Zugegeben: Die schlimmsten Inflationen der Menschheit sind jüngeren Datums – erst durch die Notenpresse wurden Hyperinflationen möglich. Aber auch in früheren Zeiten, als es noch keine Scheine gab und Münzen aus Edelmetall bestanden, finden sich spannende und kuriose Geldentwertungen. Wir haben ein paar besonders interessante Geschichten zusammengetragen.
Mansa Musa, König von Mali, reiste offenbar ungern allein. 60.000 Menschen, darunter 12.000 Diener, begleiteten ihn 1324 zur Hadsch nach Mekka. Im Reisegepäck fanden sich nicht nur feinste Seiden, sondern auch Gold in rauen Mengen. Auf der Durchreise machte er mit seiner Entourage Halt in Ägypten beim Herrscher der Mamluken. Während seines Aufenthalts verteilte er freigiebig Gold an Herrscher, Gelehrte und Arme.
Das Problem: Mansa Musa verteilte nicht nur wahllos, sondern vor allem auch sehr viel Gold. Und zwar so viel, dass es schon bald zu einer großen Inflation kam, weil die Goldmenge im Reich der Mamluken stark gestiegen war. Der König von Mali hatte die Reise nach der Überlieferung mit 12.000 4-Pfund-Goldbarren angetreten sowie mit 80 Kamelen, die jeweils zwischen 50 bis 300 Pfund Goldstaub trugen. Wieviel Gold er insgesamt in Ägypten verteilte, ist nicht überliefert. Aber es soll 12 Jahre gedauert haben, bis die Inflation schließlich überwunden werden konnte.
Nach Berechnungen von SmartAsset.com führte die Pilgerreise im Nahen Osten zu einer Goldabwertung mit einem wirtschaftlichen Schaden von 1,5 Milliarden US-Dollar. Es gibt allerdings auch Historiker, die nicht allein Mansa Musas Freigiebigkeit als Inflationsursache sehen – es habe schon vor dem Besuch Finanzprobleme in Ägypten und steigende Preise aufgrund von legierten und zu leichten Goldmünzen gegeben.
Die Spanier waren in ihren frühen Entdeckerzeiten auf der Suche nach El Dorado. Statt Gold fanden sie in Südamerika vor allem Silber – aber davon reichlich. Die Kostbarkeiten wurden auch dringend benötigt, vor allem um die zahlreichen Kriege von König Philipp II. (1555-1598) zu finanzieren. Jahrzehnt um Jahrzehnt landeten Schiffe aus der Neuen Welt und brachten Nachschub an Edelmetall.
Die Auswirkungen waren gewaltig: Die Geldmenge soll im Laufe des 16. Jahrhunderts von fünf auf 91 Millionen Dukaten gewachsen sein. Doch die blieben nicht in Spanien – die Münzen verteilten sich in ganz Europa, weil Spanien Fertigwaren und Nahrungsmittel im Ausland einkaufte. Trotz Silberschwemme reichte das Geld aber nie, viele Banker wie die Fugger und die aufstrebenden Genueser verdienten hervorragend am Kreditgeschäft mit dem spanischen König. Das funktionierte nicht immer: Philipp II. ging als Pleitekönig, der mehrfach den Staatsbankrott erklären musste, in die Geschichte ein.
Geld verloren damit nur die Reichen, viel schlimmer war aber: Die Silberschwemme aus Potosí und anderen Minen führte zu einer Entwertung des Edelmetalls, ohne dass die Einkommen stiegen. Ein durchschnittlicher Lohn reichte 1570 nicht einmal mehr für halb so viele Waren wie zu Beginn des Jahrhunderts. Andere verdienten an der Inflation: Reiche Kaufleute horteten Lebensmittel in der Erwartung, dass diese später noch mehr Geld bringen würden.
Auch die Verschlechterung von Geld kann zu Inflation führen. In Deutschland steht dafür die Zeit der Kipper und Wipper (1620-1622) zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs. Auslöser war eine fatale Kombination: eine Knappheit an prägefähigem Edelmetall, das Recht lokaler Herrscher, kleinere Landesmünzen wie Pfennig, Kreuzer oder Groschen mit geringem Silbergehalt zu schlagen und eine missratene Münzordnung aus dem Jahr 1559.
