschaft Seven & i diesmal mehr Erfolg haben werden?
7-Eleven, einst in den USA gegründet, aber nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten Anfang der 1990er-Jahre von einem japanischen Einzelhandelsunternehmen und bisherigen Franchisenehmer übernommen, betreibt mehr als 84 000 Filialen in 19 Ländern. Vor allem in den Regionen Asien-Pazifik und Nordamerika ist die Kette präsent, aber auch in Nordeuropa gibt es schon rund 400 7-Eleven-Franchisenehmer. Bis 2030, so der Plan der Zentrale, soll das Netz auf 30 Länder anwachsen. Deutschland spielt in der Expansionsstrategie eine wichtige Rolle.
Im gesättigten Heimatmarkt hingegen stagniert das Geschäft. Bis zum Geschäftsjahr 2025 sollen 33 Filialen in Japan geschlossen werden. Betroffen sind vor allem ländliche Regionen, eine Folge der Überalterung der Gesellschaft und der Landflucht. Angesichts von knapp 22 000 Filialen allein in Japan ist der Schwund minimal. Konbini, wie die Convenience Stores in Japan genannt werden, sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Denn neben 7-Eleven gibt es noch die Wettbewerber FamilyMart und Lawson, die zusammen 31 000 Filialen betreiben. Mit den teils in Eigenbesitz, meist aber über Franchisenehmer betriebenen Filialen sind die drei Japaner die größten Einzelhandelsketten der Welt.
Dabei dominierten bis in die 1970er-Jahre große Hypermarkets den Lebensmitteleinzelhandel in Japan. Die Konbini entstanden erst aus der Adaption der amerikanischen 7-Eleven-Märkte. Konbini sind moderne Versionen des Tante-Emma-Ladens, zugeschnitten auf eine arbeitende Bevölkerung. Sie bieten alles Wichtige für den täglichen Bedarf – vor allem Lebensmittel, aber auch Haushaltswaren, Geldautomaten, Kopierer, Konzert- und Reisebuskartenverkauf oder eine Postannahmestelle. Wer nur wenig Zeit für eine Mittagspause oder keine Lust aufs Kochen am Abend hat, findet ein großes Angebot an Fertigmahlzeiten. Das alles entspricht dem Lebensstil in Japans Metropolen: lange Arbeitszeiten, kleine Wohnungen, viele Singles. Da die Konbini zudem meist rund um die Uhr geöffnet sind, bieten sie nicht nur einen stets verfügbaren „Ersatzkühlschrank“, sondern auch Sicherheit und Verlässlichkeit in Notfällen.
Damit die Ware immer frisch ist, wird sie bis zu dreimal am Tag geliefert. Außerdem haben die Konbini ein engmaschiges Netz an Produktionsorten und Verteilzentren aufgebaut. Die „kombinierten Verteilzentren“ von 7-Eleven sind dabei nicht nach Herstellern oder Filialen, sondern nach Temperaturen aufgeteilt. So wird sichergestellt, dass zum Beispiel Frischware auf Reisbasis und ofenfrische Backwaren bei 20 Grad Celsius transportiert werden, Sandwiches hingegen bei fünf Grad – in einer separaten Lieferung.
Die „kombinierten Verteilzentren“ von 7-Eleven sind nicht nach Herstellern oder Filialen, sondern nach Temperaturen aufgeteilt.
Welche Ware geliefert wird, entscheidet jedes Geschäft selbst. Darin liegt schon lange die Stärke der japanischen Konbini. Sie ordern nicht einfach Ware nach, die ausverkauft ist. Stattdessen entscheiden sie täglich auf Basis von Mitarbeitererfahrung und Daten der Kassensysteme neu, welche Ware sie heute anbieten wollen. Denn sie wissen genau, welche Produkte zu welcher Uhrzeit über den Ladentisch gehen. Auch Wettervorhersagen und demografische Trends werden berücksichtigt.
