Wie gut sind Deutschlands Manager?

Die Unzufriedenheit mit Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung ist auf Seiten der Unternehmen besonders groß. Doch haben nicht vielleicht auch die Manager selbst einen Anteil an der schlechten Performance? Eine Spurensuche.

Wie gut sind Deutschlands Manager?

Die Welt im Blick – das gilt für Deutschlands zahlreiche Weltmarktführer ganz besonders. Doch wie gut sind deutsche Manager im internationalen Vergleich? Foto: Adobe stock

Deutschlands Wirtschaftswachstum darbt, auch im Vergleich zu anderen Industriestaaten. Die Unternehmen haben vor allem politische Faktoren als Schuldige ausgemacht: Bürokratie und Regulierung, Steuerlast, hohe Energiepreise und schwindende Anreize für Erwerbsarbeit. Aber könnte nicht auch eine vergleichsweise schwache Managementleistung eine Erklärung sein? Tun sich deutsche Manager vielleicht besonders schwer, Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu finden?

Der Blick über den Atlantik ist oft ein sehnsüchtiger: Die wertvollsten Unternehmen der Welt sind in den USA ansässig, Deutschlands jüngster Global Player SAP wurde vor über 50 Jahren gegründet. Ob Künstliche Intelligenz (KI), Elektromobilität oder auch Robotik und Internet: Deutsche Unternehmen rangieren da meist unter „ferner liefen“. US-Manager und ihre Methoden gelten weltweit als „Gold-Standard“. Und wenn es nicht die US-Amerikaner sind, die die Märkte dominieren, so werden es zunehmend chinesische Firmen sein.
Doch fallen ihre deutschen Wettbewerber so stark ab? Halten oft genannte Vorurteile gegenüber deutschen Firmenentscheidern – sie seien risikoavers, technologieskeptisch, hierarchisch, provinziell – der Überprüfung überhaupt stand?

Vorurteil 1: Deutschlands Manager sind risikoaverser

Es gibt kein generelles Maß, die Risikoscheu von Managern zu messen, aber Annäherungen. So zeigte sich, dass US-Manager eher bereit sind, in risikoreichere Finanzinstrumente zu investieren als deutsche. Auch entschieden sich westdeutsche Manager deutlich seltener als ihre chinesischen Wettbewerber für eine risikoreiche Strategie, um sich Chancen zu sichern. Angesichts des hohen Anteils von Familienunternehmen – denen der Kapitalerhalt über Generationen ein sehr wichtiges Anliegen ist – verwundert die Risikozurückhaltung wenig. Auch in der China-Frage zeigen sich mittelständische Unternehmen deutlich skeptischer, ob sie ihre Investitionen in China ausbauen sollten. Deutsche Konzerne sind in dieser Hinsicht deutlich entschlossener, aber bei Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) zeigen sie sich ebenfalls sehr zurückhaltend. Die Top-3-Unternehmen nach FuE-Ausgaben je Land investierten laut World Intellectual Property Organization 2022 in den USA 18,5 Prozent ihres Nettoumsatzes in die Forschung. Chinas Top 3 lagen bei knapp 14 Prozent – und Deutschlands Spitzenreiter gerade einmal bei knapp 7 Prozent. Mit diesem Prozentanteil sind sie Schlusslicht unter den zehn größten FuE-Ländern. In absoluten Zahlen liegt Deutschland immerhin auf Rang 3 bei den FuE-Investitionen der Top-3-Unternehmen – allerdings deutlich hinter den USA und leicht hinter China.

Deutschland hat die Industrie 4.0 erfunden. Doch mehr als ein Jahrzehnt später gibt es noch immer kein einziges deutsches Unternehmen, das Industrie 4.0 vollständig implementiert hat.

Vorurteil 2: Deutschlands Manager sind technologieskeptischer

Eigentlich wird Deutschland um seine Ingenieurskunst weltweit beneidet. Doch wie sieht es abseits der Entwicklung eigener Innovationen mit der Nutzung fremder Ideen aus? Nur ein Beispiel: Die Industrie 4.0 ist eine deutsche Erfindung, bereits 2011 wurde der Begriff auf der „Hannover Messe“ bekannt. Doch mehr als ein Jahrzehnt später gibt es laut einer aktuellen BearingPoint-Studie noch immer kein einziges deutsches Unternehmen, das Industrie 4.0 vollständig implementiert hat. Auch andere Untersuchungen zeigen: Deutsche Fertigungsunternehmen sind zwar investitionsbereit und sehen auch die Bedeutung der Technologie, doch erst die Hälfte von ihnen hat überhaupt mit der konkreten Umsetzung von Einzelprojekten begonnen. Es gibt Fortschritte, aber sie sind langsam.

Doch auch anderswo wird manchmal mehr geredet als gehandelt. Nicht ins Bild der technologieaffinen US-Unternehmen passen will die Adaptionsquote im Bereich KI – immerhin eine klare Domäne des Landes: Ende 2023 hatten nicht einmal 4 Prozent der US-Firmen Künstliche Intelligenz adaptiert. In Deutschland hingegen setzen schon 12 Prozent die neue Technologie ein. Allerdings zeigen sich auch hier wieder Unterschiede: Deutsche Großunternehmen nutzen KI deutlich häufiger als der Mittelstand.

