„Familienunternehmen werden am Esstisch übergeben“

Das Familienunternehmen Schöffel besteht seit 1804. Jetzt hat Peter Schöffel die Verantwortung an seinen Sohn Jakob übergeben. Wie gelingt der Generationenwechsel: das Loslassen, das Hineinwachsen in Verantwortung, das Verständnis füreinander?

Peter Schöffel hat das Familienunternehmen Schöffel an seinen Sohn Jakob übergeben. Damit wurde der achte Generationenwechsel seit Gründung 1804 vollzogen.

Peter Schöffel hat das Familienunternehmen Schöffel an seinen Sohn Jakob übergeben. Damit wurde der achte Generationenwechsel seit Gründung 1804 vollzogen. Foto: Schöffel

Das Unternehmen Schöffel ist 1804 mit Socken, Strümpfen und Nachthauben gestartet. Seither hat Ihre Familie in der Weiterentwicklung oft den richtigen Riecher gehabt. Welches ist der nächste große Trend?

Jakob Schöffel:
Der große Trend unserer Zeit ist Gesundheit – sowohl physische als auch psychische. Wir positionieren uns da sehr klar mit unserem Slogan „Ich bin raus.“: Als Gegenbewegung zu „höher, schneller, weiter“ sind wir die Bekleidungsmarke für diejenigen, die draußen abschalten und Ausgleich finden möchten.

Peter Schöffel:
Diese Haltung passt zu uns als Unternehmen. Wir sperren uns wirtschaftlich ebenfalls gegen „höher, schneller, weiter“ um jeden Preis und setzen stattdessen auf nachhaltiges, gesundes Wachstum.

Jakob, Sie haben im Februar die Rolle des geschäftsführenden Gesellschafters bei Schöffel übernommen. Wie fühlt es sich bis dato an?

Es fühlt sich natürlich und gut an. Es war kein Sprung ins kalte Wasser, sondern eher langsames Hineinwaten. Ich durfte über jedes der 26 Jahre meines Lebens in die Position hineinwachsen.

„Ich durfte über jedes der 26 Jahre meines Lebens in die Position hineinwachsen.“

Jakob Schöffel 

Peter, Sie haben im Alter von 63 Jahren übergeben, Jakob, Sie im Alter von 26 Jahren übernommen.

Peter, wie hat sich der Prozess aus Ihrer Sicht gestaltet?

Wir haben zwei Voraussetzungen für die Berufung des Nachfolgers festgelegt: Zum einen muss er ein abgeschlossenes Studium und zwei Jahre Berufserfahrung im Ausland vorweisen können, zum anderen muss der unabhängige Unternehmensbeirat hinter der Entscheidung stehen. Damit entschärfen wir den Zielkonflikt zwischen der Rolle als Vater und der als Unternehmer und stellen sicher, dass gilt, was wir über Generationen als Corporate Governance weitergetragen haben: Die Schöffels sind für das Unternehmen da und nicht das Unternehmen für die Schöffels.

Damit ist es aber natürlich nicht getan. Nachfolge ist keine Samstagnachmittag-Ad-Hoc-Entscheidung. Wir haben unsere Kinder über Jahre an das Unternehmen herangeführt und früh mit ihnen über die potenzielle Nachfolge gesprochen. Unsere Tochter hat sich bewusst gegen die unternehmerische Verantwortung entschieden, Jakob diese gerne angenommen.

Jakob, haben Sie sich schon immer im Unternehmen gesehen?

Das Unternehmen war immer da – seit früher Kindheit über Gespräche am Esstisch, später über regelmäßige Ferienjobs bei Schöffel. Zur Zeit meines Abiturs haben wir erstmals ernsthaft über die Nachfolge gesprochen. Ich habe eine große Begeisterung für unsere Produkte und der Job war schon damals durchaus spannend für mich. Eine feste Zusage wollte und konnte ich aber noch nicht geben.

Während des Studiums wurde ich ständiger Beisitzer im Beirat und nach einigen Jahren im Ausland und verschiedenen anderen Jobs ist mein Vater Ende 2023 im Zuge der Expansion von Schöffel wieder auf mich zugekommen mit dem Angebot, zunächst neben ihm einzusteigen. Ich habe den Job und die Verantwortung angenommen, um bis zum 65. Geburtstag meines Vaters final zu entscheiden, ob ich übernehmen will.

Sie waren sich noch immer nicht sicher?

Ich hatte Angst, meine Freiheit aufgeben zu müssen – ich war in der ganzen Welt unterwegs und Schwabmünchen (Unternehmenssitz von Schöffel, Anm. d. Red.) ist nicht unbedingt eine Metropole. Das ist eine Lebensentscheidung.

