Wider das Klischee: Starke Frauen, starke Führung

In den Vorständen der 100 größten deutschen Familienunternehmen liegt der Frauenanteil bei nur 12,6 Prozent. Das sollte sich dringend ändern – im Interesse der Unternehmen selbst.

Popikone Cher erklärte bereits 1996 selbstbewusst: „Mom, I am a rich man.“ Noch ist diese Message leider nicht aus der Zeit gefallen - hoffentlich muss aber in naher Zukunft keine Frau mehr darauf hinweisen, dass sie sich selbst Macht und Kompetenz erarbeitet hat.

Popikone Cher erklärte bereits 1996 selbstbewusst: „Mom, I am a rich man.“ Noch ist diese Message leider nicht aus der Zeit gefallen - hoffentlich muss aber in naher Zukunft keine Frau mehr darauf hinweisen, dass sie sich selbst Macht und Kompetenz erarbeitet hat. Foto: picture-alliance / dpa

Es sei an der Zeit, sich einen reichen Mann zu suchen: der Rat einer Mutter an ihre Tochter. Die Tochter gibt zurück: „Mama, ich bin ein reicher Mann.“ Diese Antwort der Pop-Ikone Cher ist Kult – und dieser Dialog von vor knapp 20 Jahren, so möchte frau meinen, längst aus der Zeit gefallen. Heute müssen Frauen sich für ihre Karrieren nicht mehr rechtfertigen, haben nicht mehr mit Vorurteilen zu kämpfen und erfahren Akzeptanz und Wertschätzung in ihrer Rolle als Führungskraft oder Unternehmerin. Soweit die Theorie. In der Praxis zeigt sich nach wie vor ein anderes Bild.

2024 liegt der Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten deutschen Familienunternehmen bei 12,6 Prozent – 57 Frauen gegenüber 397 Männern. Das ergibt die jüngste Studie der Allbright Stiftung zum Thema. Die Zahl allein ist ein Armutszeugnis, noch trauriger wird es allerdings, blickt man auf die Möglichkeiten, die den Betrieben entgehen: Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen haben weltweit eine um 39 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, als Unternehmen mit der geringsten Diversität. Das belegt eine aktuelle Studie von McKinsey. In Europa ist der Diversitäts-Bonus mit einer um 62 Prozent erhöhten Wahrscheinlichkeit sogar noch deutlich größer.

Das könnte daran liegen, dass Frauen besser führen. Eine Studie der Norwegian Business School unter 2.900 Führungskräften bestätigte das bereits 2014. Die Forschenden hatten fünf Fähigkeiten festgelegt, die gute Führung ausmachen – unter anderem Ziele klar zu setzen oder gründlich zu arbeiten. Weibliche Führungskräfte schnitten bei vier der fünf Persönlichkeitsmerkmale besser ab. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen in Bezug auf ihre Persönlichkeit besser für die Führung geeignet sind als ihre männlichen Kollegen, wenn es um Klarheit, Innovation, Unterstützung und gezielte Akribie geht“, erklärten die Forscher.

Wie kann es also sein, dass in einer Zeit, in der Nachfolger gesucht sind und Frauen empirisch bewiesen haben, dass sie gute oder gar bessere ökonomische Ergebnisse erzielen, noch immer nur wenige Frauen die Nachfolge antreten oder sich auf anderen Wegen für das Unternehmertum entscheiden?

„Das Modell, in dem der Mann Karriere macht und die Frau sich um die Kinder kümmert, ist nach wie vor weit verbreitet und wird zu wenig hinterfragt.“

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer und Geschäftsführende Gesellschafterin von Rullko Großeinkauf

Nachgefragt am besten bei denen, die genau das getan haben. Marie-Christine Ostermann, ist Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer und Geschäftsführende Gesellschafterin von Rullko Großeinkauf. Das Unternehmen hat sie von ihrem Vater übernommen. Dass sie noch immer die Ausnahme ist, liegt für Ostermann zum einen an tradierten, überholten Rollenbildern: „Das Modell, in dem der Mann Karriere macht und die Frau sich um die Kinder kümmert, ist nach wie vor weit verbreitet und wird zu wenig hinterfragt.“ Dazu kommen, erklärt die Unternehmerin, schlechte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren wie zu wenige Plätze in der Kinderbetreuung.

