Wo fängt unternehmerische Verantwortung an, und wo hört sie auf? ISA-TRAESKO aus Neumünster hat auf diese Fragen eine klare Antwort und setzt ESG-Standards in der Textilbranche.
Eingestürzte Textilfabriken, Kinder- und Zwangsarbeit, zerstörte Regenwälder – Nachrichten über Menschenrechts- und Umweltschutzverletzungen machen seit Jahren die Runde. Die Frage nach der Mitverantwortung deutscher Unternehmen wurde lange ignoriert. Um dieser dunklen Seite der Globalisierung beizukommen, ist seit Juli 2021 eine Sorgfaltspflicht für globale Lieferketten im deutschen Recht per Gesetz verankert.
Seit 2023 soll das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz) mehr Transparenz in die Supply Chain bringen. Betroffen sind davon Unternehmen mit mindestens 3.000 – ab 1. Januar 2024 mit 1.000 – in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern sowie ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen in der Bundesrepublik. Nach Einschätzung des Deutschen Anwaltvereins (DAV) fallen rund 3.000 Unternehmen in Deutschland in den Anwendungsbereich des Gesetzes.
„Das Lieferkettengesetz ist ein Paradigmenwechsel“, sagt Carla Everhardt, Rechtsanwältin im Bereich Außenwirtschaftsrecht bei Rödl & Partner. Denn fortan müssten sich Unternehmen nicht nur über Sorgfaltspflichten innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs Gedanken machen; sie müssten sich auch darum bemühen, dass dieser Sorgfaltspflicht außerhalb des eigenen Geschäfts auf der Ebene ihrer unmittelbaren Zulieferer genügt wird.
„Das Lieferkettengesetz ist ein Paradigmenwechsel.“
Carla Everhardt, Rödl & Partner
Konkret bedeutet das: Sie müssen auch dafür sorgen, dass ihr erster Hauptlieferant Sozialstandards und Menschenrechte wahrt, angemessene Arbeitsbedingungen für Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bietet sowie faire Löhne zahlt. Alle anderen Zulieferer in der Kette sollen abgestuft überprüft werden, wenn handfeste Kenntnisse über mögliche menschenrechtliche Verletzungen vorliegen. Kommen Unternehmen den Vorschriften nicht nach, drohen empfindliche Bußgelder. Diese Lieferkettennetze aufzubrechen und transparent zu machen ist eine Herausforderung. Aber nur so können Unternehmen sicherstellen, dass Sozial- und Umweltstandards bei ihren Lieferanten eingehalten werden.
Die ISA-TRAESKO GmbH aus Neumünster hat diesen Weg schon vor Jahren eingeschlagen – zu einer Zeit, als Nachhaltigkeit noch nicht den heutigen Stellenwert hatte. Gestartet im Jahr 1974 mit dem Import und Vertrieb dänischer Holzschuhe, beliefert das Familienunternehmen Groß- und Discountmärkte mit Schuhen, Accessoires und Dekorationsartikeln. Dabei übernimmt ISA-TRAESKO die gesamte Wertschöpfungskette von der Idee über das Design bis hin zur Herstellung bei Produktionspartnern in Asien und Südosteuropa.
„Unsere Fertigungsbetriebe kannten wir schon immer“, sagt ISA-TRAESKO-Geschäftsführer Florian Starmann. Doch inzwischen habe man auch einen richtig guten Überblick über all die Produktionsstufen davor. „Wir wissen, wo und wie unsere Hauptmaterialien gefertigt werden und auf was wir in diesen Fabriken achten müssen, damit keine schädlichen Chemikalien eingesetzt und Sozialstandards für die Beschäftigten eingehalten werden.“ Ein durchaus „investigativer Prozess“, wie Starmann einräumt.
Denn die Produkte sind ganz schön komplex. Schon ein normaler Schuh hat 20 bis 30 Materialkomponenten. Und jede einzelne davon kommt aus einer eigenen Materialfabrik, die wiederum ihre Rohmaterialien von einer anderen Fabrik bezieht.
Damit stellt sich ISA-TRAESKO seiner unternehmerischen Verantwortung – und zwar weit über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus. Das geht sogar so weit, dass die Corporate-Responsibility-Abteilung ein Vetorecht bei sämtlichen Auftragsplatzierungen hat, sollten zum Beispiel menschenrechtliche Bedenken bei einem Produktionspartner aufkommen.