Was hat den Ausschlag gegeben?

Bei Schöffel habe ich mehr Freiheit und mehr Gestaltungsspielraum als an jedem anderen Ort, in jedem anderen Job – das habe ich in dem guten Jahr Mitarbeit verstanden.

Peter, was hätten Sie gemacht, wenn Jakob zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre?

Wäre Jakob nicht geeignet gewesen oder hätte sich gegen Schöffel entschieden, hätte ich vermutlich unser Unternehmen verkauft.

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„Unternehmer ist man aus Berufung“

Peter Schöffel 

Was sicher enorm schmerzhaft gewesen wäre.

Die Welt wäre nicht untergegangen, auch wenn es bedauerlich gewesen wäre. Das haben wir unseren Kindern auch immer mitgegeben und keinen Druck ausgeübt. Johanna konnte sich frei „gegen“ Schöffel entscheiden. Unternehmer ist man aus Berufung, sonst zerbricht man daran. Und das ist nicht im Sinne der Familie und noch wichtiger – um noch einmal auf unsere Corporate Governance zurückzukommen – auch nicht im Sinne des Unternehmens.

Jakob, letztlich haben Sie jetzt schon weit vor der „Deadline“, dem 65. Geburtstag Ihres Vaters, übernommen.

Im Rahmen der Expansion haben wir neue Markteinheiten aufgesetzt. Wir implementieren Technologien und Prozesse. Da hat es sich angeboten, die operativen Entscheidungen schon bei mir zu bündeln.

Wie wurde der Generationenwechsel angenommen?

Wir haben zuerst die Mitarbeiter informiert, danach die weiteren Stakeholder. Natürlich bringt man mir mit 26 einen anderen Respekt entgegen als meinem Vater, doch ich bin gerne bereit, mir Anerkennung zu verdienen. Bisher hat sich noch keiner beschwert.

Peter, tat es weh, loszulassen?

Ganz im Gegenteil: Es fühlt sich gut an, an einer weiteren entscheidenden Staffelholzübergabe aktiv beteiligt zu sein, der siebten in unserer 221-jährigen Unternehmensgeschichte.

Keine Angst vor Langeweile?

Mir war immer klar, dass ich nicht mit 75 noch bei Schöffel die Geschäfte führen will. Hat man diese Klarheit, kann man wunderbar Leidenschaften neben dem Beruf entwickeln. Denen kann ich jetzt nachgehen.

Was, wenn Ihr Sohn das ganze Unternehmen umkrempelt?

Es ist wichtig, dass er Dinge anders macht. Und wäre ich nicht überzeugt, dass er letztlich die richtigen Werte vertritt, hätte er nicht übernommen. Ich hatte 26 Jahre Zeit, mein Kind kennenzulernen und habe 26 Jahre lang auch meine Erfahrung geteilt: Familienunternehmen werden am Esstisch übergeben. Du legst den Unternehmer nicht abends mit dem Mantel an der Tür ab. Wir teilen dieselben Grundwerte. Es ist wahnsinnig schön, an jemanden übergeben zu können, der mein 100-prozentiges Vertrauen genießt. Das kann sich kein Fremd-Manager erarbeiten.

Das ist mir etwas zu harmonisch.

Hinter verschlossenen Türen dürfen und müssen wir uns reiben, da haben Sie schon recht. Wir forcieren Diskussionen auch bewusst, sie sind wertvoll. Entscheidend ist, dass wir eine gemeinsame Botschaft haben, sobald wir die Türe öffnen. Die Unternehmensgeschichte gibt uns Recht, so sind wir mit Schöffel acht Generationen alt geworden.

Jakob, schauen wir zum Schluss nach vorne. Sie schreiben auf dem Karriereportal LinkedIn, Sie seien überzeugt, „dass wir heute anders führen und anders handeln müssen, wenn wir auch morgen noch relevant sein wollen“. Wie sieht diese Führung für Sie aus?

Ich kann glücklicherweise gut Fragen stellen. Das hilft mir, weil ich lerne. Es hilft unseren Prozessen, weil sie unvoreingenommen hinterfragt werden. Und es gibt den Managern die Gelegenheit, im Diskurs zu überzeugen und Verantwortung zu tragen.

Die Textilbranche ist nicht unbedingt als innovativ bekannt, aber „Das haben wir schon immer so gemacht“ birgt eine große Gefahr. Ich kenne dieses „Das haben wir schon immer so gemacht“ nicht. Das ist meine große Chance.

04/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.






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