Alexandra Kohlmann, Geschäftsführerin von ROWE, die das Schmierstoff-Unternehmen wie Ostermann von ihrem Vater übernommen hat, sieht auch Vorverurteilungen als Hindernis: „Wer wegen der Kinder zuhause bleibt, hat keine Ambition. Wer neben der Familie eine Führungsposition übernimmt, vernachlässigt seine Kinder. Wer keine Familie gründet, ist karriereversessen.“ Und auch Kohlmann betont, dass sich die Gegebenheiten verbessern müssen – beispielsweise hinsichtlich flexibler Arbeitszeitmodelle sei der gesetzliche Rahmen noch zu starr.

Es kommt aber auch auf die Frauen selbst an. Kohlmann bringt es auf den Punkt: „Wir müssen laut sein und Mut beweisen.“ Damit mehr Frauen den Mut finden, sich für die Nachfolge ins Gespräch zu bringen oder den Weg als Unternehmerin einzuschlagen, braucht es sichtbare Role Models. Für eben diese sorgt unter anderem der Verband der Unternehmerinnen. Dessen Geschäftsführerin Evelyne de Gruyter sieht die Rolle ihrer Organisation denn auch darin, Netzwerke zu schaffen, Vorbildern eine Bühne zu geben und Diskussionen anzuregen.

„Chancen der Selbständigkeit und als Unternehmenslenker müssen viel stärker in den Fokus gerückt werden“

Evelyne de Gruyter, Geschäftsführerin Verband der Unternehmerinnen

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Dazu kommt die Aufgabe, Forderungen und Ideen für Verbesserungen an die Verantwortlichen zu adressieren. „Deutschland ist gegenüber Skandinavien oder Frankreich rückständig, was die Optionen in der Arbeitszeitgestaltung oder die Betreuungsinfrastruktur angeht“, erläutert de Gruyter.

Sie spricht sich außerdem klar dafür aus, Unternehmertum bereits in den Schulen zu thematisieren – davon profitierten alle Schüler. „Chancen der Selbständigkeit und als Unternehmenslenker müssen viel stärker in den Fokus gerückt werden“, bekräftigt die Verbandsgeschäftsführerin. „Und wir müssen auch endlich das Scheitern thematisieren und vom Stigma des Versagens befreien. Nur so motivieren wir Unternehmer von morgen.“

Diese Unternehmer von morgen sind dann vielleicht auch öfter Unternehmerinnen. Davon würden Deutschland und die hiesige Wirtschaft profitieren. Das beweisen nicht nur die eingangs genannten Studienergebnisse. Frauen sind auch empathischer und schaffen es damit öfter, Mitarbeiter abzuholen. Das ergibt eine Studie der Königsteiner Gruppe mit 1.023 Teilnehmern. Sind insgesamt 31 Prozent der Angestellten „sehr zufrieden“ mit ihrem aktuellen Chef, steigt die Zufriedenheit bei einer Frau als Chefin auf 39 Prozent. Frauen setzen außerdem andere Schwerpunkte – laut der Europäischen Investitionsbank sind Unternehmen mit Frauen in der Führungsebene im Bereich ESG besser aufgestellt und bei der Einführung umweltfreundlicher Verfahren erfolgreicher.

57 Frauen gegenüber 397 Männern

Das ist die Verteilung der Vorstandsposten in den 100 größten deutschen Familienunternehmen

Umso besser, dass sich etwas tut. Die 12,6 Prozent Frauenanteil in den 100 größten deutschen Familienunternehmen sind bereits ein Erfolg, wenn man sie mit 2020 oder 2022 vergleicht, als lediglich 6,9 Prozent beziehungsweise 8,3 Prozent zu verzeichnen waren. Nachfolgeregelungen, in denen der Vater an die Tochter übergibt oder der Unternehmer eine externe Nachfolgerin bestimmt, werden häufiger.

Das ist gut so, denn nur wenn unterschiedliche Perspektiven und Stärken zusammenkommen, gelingt das Bestmögliche. Nur wenn Frauen mutig nach vorne treten und den eigenen Namen ins Spiel bringen, steigt die Zahl der Role Models und der Dominoeffekt setzt ein. „Mom, I am a rich man“ – in weiteren knapp 20 Jahren muss die Tochter hoffentlich nicht mehr extra darauf hinweisen, dass sie sich selbst Macht, Kompetenz und Wohlstand erarbeiten kann.

08/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.




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