Trends in der Unternehmensnachfolge

„Am liebsten an den Sohn, ohne Finanzinvestoren oder Strategen, dafür viel zu spät“ – so hieß es lange. Doch gelten diese Nachfolgeklischees überhaupt noch? Die Antworten sind nicht beruhigend.

Trends in der Unternehmensnachfolge

Übergabe von der Mutter an den Sohn – in der Unternehmensnachfolge sind viele Optionen möglich. Bildquelle: picture alliance / Westend61

Die Zahlen sind seit Jahren riesig, und sie werden auch mit der Zeit nicht kleiner. Allein in diesem Jahr wollen 215.000 Unternehmer ihre Firma an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben. Das berichtet die KfW in ihrem Anfang Januar 2025 erschienenen „Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2024“. In einer früheren Ausgabe der Erhebung war die Rede von durchschnittlich 125.000 Übergaben pro Jahr von 2023 bis 2027. Offenbar haben längst nicht alle Unternehmer ihre Pläne wie erhofft umsetzen können. Andere Quellen wie das Institut für Mittelstandsforschung IfM kamen Ende 2021 noch auf deutlich niedrigere Zahlen. Demnach stehen bis 2026 nur etwa 38.000 Übergaben pro Jahr an. Doch trotz dieser Differenzen ist eines unstrittig: Der demografische Druck auf den Mittelstand ist groß, Nachfolgen werden den Mittelstand in den kommenden Jahren prägen.

Lange Zeit galt für Unternehmensnachfolgen in Deutschland: Am liebsten soll der älteste Sohn übernehmen, damit die Firma in Familienhand, unabhängig und im Sinne der Gründer fortgeführt werden kann. Doch seit Jahren zeigt sich auch, dass es zunehmend schwierig wird, diesen Wunsch umzusetzen. So rücken auch Töchter, angestellte Manager, Finanzinvestoren und strategische Käufer in den Fokus der übergabewilligen Unternehmer. Die Nachfolgeoptionen werden divers. Nur: Sind diese Entwicklungen wirklich ein Trend oder bleibt es am Ende doch bei ausgesuchten Einzelfällen, die zwar medial für Aufmerksamkeit sorgen, aber nicht repräsentativ für eine Entwicklung sind? Wir haben dazu aktuelle Datenerhebungen angeschaut.

1. Gibt es mehr Nachfolgerinnen?

Genaue Angaben darüber, in wie vielen Fällen Frauen eine Unternehmensnachfolge antreten, sind noch nicht verfügbar. 2023 wurden durch die Industrie- und Handelskammern (IHKs) mehr als 2.500 Frauen beraten, die eine Firmenübernahme oder -übergabe planten, wie aus dem „DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2024“ hervorgeht. Dabei zeigt sich, dass im Osten der Republik der Anteil der Frauen an allen Übernahmeinteressierten mit 27 Prozent höher als im Westen (22 Prozent) liegt. Deutschlandweit liegt der Frauenanteil unter den Nachfolgeinteressierten und abgebenden Inhabern seit Jahren relativ stabil bei 23 Prozent. Dieser Wert liegt immerhin deutlich über dem Frauenanteil unter mittelständischen Geschäftsführern: Nach Angaben der KfW erreichte dieser 2022 mit 19,7 Prozent einen Höchststand, fiel aber schon im Folgejahr auf 15,8 Prozent. 2024 lag er sogar nur noch bei 14,3 Prozent und war damit so niedrig wie noch nie seit 2003. Frauen in der Nachfolge und damit Führung von Unternehmen bleiben weiter deutlich unterrepräsentiert. Das liegt nach Angaben der DIHK offenbar auch daran, dass es Frauen, die meist nach der Kindererziehungszeit Unternehmerinnen werden, an Startkapital und branchenrelevanten Netzwerken fehlt.

2. Gibt es mehr familienfremde Nachfolgen?

Laut „DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2024“ beabsichtigen 17 Prozent der Inhaber, die sich durch die IHKs beraten ließen, eine Übergabe an eigene Mitarbeiter. Innerhalb der Familie bleiben aber nur noch 33 Prozent der Unternehmen. Insgesamt sollte dieser Wert aber höher liegen – wer seine Nachfolge familienintern regeln kann, wird seltener Beratung bei der IHK suchen. Laut KfW ist die Übergabe an ein Familienmitglied für 51 Prozent der Inhaber eine anzustrebende Nachfolgevariante. 2020 war dieser Anteil schon mal höher (61 Prozent), 2018/2019 allerdings niedriger (45 bzw. 44 Prozent). Diese Werte sind zudem Teil von Mehrfachnennungen; 41 Prozent der Befragten können sich ebenso externe Käufer und 30 Prozent Mitarbeiter als Nachfolger vorstellen.

Jeder Zweite strebt keine familieninterne Nachfolge an.