Die Münzordnung sorgte dafür, dass man zwar mit dem Schlagen von Großmünzen einen Gewinn erzielen konnte, bei kleinen aber drauflegte. Das konnten und wollten die Provinzfürsten sich nicht leisten – und verringerten klammheimlich den Edelmetallgehalt der Münzen. Im Krieg kauften manche Fürsten sogar systematisch gutes Kleingeld auf und münzten es in schlechtes um.
Die Folgen waren dramatisch: 1566 entsprach ein Taler noch 66 Kreuzern, 1622 brauchte es mancherorts mehr als 1.000 Kreuzer, um einen Taler einzutauschen. Leidtragende waren vor allem die Soldaten, die das schlechte Geld als Sold erhielten. Am Ende ging der Schuss für die Herrscher nach hinten los, weil die wertloseren Münzen über Abgaben wieder in ihre Kasse zurückflossen. Und es wurde immer schwerer, Söldner anzuwerben – damit kam die systematische Münzverschlechterung an ihr Ende.
Die Idee, statt Metall etwas Leichtes als Geld zu verwenden, ist bestechend. Das galt besonders für die Schweden im 17. Jahrhundert, die kaum über Gold und Silber, aber über reichlich Kupfer verfügten. Dumm nur: Ein Silbertaler wog nicht einmal 30 Gramm, ein Kupfertaler dagegen fast zwei Kilo.
Doch es gab eine Lösung: Als der Staat den Kupferanteil verringerte, wollten plötzlich viele Anleger ihre beim Banker Johan Palmstruch eingelagerten und nun wertvolleren Münzen zurückhaben. Nur hatte der die gar nicht mehr, weil er sie als Kredit verliehen hatte. Darum gab Palmstruch 1661 Papiergeld aus, das durch die verliehenen Münzen gedeckt war.
Die Schweden fanden das prima, war die Handhabung von Geld doch plötzlich viel einfacher geworden. Doch Palmstruchs Bank vergab nun auch Papiergeld als Kredit. Dummerweise schlitterte Schweden nur wenige Jahre später in eine Kupferkrise, so dass viele Inhaber der Banknoten ihre Zettel eintauschen wollten. Natürlich reichten die Edelmetallreserven nicht aus, das Papiergeld verlor drastisch an Wert – Schwedens erste Inflation. Die Folgen waren dramatisch: Palmstruchs Bank ging pleite, ihn selbst ereilte ein (zum Glück nie vollstrecktes) Todesurteil, das Papiergeld verschwand wieder.
In der französischen Kolonie Kanada war es kaum anders als in anderen Kolonien: Geld war knapp. Zwar wurde Metallgeld aufwendig nach Kanada geschifft, doch weil französische Ware nur in französischen Münzen bezahlt werden konnte, fuhr ein Großteil der Münzen im selben Schiff wieder zurück. Den Rest bewahrten die Kanadier zuhause für den nächsten Kauf französischer Waren auf, sie gaben das Geld nicht in Umlauf. Akut wurde der Münzenmangel schließlich, als 1685 Briten das jährliche, bereits acht Monate verspätete Schiff mit Soldzahlungen kaperte.
Um größere Unruhe unter den Soldaten zu vermeiden, funktionierte die Provinzregierung kurzerhand Spielkarten zu Geld um. Bald wurde dies zur Dauereinrichtung, weil die Karten deutlich einfacher zu handhaben waren als die vorher vielfach zum Tauschhandel genutzten Pelze. Als steigende Kriegsausgaben finanziert werden mussten, stieg die Ausgabe von Spielkartengeld rasch an – bis sich ihr Wert halbierte. 1713 erreichte die Inflation 400 Prozent. Dennoch blieb die Akzeptanz der Spielkarten bis 1763 ungebrochen. Sie endete erst, als die Briten die französischen Kolonialherren ablösten und die Karten nicht mehr akzeptierten.
4/2022
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