Teure Berater holen, wenn das Geld ohnehin knapp ist? Und damit allen zeigen, dass man es selbst nicht schafft? Hier sind sechs Gründe, warum Sie trotzdem nicht auf die Experten verzichten sollten.
Jeder Unternehmer hat sich schon über ihre Honorare geärgert, jeder war schon mal enttäuscht und jeder hat gelernt, dass er manchmal einfach nicht auf sie verzichten kann – trotzdem zeigt man sie nur ungern. Viele Mittelständler sind die Profiteure einer arbeitsteiligeren Weltwirtschaft – aber das Eingeständnis von Kompetenzlücken im eigenen Haus, die mit Beratern gefüllt werden müssen, ist für viele immer noch ein Makel.
Was bei IT-Themen, Marketing oder Prozessoptimierung noch angehen mag, wird spätestens dann zu einem persönlichen Thema, wenn es um die Kernkompetenzen des Managements geht: Strategie und Rendite. Wenn strategische Defizite und erodierende Gewinne nicht rechtzeitig angepackt werden, dann steht die Krise vor der Tür. Oft haben die Entscheider kein Erkenntnisproblem, aber sie packen die Dinge nicht richtig an. In dieser Situation Externe ans Ruder zu lassen fällt jeder selbstbewussten Führungsnatur schwer – und ist doch richtig. Hier sind unsere Gründe:
Sanierungsberater kommen, um zu gehen, sie haben nur einen einzigen Auftrag und wollen nicht gleich das nächste Projekt verkaufen. Das macht sie unabhängig und glaubwürdig. „Wir haben als Externe keine Wurzeln im Unternehmen, wir sind unpolitisch und frei von Emotionen“, sagt Rüdiger Tibbe, Managing Director von Excelliance, der als Sanierer auch temporär bei seinen Kunden in die Organschaft geht. „Wir wollen keine Karriere im Unternehmen machen, darum können wir dem Management jederzeit und ungeschminkt den exakten Wasserstand melden.“ Berater genießen intern oft eine höhere Akzeptanz und können mit klarem Blick von außen – zusammen mit dem Kunden-Team – die Herausforderungen schneller und besser meistern.
Kein Unternehmen beschäftigt Leute auf Vorrat, um Krisenthemen anzugehen – schon gar nicht auf der Ebene des Top-Managements. Das Tagesgeschäft hört nicht auf, bloß weil zusätzliche Herausforderungen zu bewältigen sind. In der Praxis führt das dazu, dass viele Restrukturierungen auch aus Zeitgründen nur halbherzig angegangen werden.
„Einen gravierenden Turnaround kann man nicht mit Bordmitteln stemmen“, sagt Georgiy Michailov, Managing Director von Struktur Management Partner (SMP). Berater bringen nicht nur Ressourcen mit, sondern erzeugen auch Druck: „Wenn nicht jetzt, wann dann, frage ich das Management immer“, berichtet Tibbe. „Weil Zeit kostbar ist und jeder Monat zählt, sollte die Sanierung sofort eingeleitet werden, sobald Anzeichen der Krise sichtbar sind.“
"Manche können nur Wachstum und sind auch in der Krise in der Offensive"
Georgiy Michailov, SMP
Weil die anderen Aufgaben nicht verschwinden und das Management sich gern auf die eigenen Stärken konzentriert, fehlt selbst in einer ausgewachsenen Liquiditätskrise oft der Fokus auf Cash. Zu viel dreht sich immer noch um das laufende operative Geschäft und um die Zukunft. „Manche können nur Wachstum und sind auch in der Krise in der Offensive“, beobachtet Michailov.
Berater bringen den Fokus auf das Überleben mit. Die konsequente Umsetzung harter Schnitte ist ihr tägliches Brot. Weil sie selbst keine Verantwortung für frühere Entscheidungen tragen und keinem Mitarbeiter persönlich verpflichtet sind, können sie leichter Fehler der Vergangenheit identifizieren und alte Zöpfe abschneiden. Das ist manchmal unangenehm für die Entscheidungsträger, aber unumgänglich.
Zehn Jahre Aufschwung haben Spuren im Top-Management hinterlassen: Im Mittelstand ist echte Sanierungsexpertise selten geworden. Wachstum zu managen ist eine nicht weniger komplexe Aufgabe als Restrukturierung – aber eine ganz andere. „Restrukturierung ist ein Prozess, den man verstehen und professionell steuern muss“, sagt Michailov von SMP. Die spezialisierten Berater kennen die Abläufe genau. Sie sehen, an welchen Stellen etwas im Argen liegt, und kennen die entscheidenden Hebel.
Für eine umfassende Sanierung braucht es neben dem Berater den Anwalt, den Interimsmanager und den Finanzierungsberater – alle haben einschlägige Expertise, müssen aber geführt werden. Krisenerfahrene Strippenzieher erhalten bei allen Stakeholdern einen Vertrauensvorschuss. Und oft zählt einfach die Erfahrung: „Ich weiß genau, wie man mit guten Kunden Gespräche über Vorkasse und mit überlebenswichtigen Lieferanten Kooperationsgespräche führt“, sagt Robert Simon, der seit über 15 Jahren als Interimsmanager in Krisensituationen unterstützt.
"Die Geldgeber erwarten einen strukturierten Prozess mit Profis auf der Gegenseite, die die systemrelevanten Spielregeln kennen"
Rüdiger Tibbe, Excelliance
Sanierungsexpertise fordern auch die Banken. Das heißt nicht nur, mit Begriffen wie IDW-S6-Gutachten zu jonglieren, sondern auch die Anforderungen und Zwänge der Finanzierer einschätzen zu können. „Die Geldgeber erwarten einen strukturierten Prozess mit Profis auf der Gegenseite, die die systemrelevanten Spielregeln kennen“, sagt Tibbe. Das gehört auch eine saubere Kommunikation: Banken hassen schlechte Nachrichten, die unerwartet oder scheibchenweise kommen.
Auch in der Sanierung spielt der Faktor Mensch eine Rolle. Nicht nur den Mindset der Workout-Abteilung einer Bank, sondern auch die handelnden Personen zu kennen hat schon viele Unternehmen gerettet. Auch die Warenkreditversicherungen sind in der Krise relevante Spieler – hier entscheiden zwei Dutzend Menschen in Deutschland über Wohl und Wehe der ganzen Wirtschaft.
Zum Schluss vielleicht kein gutes Argument, aber eine bittere Erfahrung aller, die es aus eigener Kraft versucht haben und gescheitert sind: Sobald für die finanzierenden Banken die Krise sichtbar wird, beginnt eine Maschinerie zu laufen. Spätestens wenn ein Sanierungsgutachten gefordert wird, kommt der Berater ins Haus. Bezahlen muss der Unternehmer ihn, auch wenn er ihn nie gewollt hat – nur aussuchen kann er ihn dann oft nicht mehr.
8/2020