Wir haben immer eine starke Auslastung – auch aktuell. Aber der gesamte Restrukturierungsmarkt zieht erst wieder an, wenn weniger Liquidität im Markt ist, die eine sehr problematische Seite hat: Derzeit wird die Lösung von Problemen zu spät angegangen. Erst wenn gar nichts mehr geht, suchen die meisten Unternehmen Hilfe.
Das Independent Business Review (IBR) ist eine formlose unabhängige Meinung zum Zustand eines Unternehmens. Es wird oft von den Banken eingefordert, um sich ein klareres Bild zu verschaffen, wenn die wirtschaftliche Situation des Kunden nicht über alle Zweifel erhaben ist.
Dagegen hat ein Gutachten nach dem Standard S6 des Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) eine vorgegebene Struktur und feste Inhalte. Es geht als regelrechtes Sanierungsgutachten mehr in die Tiefe und definiert einen Weg aus der Krise.
Einen neuen rechtlichen Rahmen für die Sanierung bietet ab 2021 das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG). Mit dem Antrag beim Gericht, eine Sanierung unter dem StaRUG durchführen zu dürfen, muss nur ein wenig differenzierter Restrukturierungsplan vorgelegt werden. In der Praxis wird nach Meinung zahlreicher Experten allerdings ohne ein IDW S6 kaum die notwendige Zustimmung der Gläubiger zu bekommen sein.
Und sollte die Restrukturierung unter dem StaRUG misslingt, wartet schon der nächste Plan für die Insolvenz in Eigenverwaltung: der Insolvenzplan.
Zunächst einmal: Jeder ordentliche Kaufmann braucht einen Blick nach vorn. Das kann sehr unterschiedlich komplex sein. Manch ein gut aufgestelltes Unternehmen braucht nur einen Jahresplan. Unternehmen mit Volatilität oder saisonalen Schwankungen benötigen auf Monate heruntergebrochene Planungen, weil über das Controlling unterjährig gesteuert werden muss, was nicht ohne einen Abgleich von Soll und Ist möglich ist. Planung ist ein Führungsinstrument und ein Frühwarnindikator: Ohne den Planabgleich bemerkt man Fremdentwicklungen, auf die man reagieren muss, oft erst zu spät. Die Planung wird immer wichtiger, weil die Märkte der Unternehmen dynamischer werden. Ich bin fest überzeugt, dass mehr und bessere Planung zu weniger Krisen führt – planlose Steuerung ist ein Blindflug.
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Man kann es auch übertreiben. Detailversessenheit bindet zu viele Ressourcen. Ich erlebe auch immer wieder, dass nicht erfolgskritische Themen mit größter Sorgfalt durchgeplant sind, während die entscheidenden Baustellen kaum Beachtung finden. Noch häufiger sehen wir aber zu wenig Planung, obwohl Mittelständler dafür gar keine teuren Tools brauchen. Das erschwert unsere eigene Arbeit sehr schwer, weil wir im Krisenfall in kurzer Zeit unter hohem Druck die Versäumnisse der Vergangenheit nachholen müssen.
Die verschiedenen Pläne haben etwas mit dem Krisenstadium des Unternehmens zu tun und mit dem Bedarf an Unterstützung durch andere Stakeholder, vor allem natürlich durch die Finanzierer. Wenn Krisenzeichen erkennbar werden, verlangen die Banken oft ein sogenanntes Independent Business Review (IBR). Ziel ist eine unabhängige Plausibilisierung der Planung, die auch die Plan-Ist-Abweichung begründet. Für das IBR gibt es zwar Grundsätze, aber keine in einschlägigen Standards kodifizierte Form. Die Banken verlangen aber oft Pflichtangaben, zum Beispiel Antworten auf konkrete Fragen wie den Einfluss eines Umsatzeinbruchs auf die Liquiditätslage und damit auf die Kapitaldienstfähigkeit. Das wird dann schon schnell komplex: Diese Frage kann man nämlich nur mit einer integrierten GuV-, Bilanz- und Liquiditätsplanung beantworten.
„Es gibt keine Alternative zur schonungslosen Analyse und zum offenen Umgang auch mit eigenen Fehlern."
Im Prinzip schon. Aber das IBR wird de facto immer von einem externen Berater erstellt, weil es ja einen unabhängigen und erfahrenen Blick auf die Planung werfen soll. Auf keinen Fall dürfen verschiedene Pläne für verschiedene Stakeholder erstellt werden.
Das ist das IBR auch nicht. Wenn sich das Unternehmen allerdings bereits in der Marktfolge befindet, werden die Fragen der Banken detaillierter: Welche Bereiche sind profitabel, welche nicht? Es wird auch nach spezifischen Marktentwicklungen gefragt. Schließlich geht es ja darum, die Kapitaldienstfähigkeit zu prüfen, bevor Themen wie Prolongationen, Änderungen der Kreditkennzahlen oder Gesellschafterbeiträge diskutiert werden können. Dafür verlangen die Banken aus regulatorischen Gründen in der Regel ein Sanierungsgutachten, das dem Standard IDW S6 folgt. Dieses Gutachten folgt definierten Mindestinhalten und geht im Detaillierungsgrad viel tiefer als das IBR.
Während das IRB erst einmal nur Transparenz schafft, liefert das Sanierungsgutachten einen Blick nach vorn. Es enthält sowohl eine Fortführungsprognose als auch einen Sanierungsplan. Auf Ebene aller relevanten Konzerngesellschaften erfolgt eine komplette integrierte Planung. Das ist erheblich aufwendiger, aber fast immer eine notwendige Voraussetzung, um die Zustimmung der Gläubiger zu einer Restrukturierung zu erhalten. Wenn das Gutachten überzeugend ist, ziehen die Banken in der Regel mit – sie sind oft gute Berater und Begleiter.
Die formalen Anforderungen sind zwar gering, aber er wird letztlich dem IDW S6 folgen müssen. Es braucht auch hier eine integrierte Planung für eine Szenario- und Vergleichsrechnung sowie für Optionsanalysen, weil auch im StaRUG die Gläubiger überzeugt werden müssen. Am Ende ist da auch kein großer Unterschied zum Insolvenzplan.
In der Regel ist das sinnvoll. Über das Gutachten hat der Berater schon viel Erkenntnisse über das Unternehmen gewonnen, die sich in der Umsetzung anwenden lassen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Berater auch über die spezifischen Erfahrungen verfügt, die im jeweiligen Fall notwendig sind. Entscheidend ist aber erst einmal das Gutachten, ohne das man gar nicht erst die Chance der Umsetzung erhält.
Immer mit einem offenen Visier. Es gibt keine Alternative zur schonungslosen Analyse und zum offenen Umgang auch mit eigenen Fehlern. Auf keinen Fall darf man versuchen, in der Erläuterung kreativ zu werden. Nach einigen Jahrzehnten Erfahrung kann ich sehr klar sagen: Das holt ein Unternehmen immer wieder ein.
12/2020
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.