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„Unsere Fertigungsbetriebe kannten wir schon immer.“
Florian Starmann, ISA-TRAESKO
Doch die komplexen regulatorischen Vorgaben bei der Berücksichtigung ökologischer, sozialer und führungsbezogener Faktoren stellen auch ISA-TRAESKO vor Herausforderungen. Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichterstattung, die EU-Taxonomie – die Liste an Gesetzen und Richtlinien wird immer länger. Allein ist das nicht zu stemmen.
Nach Einschätzung von Patrick Späth, Partner bei der Kanzlei Morrison & Foerster und Mitglied des Ausschusses Corporate Social Responsibility (CSR) und Compliance des DAV, bringt die Thematik einen enormen Beratungsbedarf für Unternehmen mit sich – vor allem im klassischen, global agierenden Mittelstand.
Als Beispiel nennt Späth das deutsche Lieferkettengesetz, das „sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält“. So stelle der Gesetzestext an vielen Stellen auf „Angemessenheit“ ab, was es Mandanten schwierig mache, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Damit einher gehe ein gewisser Ermessensspielraum, der in der Regel juristischen Beistand verlange.
Für Stefan Rizor, Of Counsel bei der Kanzlei Osborne Clarke in Deutschland und Vorstandssprecher des Bundesverbands der Wirtschaftskanzleien in Deutschland, wird es für die in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes fallenden Unternehmen darum gehen, die Verträge mit ihren Zulieferern anzupassen. „Es müssen Sonderkündigungsrechte ähnlich den heute schon üblichen Force-Majeur-Klauseln vereinbart werden. Denn sollte ein Zulieferer gegen die im Gesetz verankerten Sorgfaltspflichten verstoßen, muss die Geschäftsbeziehung beendet werden können, ohne dass sich der Auftraggeber schadenersatzpflichtig macht“, erklärt Rizor.
Große Verunsicherung registriert Everhardt bei Mandanten, welche Konsequenzen denn zu ziehen seien, sollte in der Lieferkette ein positiver Fall nach oben gespült werden. Denn vielfach wird angenommen, dass das Gesetz aktuell lediglich eine Bemühenspflicht begründet und weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung für die Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette vorsieht. Tatsächlich verlangt das Gesetz aber unter anderem die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs sowohl zur Prävention und Minimierung als auch zur Beendigung von umweltbezogenen und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtenverletzungen.
Anlaufstellen bei allen Fragen rund um die Verantwortung in der Lieferkette sind neben Kanzleien auch die Banken. Denn nach wie vor sind viele Unternehmen unsicher, wie ökologische, soziale und unternehmerische Verantwortung in die Unternehmensstrategie integriert werden kann. Insbesondere die Verzahnung mit dem Finanzbereich stellt eine Herausforderung dar – nicht zuletzt, weil die Banken zu einem wichtigen Treiber des nachhaltigen Umbaus der Volkswirtschaft geworden sind. Die Gesprächsangebote seitens der Banken nehmen inzwischen immer mehr Unternehmen an.
„Wir wollen die Unternehmen auf einer sehr langen Reise begleiten und fit für die Zukunft machen.“
Bodo Sentker, Deutsche Bank
ISA-TRAESKO beispielsweise hat mit der Deutschen Bank einen Nachhaltigkeitsdialog gestartet. Welche Bedeutung hat das Thema für das Geschäftsmodell? Wie sind Unternehmen direkt oder indirekt von regulatorischen Anforderungen betroffen? Was sind die Kernelemente einer Nachhaltigkeitsstrategie und wesentliche Themenstellungen? Wie beeinflussen ESG-Faktoren die Zusammenarbeit mit den Stakeholdern und vor allem auch mit Banken und Investoren? Und mit welchen konkreten Produkten und Lösungen kann die Finanzwirtschaft unterstützen? Auf diese und weitere Fragen gibt die Bank Antworten und Unterstützung.
„Wir wollen mit diesem Angebot die Unternehmen auf einer sehr langen Reise begleiten und fit für die Zukunft machen“, erklärt Bodo Sentker, Leiter ESG Client Solutions Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank. Zum Vorteil für beide Seiten.
Selbst Unternehmen, die bislang noch nicht direkt in den Anwendungsbereich regulatorischer Anforderungen wie dem Lieferkettengesetz fallen, werden sich über kurz oder lang damit auseinandersetzen müssen. Denn Kunden und Mandaten schauen inzwischen immer genauer hin, inwieweit die Geschäftspartner ihre Versprechen auch einlösen. ISA-TRAESKO-Geschäftsführer Florian Starmann kann davon ein Lied singen: „Waren es vor vier, fünf Jahren vielleicht zwei Aufträge im Jahr, bei denen das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle gespielt haben, wird heute fast keiner mehr ohne vergeben.“
09/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Andreas Knoch. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.