Interessant ist also vielmehr, dass immerhin rund jeder Zweite keine familieninterne Nachfolge anstrebt. Oft wird dies aber weniger ein Wunsch des Inhabers als vielmehr der Tatsache geschuldet sein, dass es keine Nachfolger in der Familie gibt. Häufig wird diese Option ja schon relativ früh geprüft und gegebenenfalls schrittweise eingeleitet. Zwei Faktoren machen die Übergabe schwer: Es gibt immer weniger junge Leute – und diese haben wenig Lust auf Unternehmertum. Gab es 2002 noch 203.000 Übernahmegründer, sind es seit mehr als zehn Jahren nur etwa ein Viertel so viele. 2023 waren es gerade einmal 45.440 Personen.

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3. Werden die abgebenden Unternehmer jünger?

In den USA ist der „Serial Entrepreneur“ weit verbreitet, der schon in relativ jungen Jahren sein Unternehmen abgibt, um anschließend weitere zu gründen oder sich als Investor an anderen Gründungen zu beteiligen. Auch hierzulande gibt es immer wieder prominente Fälle von Unternehmern, die sich schon in ihren Vierzigern aus dem eigenen Unternehmen zurückziehen. Doch in der Breite ist die Entwicklung eine ganz andere: Die mittelständische Unternehmerschaft altert rapide. Das Durchschnittsalter eines Inhabers liegt laut „KfW-Mittelstandspanel 2024“ inzwischen bei 54 Jahren. Demnach sind bereits 39 Prozent der KMU-Inhaber über 60 Jahre alt, das ist ein neuer Rekord. 2003 lag das Durchschnittsalter erst bei 45 Jahren, der Anteil der über 60-Jährigen lediglich bei 12 Prozent. Heute ist mehr als jeder zweite Unternehmer älter als 55 (2003: 20 Prozent).

4. Scheitert’s meist am Geld?

Laut „DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2024“ sorgen überhöhte Kaufpreiserwartungen der Senior-Unternehmer dafür, dass eine Nachfolge nicht zustande kommt. Zumindest bewerten die IHKs selbst in 37 Prozent der Fälle die Preisvorstellung als zu hoch. Das führt dazu, dass jeder fünfte Senior lieber noch mit der Übertragung wartet – in der Hoffnung, die Zahlungsbereitschaft werde wieder steigen. Auf ähnliche Werte kommt die KfW: Die Einigung über den Kaufpreis stellt in jedem dritten Fall eine Hürde dar. Allerdings ist dieser Wert seit 2021 allen Krisen und damit einhergehenden Bewertungsveränderungen zum Trotz relativ stabil geblieben. Auch die Finanzierung ist ein Thema , aber laut KfW nicht einmal in jedem fünften Fall ein echtes Problem. Die DIHK hat allerdings höhere Werte ermittelt: Demnach haben 36 Prozent der Nachfolgeinteressierten Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Im Saldo aus „Finanzierung verbessert vs. verschlechtert“ hat sich bei jedem Zweiten die Finanzierung durch Bankkredite verschlechtert, bei mehr als jedem Dritten auch die Option Eigenmittel. Doch auch Mezzanine und Beteiligungskapital sowie Darlehen durch den abgebenden Unternehmer sind im Saldo seit 2023 negativ. Lediglich Bürgschaften sind noch im positiven Bereich – aber zuletzt ebenfalls weniger deutlich als in den Vorjahren.
Dennoch: Das mit Abstand größte Problem ist weder der Preis noch die Finanzierung, sondern überhaupt einen passenden Nachfolger zu finden – oder ein passendes Unternehmen. Das liegt offenbar an ganz grundsätzlich unterschiedlichen Perspektiven: Der Senior bewertet meist, was war, der Nachfolger hingegen, was werden soll. Angesichts einer Wirtschaftswelt im Umbruch mit vielen Transformationsherausforderungen schauen Nachfolger sehr genau, welchen Investitions- und sonstigen Veränderungsbedarf ein Unternehmen hat.

5. Welche Form der Nachfolge gewinnt hinzu?

Die Zahlen sind alarmierend, denn die wohl am wenigsten erwünschte Form der Nachfolge gewinnt derzeit stark an Bedeutung: die Unternehmensschließung. Die DIHK verzeichnete 2023 dreimal mehr Unternehmen, die einen Nachfolger suchen als Übernahmeinteressierte. 28 Prozent der beratenen Unternehmen erwägen eine Schließung – 2022 waren es noch 25 Prozent. Auch hier wieder fast immer der Grund: Ich finde keinen Nachfolger. Fachkräftemangel, Unsicherheit über die geschäftliche Zukunft und gestiegene Kosten haben zuletzt die Situation noch einmal deutlich verschärft. Laut „KfW Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2024“ erwägen 231.000 Unternehmen bis Ende dieses Jahres eine Stilllegung – das wären 16.000 mehr, als bis Jahresende eine Übergabe planen. Das Nachfolgeproblem im Mittelstand gewinnt seit Jahren an Dramatik, ohne dass eine Entspannung zu erkennen wäre.

04/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.




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