Vorurteil 3: Deutschlands Manager sind autoritärer

Starre Hierarchien gelten seit Jahren schon als ungeeignet, um ausreichend schnell auf technologische Disruptionen reagieren zu können. Statt Top-down-Ansatz gelten flexible Entscheidungsstrukturen als zukunftssicherer. Neigen deutsche Unternehmen zu veralteten Führungsstilen? Eine Befragung durch YouGov ergab 2019, dass deutsche Führungskräfte keineswegs autokratisch entscheiden wollen; nur jeder 13. Chef will so führen. Die weit überwiegende Mehrheit von zwei Dritteln bevorzugt hingegen „demokratische“ Führungsmethoden – und unterscheidet sich dabei kaum von US-Chefs oder denen aus anderen europäischen Ländern.

Etwas differenzierter ist das Bild einer Studie, die Teemu Malmi und andere Wissenschaftler 2022 veröffentlicht haben. Danach geben angelsächsische Führungskräfte mehr administrative Kontrolle ab als deutsche. Außerdem nutzen Amerikaner komplexere Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen; Matrix-Strukturen sind verbreiteter als hierzulande. Auch werden Subalterne in Deutschland seltener in strategische Planungsentscheidungen eingebunden. Das alles hilft, die Kommunikation über Hierarchieebenen hinweg zu verbessern. Doch sehr groß sind die transatlantischen Unterschiede letztlich nicht. Amerikanische Chefs setzen zudem mehr auf klare Entscheidungsplanken als deutsche, bei denen manches auf persönlicher Ebene entschieden wird.

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Vorurteil 4: Deutschlands Manager sind provinzieller

Ohne Frage, deutsche Mittelständler sind in vielen Märkten weltweit führend. Sie verfügen nicht nur über technologische Expertise, sondern auch über Geschäftserfahrungen in unterschiedlichsten Ländern. Doch die Frage ist, ob sie am Ende nur das eigene Unternehmen kennen und ob ihnen die Perspektive von außen fehlt. Die Studienlage kommt zu keinem eindeutigen Schluss: Zwar besetzte laut IW-Personalpanel jedes zweite Unternehmen eine vakante Führungsposition rein intern und nur jedes fünfte Unternehmen rein extern. Mit der Unternehmensgröße verschieben sich die Akzente jedoch deutlich: Bei Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sind es laut IW nur noch knapp 8 Prozent, die Führungspositionen allein mit eigenen Mitarbeitern besetzen.

Die Angaben aus den USA sind weniger detailliert – doch das Ergebnis bei den Konzernen überrascht: Bei den Unternehmen im S&P 500 wurden laut Spencer Stuart im vergangenen Jahr 74 Prozent der CEO-Positionen intern besetzt (nach 82 Prozent im Jahr 2022) – bei den kleineren Unternehmen waren es deutlich weniger. Ältere Erhebungen wie die von Heidruck & Struggles aus dem Jahr 2017 zeigen, dass dieser Wert damals noch höher war. Deutsche Unternehmen hingegen hatten damals nur 68 Prozent der CEO-Stellen intern besetzt.

Deutschlands Manager sind spitze

Die Empirie zeigt: Manches Vorurteil ist unzutreffend. Andere sind begründet, doch die Unterschiede im internationalen Vergleich sind nicht sehr ausgeprägt. Das World Management Survey bestätigt diesen Befund. Unter der Führung von vier europäischstämmigen Wissenschaftlern wie John van Reenen und Nicholas Bloom wurden seit 2002 mehrere World Management Surveys (WMS) unter Fertigungsunternehmen aus 20 Ländern durchgeführt. Die Forscher definierten 18 Dimensionen, die in der Forschung als besonders erfolgsentscheidend identifiziert worden waren. Diese Dimensionen wurden wiederum in drei Hauptgruppen unterteilt: Monitoring Management, Targets Management und Incentives Management. Monitoring umfasst vor allem Themen wie Leistungserfassung und -Feedback; Targets die Ausgestaltung von Zielen; Incentives die Belohnung und Bindung bzw. Sanktionierung guter bzw. schlechter Leistung. Das Ergebnis aller bisherigen Surveys: In Summe schneiden US-Manager mit Abstand am besten ab. Doch schon auf Platz 2 folgt Deutschland, allerdings gleichauf mit Japan.

Damit haben es deutsche Manager schriftlich: Ihre Leistung ist im weltweiten Vergleich hervorragend. Die Konkurrenz aus China, Indien oder anderen aufstrebenden Volkswirtschaften liegt abgeschlagen hinten. Zwar gibt es in den Einzelwertungen Unterschiede – gerade im Incentives Management liegen die US-Manager mit Abstand weit vorne. Doch sind deutschen Managern von der heimischen Arbeitsmarktpolitik engere Grenzen gesetzt als ihren US-Pendants. Auch hier beeinflusst die Politik also die Möglichkeiten deutscher Wirtschaftslenker.

06/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.



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