Diese Sortimentsentscheidung auf Einzelproduktebene heißt in Japan „Tanpin Kanri“ und führt zu einer sehr hohen Umschlagrate. Von den rund 4800 Produkten, die die 7-Eleven-Zentrale listet, bieten die Geschäfte jeweils nur etwa 2800 an. Jede Woche führen sie rund 100 neue Produkte ein, 70 Prozent des Sortiments werden innerhalb eines Jahres aussortiert.
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Die Ambitionen der Japaner in Deutschland sind groß, doch haben Konbini hierzulande eine Marktchance? Ein großes Hindernis dürften die streng regulierten Öffnungszeiten sein. Für den Impulskauf gibt es nur ein ausgesuchtes Reisebedarfssortiment in Tankstellenshops und Kiosken wie den „Spätis“.
Tankstellen benötigen dringend neue Erlösquellen, denn die Nachfrage bei den ersten zwei ihrer drei Kernprodukte Treibstoff, Tabak und Snacks wird strukturell schrumpfen. Sie werden daher verstärkt auf Umsätze im Lebensmittelbereich abzielen. Ende 2023 hat bereits die kanadische Convenience-Store-Gruppe Alimentation Couche-Tarde rund 1200 Total-Tankstellen übernommen, in denen sie in Zukunft ihre Circle-K-Geschäfte einrichten will.
Auch die US-amerikanischen 7-Eleven sind meist an Tankstellen angesiedelt. Ihre Ladenflächen sind größer als in Japan – und sie sind weniger erfolgreich, weshalb 7-Eleven den US-Geschäften gerade eine „Japanisierung“ verordnet hat. Ein Problem der Tankstellenshops kann auch ihre Lage sein, die für den Autoverkehr optimiert ist. Japans Konbini hingegen sind fußläufig erreichbar; für den schnellen Impulskauf braucht es nur fünf Minuten und keine Autofahrt.
Japan
21.488
USA
13.189
Dänemark
149
Norwegen
129
Schweden
79
In Deutschland könnten viele Kioske zu Konbini umfunktioniert werden. Sie bieten die besten Voraussetzungen für „Tanpin Kanri“: Kioske sind oft inhabergeführt, die Betreiber kennen ihre Kundschaft sehr gut. Die Anbindung an eine Konbini-Kette würde ihnen ermöglichen, professioneller und schneller zu handeln.
Allerdings wird die Einzelunternehmerstruktur der Kioske eine Expansion verlangsamen – und das wiederum erschwert den Aufbau von Distributionszentren, die es für eine schnelle Belieferung der Geschäfte braucht.
Außerdem: Deutschlands weltbekannte „klassische“ Lebensmitteleinzelhändler und Discounter schlafen nicht. In den vergangenen Jahren haben sie ihr Angebot an Convenience-Produkten ausgebaut und das Sortiment erweitert. Mit der Ansiedlung weiterer Dienstleistungsangebote wie Wäscherei, Lotto und Tabak in unmittelbarer Nähe bieten sie zusätzliche Anlässe zum schnellen Kauf. Gerade in den kleinen Cityfilialen ist das Vorbild Konbini gut zu erkennen.
Aber die Besuchsfrequenz eines einzelnen Käufers dürfte deutlich geringer sein; viele Deutsche nutzen die großen Filialen lediglich zum Wocheneinkauf. Bei Discountern wie Aldi ist das Sortiment sogar noch kleiner als bei 7-Eleven, und es ist ganz anders zugeschnitten. Dadurch kommen andere Käufergruppen mit anderen Zielen in die Filiale.
Konbini könne also durchaus eine Chance haben, wenn ihre Läden fußläufig von weiterführenden Schulen und Universitäten oder Bürogebäuden erreichbar sind oder sich in dicht besiedelten Wohngebieten konzentrieren. Zumal das Interesse an einem größeren Angebot schneller Gerichte zum Sofortverzehr angesichts der Preise in der Gastronomie zuletzt gestiegen sein dürfte.
04/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.