Mit Milliardenhilfen kämpfen Regierungen gegen die ökonomischen Belastungen durch das Coronavirus. Doch zementieren die Hilfen nur den wirtschaftlichen Status quo, oder machen sie die Wirtschaften auch fit für die Zukunft? Eine weltweite Bestandsaufnahme.
Bloß nicht erst das Gebäude bis auf die Grundmauern abbrennen lassen: Nach diesem Motto haben Politik und Zentralbanken auf die Covid-19-Pandemie reagiert. Schneller als vor gut zehn Jahren in der großen Finanzkrise wendeten sie in den vergangenen Monaten Billionen US-Dollar, Euro oder Renminbi zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise auf. „Insgesamt wurden schon bis zum Herbst zwölf Billionen US-Dollar aufgewendet, um Wirtschaft, Unternehmen und Haushalte zu stabilisieren“, erklärt Vitor Gaspar, Direktor des Fiscal Affairs Department beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Auch Deutschland fuhr laut Bundesfinanzminister Olaf Scholz die „große Bazooka“ auf.
Die Staaten reagierten – allerdings mit sehr unterschiedlichen Methoden, wie der IWF herausgefunden hat. Die Schwerpunkte lagen dabei entweder auf zusätzlichen Ausgaben und dem Verzicht auf Einnahmen oder aber auf Liquiditätsmaßnahmen wie Aktienkäufen oder Teilübernahmen des Staates, Schuldenerlassen, Krediten und Garantien.
„Insgesamt waren die Regierungsprogramme bisher eine angemessene Antwort auf die ökonomischen Herausforderungen.“
Sebastian Becker, Volkswirt bei Deutsche Bank Research
Deutschland setzte nach Einschätzung der Weltbank auf ein gemischtes Programm. 316 Milliarden US-Dollar veranschlagt die Organisation für Zusatzausgaben wie das Gesundheitsprogramm, die Hilfen für Kleinunternehmen, mehr Sozial- und Einkommenshilfen, die Kurzarbeit und die Mehrwertsteuerreduzierung. Dazu kommen Liquiditätshilfen, die der IWF gar auf gut eine Billion Euro oder 1166 Milliarden US-Dollar beziffert. Allerdings entfällt der Großteil davon auf Garantien, die bei einer zügigen Erholung der Wirtschaft nur in Bruchteilen abgerufen werden sollten. Die effektiven Ausgaben der deutschen „Bazooka“ dürften deutlich geringer ausfallen. „Insgesamt waren die Regierungsprogramme bisher eine angemessene Antwort auf die ökonomischen Herausforderungen“, erklärt Sebastian Becker, Volkswirt bei Deutsche Bank Research.
Ähnlich wie Deutschland reagierte Japan. Für die Unterstützung der Bürger durch direkte Zahlungen, höheres Kindergeld, mehr Arbeitslosengeld und Steuererleichterungen sowie Hilfen für Regionen und Unternehmen wendete die Regierung rund 11,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf. Auch in Japan fallen die Liquiditätshilfen deutlich größer aus. Umgerechnet 1163 Milliarden US-Dollar (23,7 Prozent des BIP) stellt die japanische Regierung dafür maximal zur Verfügung.
Im Vergleich dazu hielten sich die Maßnahmen in China in engerem Rahmen. Denn bislang kam das Reich der Mitte eigenen Angaben zufolge bislang relativ glimpflich davon – gesundheitlich und ökonomisch. Eine Vielzahl kleinerer Maßnahmen wie die Verlängerung von Prämien für emissionsfreie Autos, Steuerstundungen und Hilfszahlungen für Arbeitslose und Wanderarbeiter machten 4,6 Prozent des BIP aus. Für Liquiditätshilfen kommt noch einmal rund ein Prozent hinzu. Die Wirtschaft ist bereits wieder so gut angesprungen, dass China 2020 wohl als einziges größeres Land ein positives Wachstum erreichen wird.
Von Wachstum sind die USA weit entfernt. Aber immerhin dürfte das USBIP im Jahr 2020 weniger stark zurückgehen als das BIP der Eurozone – dank umfangreicher Hilfsprogramme vor allem für Private. Zwar erhielten US-Konzerne, vor allem KMU, viele Hundert Milliarden US-Dollar an zinsgünstigen Krediten. Ein noch größerer Teil der nahezu 2,5 Billionen US-Dollar floss jedoch über direkte Hilfen direkt in die Kassen der Amerikaner. Am spektakulärsten war dabei das „Helikoptergeld“ von 1200 US-Dollar für Erwachsene und 500 US-Dollar pro Kind, das alle Gering und Mittelverdiener erhielten. Wirksamer für die Massenkaufkraft dürfte aber das zusätzlich zu den Unterstützungen der Bundesstaaten gezahlte Arbeitslosengeld von 600 US-Dollar pro Woche gewesen sein – viele arbeitslose Geringverdiener hatten so mehr im Geldbeutel als vorher am Arbeitsplatz und stützten mit ihrem zusätzlichen Konsum die Wirtschaft. Im Juli ist diese Regelung allerdings bis auf Weiteres ersatzlos ausgelaufen.
Doch mit diesen gigantischen Summen wird in erster Linie die bestehende Wirtschaft stabilisiert, die notwendige Vorbereitung auf anstehende Transformationen ist dabei eher eine Randnotiz. Zugleich gehen in der Krise die privaten Investitionen weltweit zurück. Die privaten Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland dürften um bis zu 20 Prozent sinken. Öffentliche Investitionen wären ein wichtiger Katalysator für private Folgeinvestitionen, gerade in der Krise. Der IWF schätzt, dass zusätzliche öffentliche Investitionen zum Beispiel in digitale und grüne Infrastruktur in Höhe von einem Prozent des BIP in fortgeschrittenen Volkswirtschaften und Schwellenländern das Potenzial hätten, das BIP um 2,7 Prozent und die privaten Investitionen um sogar 10 Prozent zu steigern.
Immerhin: Die 24 Mitglieder der OECD sind bereits einen Schritt weitergegangen und haben öffentliche Mittel in Höhe von 312 Milliarden US-Dollar für einen „grünen“ Wiederaufbau der Wirtschaft bereitgestellt. In Deutschland sind 50 Milliarden Euro (rund 40 Prozent des Konjunkturpakets) für sogenannte Zukunftsinvestitionen vorgesehen – Maßnahmen wie die Förderung der Elektromobilität, mehr Investitionen in künstliche Intelligenz und Quantencomputing sowie die Wasserstoffstrategie des Bundes. „Diese Investitionsmittel dürften überwiegend erst 2021 und in den Folgejahren ihre Wirkung entfalten“, urteilt Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Das kann allerdings erst ein Anfang sein: „Über die kommende Dekade sollten jährlich zusätzlich 45 Milliarden Euro investiert werden“, fordert Hüther.
01/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Heinz-Peter Arndt. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.