Immer mehr Unternehmer überführen ihr Lebenswerk in eine Stiftung, um die Nachfolge zu regeln. Ein Konstrukt mit Vorteilen und Tücken. Wann ist die Stiftungslösung für Mittelständler geeignet?
Der römische Dichter und Satiriker Horaz sagte: „Deines Reichtums wird sich ein Erbe bemächtigen.“ Der italienische Staatstheoretiker Niccolò Machiavelli meinte: „Die Menschen verwinden rascher den Tod ihres Vaters als den Verlust des väterlichen Erbes.“ Im deutschen Sprichwort klingt es so: „Wer an die Liebe seiner Erben glaubt, dem ist wohl aller Witz geraubt.“ Und in den Schlagzeilen dramatisch: „Milliardenklage in Erbschlacht gescheitert.“
Wer etwas zu vererben hat, der hat es schwer genug. Alle wollen berücksichtigt sein, doch der Unternehmer möchte vor allem das Erreichte bewahren. Wer ein Vermögen in barer Münze übergibt, hat nach Abzug der Pflichtteile immerhin die Option, zu vierteln, zu dritteln oder nach anderem Gutdünken zwischen denen zu teilen, die begünstigt werden wollen. Geld ist Geld, seine Funktion wird nicht eingeschränkt, wenn man es aufspaltet.
Anders sieht es aus, wird ein Unternehmen vererbt. Der Gesellschafter kann nicht all seinen Lieben ein kleines Stück des Kuchens vermachen, ohne Gefahr zu laufen, dass sein Lebenswerk zwischen unterschiedlichen Interessen zerrieben wird. Vielleicht begeistert sich auch niemand für die Nachfolge – oder der Unternehmer traut sie den Abkömmlingen nicht zu.
„Bei der Ausgestaltung der Satzung hat der Unternehmer sehr viel Freiheit.“
Michael Kaschke,
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Jetzt gehen die Boomer-Unternehmer in Rente, und damit ist die Frage nach dem Umgang mit dem eigenen Vermächtnis aktuell wie nie. Eine Antwort erfreut sich zunehmender Beliebtheit: die Stiftung als Hülle für Unternehmensbeteiligungen.
Dafür gibt es gute Gründe. Der Stifter kann die Satzung fast beliebig gestalten und damit verhindern, dass sein Lebenswerk aufgespalten oder an Dritte veräußert wird. Er kann die weitere Strategie festschreiben, um den Unternehmenserhalt unabhängig von Nachfolgern oder Käufern zu sichern: „Beim Ausgestalten der Satzung gibt es beinahe keine Limitierung – der Unternehmer hat sehr viel Freiheit“, erklärt Michael Kaschke, früherer Chef des auch einer Stiftung gehörenden Unternehmens Carl Zeiss und heute Präsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.
Gemeinnützige Stiftung: Organisation, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, wie Bildung, Wissenschaft, Kultur oder soziale Wohlfahrt. Sie muss ihre Mittel für das Gemeinwohl einsetzen und genießt dafür steuerliche Vergünstigungen.
Familienstiftung: hat den Zweck, den Stifter und seine Familie (finanziell) zu unterstützen. Dies macht sie regelmäßig mit Privat- und/oder Betriebsvermögen, welches der Stifter zu Lebzeiten oder von Todes wegen einbringt. Dabei werden, wie grundsätzlich bei Stiftungen, die Erträge des Grundstockvermögens an die Begünstigten ausgeschüttet.
Doppelstiftung: Kombination aus einer gemeinnützigen Stiftung und einer Familienstiftung. Zwei rechtlich unabhängige Stiftungen, die eng miteinander verbunden sind. Die gemeinnützige Stiftung verfolgt steuerlich begünstigte Zwecke, also gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke, während die Familienstiftung die Interessen einer bestimmten Familie unterstützt.
Eine Familienstiftung bringt auch steuerliche Vorteile. Wird das Unternehmen innerhalb der Stiftung fortgeführt, werden die Löhne unvermindert bezahlt, und erfüllt die Stiftung weitere Voraussetzungen des Erbschaftsteuergesetzes, ist sie über die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen und bei großen Vermögen durch die Verschonungsbedarfsregelung erbschaftsteuerlich privilegiert.
Die Verschonungsregeln reduzieren den erbschaftsteuerlichen Unternehmenswert – im Nachgang wird ein etwaiger Freibetrag betrachtet und abgezogen, der bis zu 100 Prozent des vererbten Vermögens ausmachen kann. Die Stiftung bringt auch eine höhere Planungssicherheit als die Übertragung an die nächste Generation. „Die Stiftung muss alle 30 Jahre Erbersatzsteuer bezahlen“, erläutert Rechtsanwalt Stefan Stolte. „Das Gesetz geht hier von zwei fiktiven Erben aus. Das erhöht die Planbarkeit, und auch Erbschaftsteuerfreibeträge können wieder geltend gemacht werden.“
Kein Wunder, dass die Zahl der Stiftungen in Deutschland steigt. Etwa 500 bis 600 Stiftungen werden jährlich gegründet, rund die Hälfte sind Familienstiftungen mit dem Zweck der Vermögensverwaltung – bei wie vielen dieser Stiftungen tatsächlich das Unternehmen als Vermögenswert eingebracht wird, dazu gibt es keine validen Studien. Es dürfte der kleinere Teil sein. Guido Vorwald von der Deutschen Bank, der immer häufiger Anfragen zum Thema Stiftungen erhält, kennt die Motivation der Verantwortlichen: „Über die Stiftung kann der Unternehmer alles im Detail regeln, einer Zerschlagung oder dem Verkauf des Unternehmens vorbeugen und damit auch den Erhalt der Arbeitsplätze der Angestellten sichern. Ebenso kann er den Verkauf zum Beispiel eines entscheidenden Patents verhindern.“
„Mit der Einbringung des Unternehmens in eine Familienstiftung definiert der Stifter, wer künftig Eigentümer ist, aber nicht, wer Unternehmen und Stiftung lenkt.“
Guido Vorwald,
Deutsche Bank
So weit, so gut – warum aber geben dann nicht alle Unternehmer ihre Firma in eine Stiftung? Der offensichtliche Grund ist die Komplexität des Konstrukts. Wer eine Familienstiftung strukturieren will, ist schnell erschlagen ob all der Freiheiten, die einem die Satzung lässt. Es braucht (teure) externe Experten, die dafür sorgen, dass der Wille des Unternehmers so abgebildet wird, dass er nicht umgangen oder anders interpretiert werden kann. Berater Vorwald spricht von einer Stifterreife, die der Unternehmer haben muss.
Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass eine Stiftung faktisch eine auf Unendlichkeit angelegte Einbahnstraße ist. Das Stiftungsstockvermögen in Form des Unternehmens darf nicht angetastet werden, lediglich die Erträge aus der Geschäftstätigkeit sind nutzbar. Der Unternehmer garantiert den Fortbestand des Betriebs, die Fortzahlung der Löhne und die weiteren Anforderungen des Erbschaftsteuergesetzes auf sieben Jahre, um sich den Verschonungsfreibetrag zu sichern.
Das bedeutet auch, dass die Profitabilität des Unternehmens gesichert sein muss – in Zeiten unsicherer Wirtschaftslage und vieler Krisen ein stolzer Anspruch. Und sind die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, fällt eben doch Erbschaftsteuer an. Damit ist der Zweck der Stiftung, das Unternehmen vor der Zerschlagung zu schützen, ad absurdum geführt.
Außerdem bleibt auch in einem Stiftungskonstrukt die Frage nach der Geschäftsführung offen. Vorwald stellt klar: „Mit der Einbringung des Unternehmens in eine Familienstiftung definiert der Stifter, wer künftig Eigentümer ist, aber nicht, wer Unternehmen und Stiftung lenkt.“ Das gilt vor allem für die Zeit nach dem Tod des Stifters. Der Stiftungsvorstand sollte die Geschäftsführung als Aufsichtsgremium kontrollieren, aber nicht zu stark in die operative Tätigkeit eingreifen können. Nur wenn beide Führungsgremien zusammenarbeiten und ihre Aufgabenbereiche ineinandergreifen, behält das Unternehmen die nötige Flexibilität.
Auch Kaschke unterstreicht, wie wichtig gute Governance ist. Dazu gehört für den Experten vor allem eine gewisse finanzielle Freiheit des Managements: „Das Unternehmen muss sich weiterhin der Dynamik der Märkte anpassen können, das braucht Investitionen in die Unternehmensentwicklung und Finanzreserven.“ Es gilt einmal mehr: Der Stifter hat die Freiheit, die Governance von Stiftung und Unternehmen zu regeln – über die Organe und Gremien sowie die Festlegung ihrer Kompetenzen.
Diese Herausforderungen können bewältigt werden, wenn bereits bei der Konzeption der Stiftung sehr weit im Voraus gedacht wird. Außerdem sollte die Satzung durch ein System der wechselseitigen Kontrolle verhindern, dass die Stiftung sich als Mehrheitseigentümerin zur Alleinherrscherin aufschwingt.
Eine Stiftung ist nur dann das geeignete Konstrukt, wenn der Unternehmer vor allem den Fortbestand seines Lebenswerks sichern und dieses vor externen Käufern, aber auch vor zu vielen Familiengesellschaftern und Streitigkeiten schützen will. Und wenn er als Stifter in der Lage ist, mit viel Vorbereitung, Genauigkeit und Schutz von ausgewiesenen Fachleuten eine weitsichtige Satzung zu erarbeiten, die so viele Details wie möglich regelt.
„Die Stiftung muss alle 30 Jahre Erbersatzsteuer bezahlen.“
Stefan Stolte,
Aulinger Rechtsanwälte
Immer aber muss sich der Unternehmer diese eine Frage beantworten: Ersticke ich mit meinem Schutzbedürfnis und meiner Regelungswut nicht die Zukunft meines Unternehmens? Er mag es für Gesellschafter unangreifbar machen, aber die Macht des Marktes kann er auch mit einer Stiftung nicht ausschalten. Das heute so wichtige Patent mag in 20 Jahren wertlos sein und wäre besser vorher veräußert worden. Der Fortbestand des Unternehmens hätte möglicherweise nur durch die rechtzeitige Entlassung von Mitarbeitern oder durch die Veräußerung eines einstmals unverzichtbaren Unternehmensteils gesichert werden können.
Darum gilt: Je enger der Unternehmer das Korsett der Satzung schnürt, desto mehr Sicherheit hat er zwar im Hier und Jetzt – umso gefährlicher wird es aber in der fernen Zukunft, um die er sich ja sorgt.
10/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.